Bochum. Die 1987 gebaute Halle D4 auf dem Opel-Gelände wird in nächster Zeit abgerissen. Autobauer dementiert, dass Schadstoffe freigesetzt.
Diese Abbruchbagger sind gefräßige Maschinen. Meter um Meter schieben sie sich mit ihren mächtigen Greifern, Schaufeln und Zangen nach vorne. Ziehen, reißen und machen selbst Stahlträgern den Garaus. Jeden Tag werden die Löcher in der ehemaligen Opel-Lackiererei größer, jeden Tag der Blick von der Wittener Straße in den ausgeweideten Körper eines stillgelegten Autowerks offener.
Verbunden sind sie mit der bangen Frage, ob von dem Abriss Gefahren für Umwelt und Gesundheit ausgehen. Opel-Sprecher Alexander Bazio verneint das. „Dass umwelt- oder gesundheitsschädigende Stoffe austreten können, das ist ausgeschlossen“, sagt er. Asbest sei 1987 beim Bau der Halle, in der täglich bis zu 1200 Fahrzeuge lackiert wurden, nicht verwendet worden.
Beeindruckendes Tempo
Zu Gucken gibt es an der Wittener Straße jetzt immer etwas. An diesem Dienstagmorgen stehen schon wieder einige Neugierige am Straßenrand, die meisten von ihnen Männer jenseits der 45. Einer blickt in die Richtung, wo er 25 Jahre lang beinahe jeden Tag durch Tor 4 zu seinem Arbeitsplatz gegangen ist. „Dass das so schnell platt gemacht wird“, sagt der 45-jährige gelernte Karosseriebauer halb bewundernd, halb erschrocken über das Tempo, mit dem der Abbruchspezialist GL aus Süddeutschland zu Werke geht. „Wir könnten hier heute noch arbeiten. Aber Rüsselsheim wollte unsere Autos haben und hat alles dafür getan.“
Wieder blickt der frühere Opelaner auf einen der Schrott- und Schutthaufen. Es ist fast genau die Stelle, an der der frühere Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel am 8. Dezember, am „Vorabend der Schließung“, wie er damals sagte, noch einmal öffentlich mit dem Arbeitgeber Opel abgerechnet hat.
Neben denen, die mit Wehmut auf’s Werk blicken, befällt andere eher die Sorge, dass mit dem Abbruch giftige Stoffe für Mensch und Umwelt frei gesetzt werden. Zu den Besorgten gehört Elke Böning, die in der Nähe wohnt und täglich mit bangem Blick in Richtung Werk schaut. „Da ist doch irgend etwas in der Luft“, sagt die 63-Jährige, berichtet von Staubwolken und fragt sich: „Müssen denn da keine Messungen vorgenommen werden?“
Auch die Rats-Fraktion der Grünen macht sich Gedanken, nachdem sich, so Geschäftsführer Theo Brackmann, Bürger an sie gewendet haben. An den Rat ist die Anfrage gegangen, ob eine Schadstoffbelastung für Umwelt und Gesundheit durch die Abrissmaßnahmen auszuschließen ist und ob Schadstoffbelastungen innerhalb der abgerissenen Halle bekannt sind.
Abbruch- und Entsorgungskonzept
Bis zum 30. Juni muss die 233 Meter lange und 103 Meter breite Lackiererei verschwunden sein. Dann soll Werk I an die Entwicklungsgesellschaft Bochum Perspektive 2022 übergeben geben. Und zwar besenrein, so jedenfalls ist es vereinbart. Bis dahin muss der Autobauer alle Hallen leer geräumt und eben diese eine Halle D4, in der die 1987 für 300 Million Mark errichtete Lackiererei untergebracht war, abgebaut haben.
Dass sich Anwohner Gedanken über Lärm, Staub und mögliche Belastungen machen, kann Alexander Bazio nach voll ziehen. Er versichert, dass Opel alle Auflagen einhalte. Kurzfristig entschieden habe sich das Unternehmen vor dem Hintergrund der Hinweise auf die Staubbelastung noch zu einer freiwilligen Maßnahme. Seit gestern sind zwei Wasserkanonen im Einsatz. Sie sollen die Staubentwicklung abmildern.
Umfassendes Abbruch- und Entsorgungskonzept
Ein Blick in die 2014 von NRW.Urban erstellte Machbarkeitsstudie verrät, bei den Gebäuden in Werk I handelt es sich um eine „Stahlskelettbauweise mit vorgehängter Klinkerfassade ohne Dämmung“. Verunreinigungen in Grund und Boden, das sei eine Auflage des Förderbescheids, müsse Opel zu 100 Prozent tragen, sofern es diese verursacht hat, erklärte Bochum-Perspektive-Geschäftsführer Prof. Dr. Rolf Heyer bei einer Informationsversammlung für Anwohner Anfang Februar.
Die Stadt verweist derweil darauf, dass die am 18. Dezember erteilte Abbruchgenehmigung erst erfolgt sei, nachdem ihr ein umfassendes Abbruch- und Entsorgungskonzept vorgelegt worden war. Auch werde der Abbruch durch einen Gutachter begleitet. Zu den Auflagen, die Opel erfüllen müsse, gehöre, den 99 Meter hohen Kamin erst von innen zu reinigen, ehe er von oben abgetragen wird. Die Steine sollen in den Schornstein hineinfallen. Das soll die Staubbelastung für die Umwelt minimieren. Gestern haben die Arbeiten begonnen. Ein Kran hat über seinen riesigen Ausleger ein Seil in den Schlot herabgelassen. Auch dem Schornstein geht es jetzt an den Kragen.