Bochum. Romy Schmidt gelingt im Prinz Regent Theater eine Pop-Fassung von „Die Verwandlung“, die Franz Kafka jederzeit gerecht wird. Großartige Darsteller überzeugen.

„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt“, lautet der erste Satz in Franz Kafkas berühmter Erzählung „Die Verwandlung“. Nun kommt eine Theaterfassung dieser zu den ungeheuerlichsten Einfällen der Literatur zählenden Geschichte im Prinz Regent Theater auf die Bühne. Eine ungeheuere Vorstellung: ungeheuer gut!

Regisseurin Romy Schmidt wagt sich mit dem Dramaturgen Frank Weiß an einen großen Stoff. Und meistert ihn kongenial. Ihre „Verwandlung“ ist eine cineastisch anmutende bunte Tüte an Einfällen, Witzen, Zitaten, die gleichwohl den guten, alten Franz K. nicht verrät. Im Gegenteil. Der Aufführung merkt man in jedem Moment die, wenn auch augenzwinkernde Sympathie für den Godfather des surrealen Erzählens an.

Umsichtig und unheimlich zugleich

Gezeigt wird der Klassiker als moderner TV-Krimi. Natürlich gibt es keinen Käfer, jedenfalls keinen leibhaftigen. Das ist schon mal der erste starke Ansatz, denn das vermeidet von vornherein ein im besten Falle billiges, im schlechtesten Falle peinliches „Nacherzählen“ des rätselhaften Stoffes. Und der hat in seiner psychologischen, soziologischen und religiösen Unergründlichkeit durchaus auch eine kriminologische Komponente.

Wenn man ihn so auffasst wie hier: In der Wohnung der Familie Samsa scheint ein unglaubliches Verbrechen geschehen zu sein. Die Bedienerin wurde verhaftet, als sie einen monströsen Käferkadaver entsorgte. Laut ihrer Aussage handelte es sich dabei um den Sohn des Hauses, Gregor Samsa. Die DNA-Analyse bestätigt ihre wahnwitzige Behauptung. Die coole Kommissarin Daner (Maria Wolf) und ihr dienstbeflissener Assistent Mölder (Helge Salnikau) versuchen, Licht in den Vorfall zu bringen...

Man merkt es schon an den Namen der Hauptfiguren: Die „Verwandlung“ wurde so umgeschrieben, dass sie wie eine Mischung aus „Akte X“ und Mystery-Kino erscheinen muss. In der reduzierten, bedrohlich-zweifarbig rot/schwarzen Ausstattung von Sandra Schuck hagelt es also nur so Zitate, aus „Twin Peaks“ und „Mulholland Drive“, aus „Der Exorzist“ und „Ghostbusters“, selbst eine „Frauengold“-Tonikum-Reklame aus den 1950er Jahren wird bemüht.

Jede Pointe sitzt

Zur Person: Romy Schmidt

Romy Schmidt (Jg. 1979 ) ist seit 2009 freiberuflich als Regisseurin tätig.Am Prinz Regent Theater inszenierte die Künstlerin höchst erfolgreich u.a. „Iphigenie auf Tauris“ und „Tschick“. Ab der Spielzeit 2015/16 übernimmt Romy Schmidt die Leitung des PRT in der Nachfolge von Sibylle Broll-Pape.Weitere Vorstellungen am 17., 28. und 29. April, jeweils 20 Uhr, Tickets 0234/77 11 17.

Das klingt nicht nur durchgeknallt, das ist es auch! Und doch funktioniert die Aufführung, auch wenn man mit all den Querverweisen nicht vertraut ist. Was neben der straffen Regie, die umsichtig und unheimlich zugleich agiert, an den Darstellern liegt. Maria Wolf als super sexy Kommissarin in High Heels und Helge Salnikau als mal notgeiler, mal nörgelnder Assistent halten den Abend in Schwung, jede Pointe sitzt. Ganz großartig ist die blutjunge Marla Kiefer, die punktgenau die Verwandlung (sic!) in jeweils die Mutter, den Vater und die Schwester Grete Samsa trifft. Umwerfend!

Das Ganze ist, nun ja: großes Kino. Bei aller gebotenen Achtung wird Kafka hier nicht nur durchgeschüttelt, sondern kräftig verrührt, mit einem Schuss Comic, Komik & sanftem Grusel. Am Ende funkelt des Meisters Antlitz von der Bühnenrückwand herab. Es sah recht zufrieden aus.