Bochum. Eine alleinerziehende Mutter hat ein Rückenleiden. Jetzt kann sie darauf hoffen, dass das Jobcenter die Kosten für einen Umzug bezahlt.
Vierte Etage, Dachgeschoss: Täglich quält sich Sandra Wett in ihre Wohnung an der Wohlfahrtstraße in Wiemelhausen. Die 40-Jährige klagt über ein Rückenleiden, „muss und will umziehen. Doch allein schaffe ich das finanziell nicht“. Seit einem Jahr kämpft sie mit dem Jobcenter. Erst jetzt kann sie auf eine Kostenübernahme hoffen.
„Es geht nicht mehr“, sagt die alleinerziehende Mutter zweier Kinder (11 und 13). Als Lagerhelferin in einem Babymarkt hatten sich die Rückenschmerzen 2013 eingestellt. „Die Orthopädin diagnostizierte einen Wirbelsäulenschaden mit Gefahr auf Bandscheibenvorfall. Ich hab’s mit Spritzen, Strecktherapie, Krankengymnastik und einer Infiltration im Bergmannsheil probiert. Aber eine wirkliche Besserung trat nicht ein. Die Ärzte sagen mir, dass ich mit der Krankheit leben muss und nur noch eine Schmerztherapie angezeigt ist“, schildert die gelernte Speditionskauffrau und legt eine Bescheinigung der Uni-Klinik über ein beidseitiges ISG-Syndrom (Verkanten von Gelenkflächen) vor.
Triftige Gründe
„Wir verbieten keinem Kunden einen Umzug“, sagt Jobcenter-Sprecher Johannes Rohleder.
Die Kosten werden allerdings nur übernommen, wenn für den Wohnungswechsel „triftige Gründe“ genannt und belegt werden. Das könne die Geburt eines Kindes oder ein neuer Partner ebenso sein wie eine vom Gesundheitsamt attestierte Krankheit.
Seit September 2014 ist Sandra Wett krankgeschrieben, bezieht Aufstocker-Leistungen vom Jobcenter. Frühzeitig sei klar gewesen: „Wir brauchen eine neue Wohnung. Das tägliche Treppensteigen und Einkaufstütenschleppen hoch in den vierten Stock ist tödlich für meinen Rücken.“ Eine neue Bleibe war schon in Sicht. „Erdgeschoss, 80 Quadratmeter, 560 Euro kalt. Hätte alles gepasst.“
Medizinische Notwendigkeit ist nicht gegeben
Doch das Jobcenter versagte die beantragte Kostenübernahme. „Eine medizinische Notwendigkeit für einen Umzug (...) ist nicht gegeben“, heißt es im medizinischen Gutachten des Gesundheitsamtes. „Dabei hat sich der Arzt nicht mal die mitgebrachten Befunde angeschaut. Der hat nur gemeint: ,Stellen Sie sich mal nicht so an’“, sagt Sandra Wett. Sie legte Widerspruch ein. Gleichfalls erfolglos.
Zum 1. Mai könnte sie wieder eine Wohnung beziehen. Wieder passt alles. Wieder stellte sie einen Antrag. „Wieder wurde mit Ablehnung gedroht“, schildert Sandra Wett – trotz zweier Atteste ihres Hausarztes und Orthopäden, die den Umzug ihrer Patientin in eine Parterre-Wohnung für „indiziert“ bzw. „empfehlenswert“ halten.
Auf WAZ-Anfrage verweist das Jobcenter auf das erste Gutachten 2014. „Danach war eine Kostenübernahme eindeutig abzulehnen“, bekräftigt Sprecher Johannes Rohleder. Die vorliegenden Atteste deuteten nun darauf hin, dass sich der Gesundheitszustand der Kundin verschlechtert habe. „Wir haben das Gesundheitsamt daher beauftragt, ein zweites Gutachten zu erstellen“, berichtet Johannes Rohleder.
Der Termin ist im März. Sandra Wett kann wieder hoffen. „Die Wohnung für den 1. Mai ist noch frei.“