Bochum. . Walter Spiller und Gerda Jander wohnen seit 1954 in der Wohnsiedlung. Der anliegende Volkspark bietet Entspannung und eine vermeintlich grüne Lunge.
In dieser Siedlung steckt Geschichte. Spaziert man durch die bogenförmige, schmal konstruierte Straße ist man sich dessen vielleicht auf den ersten Blick nicht bewusst. Die zweistöckigen Häuschen sind niedlich, konform, scheinen sich ziemlich ähnlich und sind mit ihren gepflegten Vorgärten hübsch anzuschauen. Es blühen die Tulpen, der Rasen ist gemäht und die Hecken sind getrimmt. Das Auto steht auf dem Gehweg geparkt vor dem Haus. Vorstadtidylle. Die Nachbarn kennen sich und grüßen nickend. Sogar der Postbote erbietet ein Lächeln. So der erste Eindruck.
Die Dreihügelstraße ist für die Anwohner Walter Spiller und Gerda Jander Heimat. Sie sind Bewohner, seit die Siedlung im Jahr 1954 gegründet worden ist.
„Zehn verschiedene Häusertypen sind hier zu finden“, erzählt Spiller: „Alles ist im Rahmen des Marshallplans finanziert worden“, weiß er. Denn die Siedlung um die Dreihügelstraße ist eine sogenannte MSA-Siedlung. Sie wurde von amerikanischen Unterstützungsgeldern gebaut und schaffte nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs Wohnraum für Vertriebene, Flüchtlinge und in Bochum auch Wohnraum für Gastarbeiter und Bergleute. Für Spiller ist die Siedlung mehr als nur Wohnort, sie ist in gewisser Weise auch sein liebstes Steckenpferd – er interessiert sich für ihre Geschichte und sorgt sich um eine funktionierende Nachbarschaft. 33 Jahre lang war er Vorsitzender der Siedlergemeinschaft Hiltroper Heide. Jetzt hat Spiller sogar den Vorsitz des Kreisverbands der Siedlergemeinschaft inne.
Keine Nahversorgung in der Straße
Sein Motto: „Wer einen guten Nachbarn hat, der hat einen guten Tag.“ So steht es auch auf seiner Garage geschrieben. „Nach dem Krieg war der Frieden mit den Nachbarländern unheimlich wichtig“, erklärt er den Slogan: „Auch hier in der Siedlung ist mir gute Nachbarschaft wichtig.“
Über die Jahre hat sich viel in der Dreihügelstraße verändert. Das weiß auch Spillers Nachbarin Gerda Jander. Ein großer leerstehender Bungalow mit ‘runtergelassenen Rolläden steht verlassen inmitten der Wohnhäuser: „Das war früher mal der Konsum-Supermarkt“, erinnert sich die 77-Jährige. „Eigentlich soll hier eine Kindertagesstätte entstehen“, mutmaßt Spiller: „Doch bis jetzt tut sich nichts. Schade für die Kinder“, findet der Rentner. Direkt neben dem Bungalow befand sich früher mal das Friseurgeschäft Heinze und der Milchhändler Lauschner. „Mit der Milchkanne sind wir hier frische Milch holen gegangen“, schwelgt er in Erinnerungen.
Chrombelastung durch Chemiewerk
Und an den ein oder anderen Friseurbesuch bei Heinze erinnert sich auch Gerda Jander noch gut: „Er war ein Lustiger. Der hatte immer einen Witz auf den Lippen.“ Die alten Zeiten vermisse sie schon ein wenig, als es noch Geschäfte vor Ort gab. Zu Fuß kann sie ihre Einkäufe nämlich nicht mehr erledigen. Es sei einfach zu weit zum nächsten Supermarkt oder zum nächsten Arzt. Die Praxis des Mediziners Ewald Henke ist auch unlängst geschlossen worden.
Wer Ruhe und Entspannung sucht, der geht in die grüne Lunge von Hiltrop. Der Volkspark Hiltrop mit seinen Quellen, Brücken, Spielplätzen und Schatten spendenden hohen Bäumen ist Anlaufstelle für Spaziergänger, Jogger und Radfahrer. „Bis in die 50er Jahre gab es hier auch noch ein Naturschwimmbecken“, weiß Spiller. Doch das Wasser der Quellen sollte man heute besser nicht mehr trinken, sagt er: „Die Altlasten einer ehemaligen Chemiefabrik in der Nähe haben zu einer erhöhten Chrombelastung geführt“, bedauert er.
Doch er sieht weiterhin die Vorteile des Parks: „Das Klima in der unmittelbaren Umgebung ist anders – deutlich kühler im Sommer.“ Um keinen Preis zöge er von dort weg.
Namen aus dem Bergbau - Zechen Constantin und Lothringen förderten
Zur Behebung der großen Wohnungsnot nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und dem Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten in den westlichen Teil Deutschlands wurden im Rahmen und mit Mitteln des von den USA lancierten Marshallplanes Anfang der 1950er Jahre überall in Westdeutschland Siedlungen gebaut.
Die Finanzierung lief zunächst über die 1948 eingerichtete US-amerikanische ECA (Economic Cooperation Administration), ab 1951 über die MSA (Mutual Security Agency). Als Vorgabe forderten die Planer, Kleinwohnungen zu einem Festpreis möglichst billig zu errichten; der soziale Wohnungsbau sollte gefördert werden.
Die Straßennamen in der Hiltroper Dreihügelsiedlung – Am Bremsberg, Am Füllort, Im Aufbruch – sind bergmännischen Begriffen entlehnt. Im Bochumer Norden waren einst die Schachtanlagen Constantin und Lothringen die wichtigsten Arbeitgeber.
Dreihügelstraße