Bochum. Die Region hat alles, so Ruhruni-Professor Michael Hübner, um moderne Produktions-Cluster zu entwickeln. Wissenstransfer ist der Schlüssel.
Die Zukunft hat längst begonnen. Wir leben vernetzt, produzieren vernetzt, sind umgeben von „Eingebetteten Systemen“. „Das ist so alltäglich geworden, dass wir Hunderte von eingebetteten Systeme um uns herum haben. Bis zu 100 Prozessoren arbeiten in einem modernen Auto, vom Blinker bis zum Assistenzsystem“, sagt Professor Dr. Michael Hübner, Inhaber des Lehrstuhls für Eingebettete Systeme der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik an der Ruhr-Uni.
So lang die Funktionsbezeichnung ist, so schwierig ist auch die Materie, mit der sich der gebürtige Karlsruher beschäftigt. Es geht um nicht weniger als eine Verknüpfung von realer und virtueller Welt. „Ich arbeite an neuesten Prozessoren, die Daten parallel verarbeiten können und dabei sehr wenig Energie verbrauchen. Neu daran ist, dass man ihnen Intelligenz mitgibt, in der Art, dass die sich selber anpassen können. Sie können erkennen, was von ihnen verlangt wird."
Was sich anhört wie Science Fiction ist schon Realität. Im Labor neben Hübners Büro arbeiten Doktoranten an Projekten wie einem Hausroboter. Am Ende läuft es darauf hinaus, dass intelligente Fabriken entstehen, sogenannte Smart Production ermöglicht wird und die physische Welt der Dinge mit Datennetzen verschmelzen.
Möglichkeiten der Region würden steigen
Drei Felder haben großes Potenzial
Im Auftrag der Wirtschaftsförderung hat das Forschungsunternehmen Prognos eine Studie zur Bochumer Produktionswirtschaft erstellt. Die Forscher haben herausgefunden, dass vor allem drei Felder großes Potenzial bieten: Smart Production (Industrie 4.0, IT-Sicherheit, Automatisierung), Hochleistungswerkstoffe und Antriebstechnologie.
Die WAZ stellt die Studie und ihre wesentlichen Ergebnisse in einer Serie vor. Im zweiten Teil geht es um die sogenannte „Smart Production“.
Erforderlich dafür ist die Zusammenarbeit zwischen Akteuren verschiedener Fachgebiete. Smart Production lebt von Erkenntnissen der „Eingebetteten Systeme“, von Automatisierung oder IT-Sicherheit. Alles ist in Bochum bereits vorhanden. Es gibt Automatisierungsexperten wie die von Mach4, etliche Sicherheitssoftwarefirmen. Und es gibt Schnittstellen von Forschung und Industrie wie den Messtechnikhersteller Krohne im Technologiezen-trum Ruhr auf dem Uni-Campus.
Sie zusammen können jene Cluster bilden, die die Prognos AG als Zukunft der Produktionswirtschaft ausgemacht hat: räumlich konzen-trierte Firmen verschiedener Branchen, die zur gleichen Wertschöpfungskette gehören. Professor Hübner: „Wir haben hier ganz viele Firmen, die diese Puzzlestücke bilden, um Industrie 4.0 zu leben. Wir wären in der Lage, etwas ganz Großes aufzubauen, um eine Leuchtturmfunktion einzunehmen in Deutschland, vielleicht sogar in Europa.“
Das Personal liefere die Region mit ihrem dichten Hochschulznetz. „Wir haben die Leute, mit denen man nach vorne kommen kann. Wenn man Infrastruktur aufbaut, kann die gleich bedient werden.“ Helfen könnte dabei das junge Bochumer Institut für Technologie. Es soll den Forschungstransfer zwischen Industrie und akademischer Welt unterstützen und beitragen, an Forschungsmittel zu kommen. „Die würden nicht nur die Möglichkeiten der Region steigern, sondern auch ein Signal an Firmen sein, hier etwas zu tun.“
Risiko von Angriffen wird in der vernetzten Welt immer größer
Er ist zurück aus London. Zwei Tage war Carsten Willems (37) auf der europäischen Sicherheitskonferenz. Mit der Software VMRay-Analyzer dürfte er dort ein begehrter Gesprächspartner gewesen sein. Mit seinem Geschäftspartner Ralf Hund (32), beide sind am renommierten Horst-Görtz-Institut der Ruhr-Uni ausgebildete, promovierte Software-Spezialisten, hat er eine Suchsoftware entwickelt, mit der „bösartige“ Programme, Malware, analysiert werden kann, ohne dass ihr Analyzer selbst von dieser Malware entdeckt werden kann. Es ist eine neue Stufe im Katz- und-Maus-Spiel in der virtuellen Welt.
Computer schützen kann der Analyzer nicht. Aber er ist die Basis, um den richtigen Schutz zu bauen. Das untersuchte Programm oder eine Datei wird in einen geschützten Bereich, eine Sandbox, ausgeführt und dann haarklein analysiert.
„Das ist wie ein Röntgengerät“, erklärt Willems. „Wir liefern die Daten, der Anti-Viren-Hersteller baut dann seinen Schutz, die Polizei weiß was passiert, der Dax-Konzern kann seine Firewall konfigurieren.“ Es gibt viele potenzielle Abnehmer für das seit 2015 angebotene Produkt der jungen Firma.
Dax-Unternehmen, Regierungen, Polizeibehörden, Militär. Der Markt ist groß. Experten schätzen ihn auf jährlich etwa 86 Milliarden US-Dollar für die gesamte IT-Sicherheit, ein Bruchteil davon entfällt auf Analysesysteme. Der Haupttreiber für das Wachstum der IT-Sicherheit „ist vor allem die zunehmende Konnektivität von IT-Systemen, die die Verwundbarkeit der Teilnehmer ständig erhöht und das Risiko von Angriffen und Schäden durch Schadcodes steigert“, sagt Willems. Je mehr Rechner, Prozesse, Systeme miteinander verbunden sind, desto größer ist die Gefahr von Angriffen und desto notwendiger wird der Schutz dagegen.
Die VMRay GmbH setzt dabei neue Akzente. „Was wir machen ist die beste Technologie der Welt“, sagt Willems in bester Marketing-Manier und mit dem Wissen eines Mannes, der seit mehr als einem Jahrzehnt auf diesem Gebiet unterwegs ist. Zur Zeit sucht VMRay einen Verkäufer in Nordamerika für den Hauptmarkt USA und kündigt auch die Gründung einer Dependance in Silicon Valley auf absehbare Zeit an.
Zahlreiche Preise
Aber nicht nur der Markterfolg gibt dem jungen, aus der Ruhr-Uni ausgegründeten Unternehmen Recht. Nach zwei Gründerpreisen und einer Finanzspritze von 500.000 Euro durch den Hightech-Gründerfonds wurde sie unlängst in Berlin mit dem zweiten Platz beim bundesweiten Wettbewerb „IKT-Gründung des Jahres“ ausgezeichnet.