Bochum. . Autor Reto Finger bringt die Grimmsche Erzählung vom „Hans im Glück“ in die Gegenwart. Rasante Inszenierung in den Kammerspielen.

Hans ist nicht ganz dicht. Wenn es aus ihm heraus läuft, dann richtig. Hans hilft kein Deo. „Ich schwitze nicht, ich fließe“, sagt er in seiner Verzweiflung, wenn er seiner Frau in klatschnassem Hemd erklären muss, warum sich unter ihm dicke Pfützen bilden. Hans schlägt leck.

Ob schon die Brüder Grimm darüber nachdachten, ihren Hans in Wasser auflösen zu lassen, ist nicht überliefert. Bei Reto Fingers Neuinterpretation, die am Samstag ihre Uraufführung in den Kammerspielen erlebte, funktioniert dieser dramaturgische Kniff jedoch ganz ausgezeichnet.

Fingers „Hans“ baut eher lose auf der Vorlage auf, wobei die Märchenelemente immer wieder ins turbulente Geschehen mit hinein wehen. Bei den Grimms scheint die Welt noch geordneter: Hier tauscht Hans seinen Klumpen Gold erst gegen ein Pferd, dann weiter absteigend gegen ein Schwein, eine Gans und schließlich gegen einen nutzlosen Schleifstein. Von der Gesellschaft böse übers Ohr gehauen, findet Hans trotzdem sein Glück – frei von allem Ballast und aller Bürde.

Nach ihm die Sintflut!

Der moderne Hans lebt in einer komplexeren Welt. Erst verliert er seinen Job, unternimmt dann verzweifelte Versuche, mit seinem panischen Geschäftspartner eine App für Berufspendler (den „Traffic Manager“!) an den Mann zu bringen. Als er auch damit grandios scheitert, verkriecht er sich unter einem Tisch, weil er dem Druck nicht mehr stand hält, und löst sich schließlich in Wasser auf. Nach ihm die Sintflut!

Regisseurin Barbara Bürk zeigt den „Hans im Glück“ in ihrer ersten Bochumer Arbeit als Parabel auf unsere Leistungsgesellschaft. Dafür dreht sie das große Rad. Motto: Du sollst nicht langweilen! Vorhänge fliegen von den Seiten herein, Prospekte laufen auf und ab, die kurzen Szenen fließen ganz prächtig ineinander – und zwei Musiker hauen beherzt in die Tasten des Klaviers oder bedienen diverse Schlaginstrumente: vom Xylofon bis zur Teekanne.

Nicht alle Ideen zünden

Florian Lange  als Homo Hans.
Florian Lange als Homo Hans. © Diana Küster

Doch längst nicht alle Ideen zünden. Bei manch langen Szenen mit Hans’ Mutter und ihrem Lebensgefährten oder beim Seitenhieb auf digitale Partnerbörsen spürt man förmlich die Anstrengungen des Autors, händeringend mehr Fleisch an die schmale Märchenvorlage zu bekommen.

Fünf Schauspieler teilen sich knapp 20 Figuren

Eindrucksvoll ist hingegen, wie sich die fünf Schauspieler die knapp 20 Figuren teilen und in fliegendem Kostümwechsel von einer Rolle in die nächste hechten. Klasse Auftritte gelingen Matthias Eberle als fettes Schwein, Bernd Rademacher als alte Lehrerin (!) oder Jana Lissovskaia als rauchende Ärztin. Gern schaut man auch Minna Wündrich zu, die Hans’ Frau mit viel Wärme spielt. Ihre Hanna sorgt sich auch in größter Not liebevoll um ihren Hans. Ein starkes Plädoyer für Partnerschaft.

Armes Würstchen und zugleich ein Schelm

Vor allem jedoch ist es Florian Lange, der als „Homo Hans“ mächtig aufdrehen darf. Mit Kassengestell und mausgrauem Sakko steckt in seinem armen Würstchen durchaus auch ein Schelm. Blitzschnell schaltet Lange von der alberndsten Ausschweifung in pointiertes Spiel um. Bisweilen scheint es, als sei die Inszenierung komplett um Langes One-Man-Show herum gebaut. Großer Jubel.

Termine: 25.4., 29.4., 9.5. und 30.5., Karten: 0234 / 3333-5555