Bochum. Vom Chefsessel im Rathaus bis zur Trainerbank beim VfL – es gibt neue Gesichter an einflussreichen Stellen in der Stadt.

Die Stadt verändert ihr Gesicht. Am eindringlichsten wird das in diesen Tagen sichtbar im Opel-Werk I an der Wittener Straße, wo die aufgerissene Flanke der Lackiererei das Ende einer industriellen Ära dokumentiert. Opel war gestern. DHL ist morgen. Was sonst noch kommt, steht in den Sternen.

Aber nicht nur in Laer herrscht Wandel. Das neue Justizzentrum, die Opel-Spange, die Straßenbahn 310 nach Langendreer, der Wohnpark Ost, das Musikforum, die I-Gebäude der Ruhr-Universität, die Opel-Werke II und III. Überall wird neu gebaut und verändert sich eine ganze Stadt mitunter radikal. Eine in Beton gegossene Entwicklung.

Bochum bekommt aber nicht nur ein neues Gesicht. Es bekommt auch oder es hat schon neue Gesichter an ganz vielen entscheidenden Stellen bekommen – vom Chefsessel im Rathaus bis zur Trainerbank beim VfL. Umbruch und Aufbruch. „So viele Wechsel an zentralen Stellen wie zurzeit in Bochum geschehen ganz selten“, sagt Professor Dr. Jörg Bogumil vom Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Uni. Nicht zuletzt deshalb gibt es auch keine wissenschaftliche Arbeit über dieses Phänomen. Was die neuen Köpfe bewirken, welchen Einfluss sie auf die Entwicklung ihrer Organisationen nehmen und wie sie die Stadt verändern, das wird sich erst im Laufe der Jahre erweisen. „In jedem Fall ist es immer eine Chance“, sagt Professor Bogumil.

Ein Überblick.

Oberbürgermeister(-in)

Wenn am 13. September knapp 300.000 Wahlberechtigte aufgerufen sind, den Oberbürgermeister-Posten neu zu vergeben, dann geht eine elfjährige, markante Ära zu Ende. Dr. Ottilie Scholz ist die erste Oberbürgermeisterin das Stadt. „Eine Gute“, wie viele sagen, die ihre Nahbarkeit schätzen und die sie in einer Linie mit namhaften SPD-Vorgängern sehen. Gleichwohl ist die Amtszeit der 66-Jährigen nahezu vom ersten bis zum letzten Arbeitstag geprägt vom letztlich verloren gegangenen Kampf um das Opel-Werk. Auf ihren Nachfolger, aller Voraussicht nach wird es ein Mann, warten viele Herausforderungen – angefangen von der Wiederbelebung der Opel-Flächen bishin zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen.

VBW-Geschäftsführer

Den Grundstein gelegt zum Schlussstein der Quartierentwicklung an der Küpperstraße, einem Block mit Eigentumswohnungen einen Steinwurf entfernt vom Stadion, hat Dr. Dieter Krämer noch. Kurz darauf hat sich der langjährige Geschäftsführer der VBW Bauen, mit 13.000 Wohnungen und 40.000 Mietern der größte Anbieter auf dem lokalen Wohnungsmarkt und in Besitz der Stadtwerke (49,1 Prozent) sowie weiterer Teilhaber wie Deutsche Annington, Krupp Hoesch Stahl, UniCredit Bank, Sparkasse Bochum oder Hypothekenbank Frankfurt, in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger Manfred Lork kommt aus Wolfsburg, hat das Geschäft aber von der Pike auf einst bei der LEG gelernt und wird mit Norbert Riffel weiterhin eine Doppelspitze bei der VBW bilden.

SPD-Parteichef

Keine Doppel-Spitze. Parteichef der SPD mochte oder sollte Thomas Eiskirch (44) nicht länger bleiben. Der Landtagsabgeordnete kündigte nahezu zeitgleich mit seiner Kandidatur für die OB-Wahl seinen Rücktritt nach sechs Jahren als Kopf der etwa 4500 Genossen in 38 Ortsvereinen an. Sein gewählter Nachfolger Karsten Rudolph (53) war einst Vorsitzender der Jungsozialisten im Bezirk Westliches Westfalen und ist habilitierter Historiker mit den beiden Schwerpunkten Sozial- und Politikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Superintendent

Peter Scheffler geht – in den Ruhestand, Dr. Gerald Hagmann (42) kommt. Als die Kreissynode den Pfarrer aus Harpen zum neuen Superintendenten für den Evangelischen Kirchenkreis wählte, entschied sie sich für den jüngsten Superintendenten und Leiter eines evangelischen Kirchenkreises in ganz Nordrhein-Westfalen. Acht Jahre lang steht Hagmann nun den 18 Gemeinden mit insgesamt 92.000 Mitgliedern vor.

Stadtdechant

Elf Jahre lang lenkte Dietmar Schmidt als Stadtdechant die Geschicke der etwa 140.000 katholischen Christen in Bochum. Zu seinem Nachfolger wählte die Stadtkonferenz Michael Kemper (54), Pastor der Gemeinden St. Bonifatius und St. Marien in Langendreer. Ein Votum, dem Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck mit der Ernennung des neuen Amtsinhabers im März folgte.

Schauspielhaus-Intendant

Wirtschaftlich hat er das Haus in Ordnung gebracht. Künstlerisch, so heißt es, habe Anselm Weber als Intendant des Schauspielhauses seit 2010 bislang allerdings eher wenige Akzente gesetzt. Zwei Spielzeiten hat er jetzt noch Zeit, das zu ändern, ehe er ans Schauspiel Frankfurt wechselt. Wer auf Weber folgt, das steht noch in den Sternen.

VfL Bochum / Trainer

Schillernd sind sie beide – auf völlig verschiedene Art. Der eine, Peter Neururer, musste gehen und streitet sich mit dem Club noch gerichtlich um finanzielle Angelegenheiten. Vom anderen, Gertjan Verbeek (52), erhoffen sich, ja erwarten fast Fans und Verein die Rückkehr in die 1. Bundesliga. Der Niederländer ist ein knorriger Typ, im Gegensatz zu Neururer meidet er die Öffentlichkeit. Bei seiner Vorstellung gefragt, worauf sich die Gegner künftig einstellen müssen, wenn sie im „rewirpower-Stadion“ antreten, sagte er: „Dann muss es dünn durch die Hose laufen.“ Dieser Spruch hätte auch vom Vorgänger stammen können.

Ruhr-Uni / Rektor

Gewählt wurde er für eine dritte Amtszeit bis 2017. Aber Elmar Weiler, Biologie-Professor und seit seinem Studienbeginn 1970 mit der Ruhr-Universität verbunden, beendet Ende September sein Rektorat an der RUB vorzeitig. Vieles hat er angestoßen, etliches bewirkt. Und mit der Idee von der wissensbasierten Stadtentwicklung mit dem griffigen Namen „Bochum 4.0“ hinterlässt er einen Denkanstoß, der weit über die universitäre Landschaft hinaus wirken kann. Wer auf Weiler folgt, ist noch ungewiss.

IHK-Hauptgeschäftsführer

Noch ist er Bürgermeister in Wermelskirchen und kümmert sich um Fragen wie den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz oder die Inklusionshilfen an Grundschulen, beides war Thema in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause. Aber vom 1. November an lenkt der 44-jährige Eric Weik (FDP) als Hauptgeschäftsführer die Geschicke der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet. Der Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Helmut Diegel gilt wie dieser als zupackender Typ mit unternehmerischer „Denke“. Eine seiner vornehmlichen Aufgaben wird es sein, die angespannte Finanzlage der IHK in den Griff zu bekommen.

Stadtwerke-Geschäftsführer

Die Fußstapfen sind groß, in die Frank Thiel (49) Anfang Oktober tritt. Als kaufmännischer Geschäftsführer folgt er auf Bernd Wilmert; jenem Mann, der mehr als 20 Jahre lang die Geschicke des hiesigen Energieversorgers lenkte, der Umsatz und Gewinn vervielfachte und der unter anderem als Geschäftsführer der Kommunalen Beteiligungsgesellschaft, dem Steag-Konsortium, auch über die Stadtgrenzen hinaus Spuren hinterlassen hat. Für Thiel spricht nicht zuletzt sein „Stallgeruch“. Der Industrie-Kaufmann und Diplom-Ökonom ist seit 2012 Geschäftsführer der Stadtwerke-Vertriebsgesellschaft und – fast noch wichtiger – leitet seit 1997 die Unternehmensentwicklung.

Wirtschaftsförderung Geschäfsführer

Betriebswirt Ralf Meyer (54) ist der erste Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Holding, die Bochum nach der Umwandlung des Amtes für Wirtschaftsförderung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Dach über diese GmbH und die Entwicklungsgesellschaft Ruhr (EGR) gestülpt hat. Sein Vorgänger hatte eine Dezernatsstelle inne und war zugleich Stadtdirektor: Pau Aschenbrenner. Die vornehmliche Aufgabe des Holding-Chefs, der zuvor lange bei „hannoverimpuls“ in der niedersächsischen Landeshauptstadt eine ähnliche Aufgabe wahrgenommen hat: Er soll die neue Organisation zusammenführen, ihre Effektivität fördern und Bochums wirtschaftlicher Entwicklung neues Leben einhauchen. Als er Ende 2014 seinen Dienst antrat, sagte er gegenüber der WAZ, es sei von Vorteil dass neben ihm zahlreiche andere Führungspositionen in der Stadt neu besetzt würden.

Stadtbaurat

Er musste reichlich Kritik einstecken – auch aus den eigenen politischen Reihen. Für Dr. Ernst Kratzsch war daher die erste Amtszeit als Baudezernent daher auch die letzte, Ende 2014 ging der 62-Jährige in den Ruhestand. Seinen Nachfolger Markus Bradtke gesucht hat die Stadt mit Hilfe eines Headhunters – und wurde fündig in unmittelbarer Umgebung, in Witten. Der 48-jährige gebürtige Bochumer kehrt nun beruflich zurück in seine Heimatstadt, er wird am 1. Oktober die Nachfolge von Ernst Kratzsch antreten. Vor seinem Wechsel in das hiesige Rathaus ist Bradtke geradezu enthusiastisch: „In seiner Heimatstadt Baudezernent zu sein, das ist für meinen Berufsstand wohl das größte der Gefühle“, sagte er nach seiner Wahl.