Bochum. . Bochumer Geschäftsinhaber schrieb als Soldat 1945 einen liebevollen Brief an seine Ehefrau. Sie erhielt ihn nie. Jetzt fand eine polnische Dame das Schriftstück. Tochter des Verfassers ist tief bewegt.

Fast 50 Jahre ist Hermann Lefelmann schon tot, als seine Tochter Helga Lefelmann im November 2014 einen Brief erhält vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Danzig. Mitarbeiter Peter Utsch schreibt: „Keine Sorge, es ist nichts Schlimmes“. Sie liest weiter und glaubt es kaum: Ein Brief ihres Vaters sei aufgetaucht, verfasst am 2. Februar 1945 im polnischen Graudenz. Eine Frau in Polen hat den Brief in alten Unterlagen aus ihrem Elternhaus gefunden, wo Hermann Lefelmann ihn einst abgegeben haben muss. „Ich bin damals elf Jahre alt gewesen und erinnere mich an drei sympathische Soldaten, die uns mehrmals besucht haben. ... Ich erinnere mich, dass einer der Soldaten meiner Mutter einen Brief aushändigte“, teilt Felicja W. aus Thorn dem Generalkonsulat mit. Hermann Lefelmann selbst schrieb „Diesen Brief will ich einem Zivilisten geben, um ihn dir in späterer Zeit zusenden zu lassen.“

70 Jahre nachdem er diese Zeilen an seine Frau Else richtete, hält seine Tochter sie in den Händen. „Man hätte ihn beim Aufräumen ja auch sofort in den Papierkorb werfen können. Aber nein, die polnische Dame hat sich die Mühe gemacht, den Brief an die deutsche Vertretung zu schicken, zusammen mit einem langen Begleitbrief“, berichtet die Empfängerin. Allein, dass ihre Mutter Else Lefelmann selbst diesen Brief nicht mehr lesen kann, stimmt ein wenig traurig, ist sie doch erst 2013 mit 97 Jahren gestorben.

"Es war wie eine späte Begegnung"

Über die Stadtverwaltung in Weener und schließlich in Bochum stoßen die Behörden auf Helga Lefelmann und lassen ihr den Brief und die Korrespondenz mit Felicja W. zukommen. Es sind liebevolle Worte, die die 73-jährige Bochumerin liest, aber auch sorgenvolle: „Ich weiß auch nicht, was aus uns hier wird. Ob wir noch rauskommen. Ich glaube kaum“, schrieb Hermann Lefelmann kurz bevor Graudenz, eingekesselt von der Roten Armee, zur Festung erklärt worden war. Es folgten schwere Kämpfe, gewaltsame Übergriffe und weitgreifende Zerstörung der Stadt, die am 6. März 1945 in der Kapitulation der Deutschen endeten. Helga Lefelmann vermutet, dass ihr Vater die Stadt vorher doch verlassen haben muss.

Deutsche Dienststelle hält Informationen bereit

Die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt=Wehrmachtauskunftstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene) war in den ersten Nachkriegsjahren fast nur damit beschäftigt, Sterbefälle von ehemaligen Wehrmachtangehörigen zu bearbeiten.

Auch heute noch werden alle amtlichen Dokumente, die weiterhelfen, etwas über das Schicksal eines Soldaten zu erfahren, gesammelt, ausgewertet und bearbeitet.

Der in Bielefeld geborene und in Bochum lebende Maschinenbauingenieur kehrte 1945 erst in die Heimatstadt seiner Frau nach Weener in Ostfriesland zurück, bevor er 1946 begann, seine Firma, eine Vulkanisieranstalt, in Bochum wieder aufzubauen. Als Helga Lefelmann die Post aus Danzig in Bochum erreicht, ruft sie tief bewegt ihre Geschwister Gerd und Christa Maria an. Nie zuvor hat sie einen Brief ihres Vaters aus dem Krieg gelesen, es ist der einzige, der heute erhalten ist. „Es war wie eine späte Begegnung“, sagt sie. Seither treiben sie Fragen um.

„Meine Geschwister und ich sind im Recherchierfieber“, so Helga Lefelmann. Ihr Bruder stellte eine Anfrage an die Deutsche Dienststelle in Berlin, das Archiv der Wehrmacht, um den Reiseverlauf des Vaters nachzuzeichnen: Wann hat er Graudenz verlassen? Was ist aus seiner Einheit geworden? Sie möchten wissen, wie es damals war in Graudenz. Im August werden sie nach Polen reisen, um Felicja W. zu treffen. Die 81-Jährige spricht Deutsch und wird ihnen den Ort des Geschehens zeigen.