Bochum. Creditreform Bochum sammelt Informationen, bewertet Firmen und Märkte. Das stärkste finanzielle Standbein ist aber das Inkassowesen.

Breiter bekannt ist sie für ihre Analysen. Schuldneratlas, Pleiterisiko für Unternehmen: Regelmäßig liefert die Creditreform Bochum KG Daten zur finanziellen Situation von Privathaushalten und Unternehmen in der Region. Das ist eines der Standbeine einer Firma, die auf eine ziemlich lange Geschichte zurückblickt. Bereits 1885 wurde sie als Verein und Unternehmerorganisation gegründet. Damals ging es noch ausschließlich darum, für die Mitglieder den Forderungseinzug zu übernehmen.

Den Verein gibt es immer noch, 1400 der 10 000 in Bochum, Herne und im Kreis Recklinghausen wirtschaftsaktiven Firmen gehören ihm an und profitieren von seinen Leistungen für Mitglieder oder erteilen kostenpflichtige Aufträge wie das Durchforsten der eigenen Kundendatenbank oder die Bewertung von potenziellen Märkten und Geschäftspartnern.

130 eigenständige Gesellschaften

Aber um die vielfältigen Aufgaben in der modernen Wirtschaftswelt zu erledigen, bedarf es anderer Organisationsstrukturen. Creditreform Bochum ist wie 129 andere Creditreform-Firmen in Deutschland eine Kommanditgesellschaft und als solche in einem abgegrenzten Gebiet als Mittelständler aktiv, in diesem Fall in Bochum, Herne und im Kreis Recklinghausen. Dazu gibt es eine bundesweite Holding, in der alle 130 Gesellschaften zusammengeschlossen sind. Ein Modell, das vor Ort Nähe garantiert und in der Fläche Synergieeffekte verspricht wie etwa beim Aufbau und der Pflege der Wirtschaftsdatenbank.

Die Dienstleistungen sind breit gefächert. Sie reichen, so Creditreform-Inhaber Philipp Böhme, vom Finden neuer Kunden über Marktanalysen und Kundenbewertungen bis zum Abrechnen einer Dienstleistung. „Das Inkasso-Geschäft ist sicherlich das attraktivste für uns und das Geschäft, was neben dem klassischen Wirtschaftsinformationsgeschäft das Hauptstandbein ist“, so Böhmke. So schlummern 40 000 titulierte Forderung im Archivraum. Außerdem werden jährlich 20 000 kaufmännische Mahnverfahren bearbeitet. Die Geschäfte gehen gut. Von 28 auf 39 Mitarbeiter ist die Belegschaft seit 2005 gewachsen. Im gleichen Zeitraum stieg der Jahresumsatz von 2,48 auf jetzt vier Millionen Euro.

MEIN JOB: Sachbearbeiterin Mahnverfahren

Mit dem GMV, dem gerichtlichen Mahnverfahren, beschäftigt ist Anja Przybilla bei Creditreform. Die 27-jährige Bochumerin ist seit sechseinhalb Jahren im Unternehmen. Absolviert hat sie im Haus die Ausbildung zur Bürokauffrau.

Gerichtliches Mahnverfahren – das hört sich wenig freudvoll an? „Das ist gar nicht so“, sagt sie. Es komme auf die Einstellung und auch auf den Ton an. Wenn Schuldner im Büro vorbeikommen, etwa um Rückzahlungsmodalitäten zu klären, verlaufe das Gespräch meistens freundlich. „Ausnahmen gibt es dabei immer.“

Freundschaftlich sei das Arbeitsklima im Büro, mit einigen Kolleginnen treibe sie auch gemeinsam Sport. Das tägliche Pensum an Mahnbescheiden, Vollstreckungsbescheiden oder Zwangsvollstreckungen sei allerdings nicht ohne – zumal einige bisweilen auch ziemlich verzwickt sein können. Tatsächlich räumt Inhaber Philipp Böhme ein: „Die Zahl der komplizierten Fälle hat zugenommen.“

Nicht der beste Ruf

Der umsatzstärksten Säule, dem hartnäckigen Einfordern von Verbindlichkeiten, widmen vor allem kleine und mittlere Betrieb nicht die nötige Aufmerksamkeit – zu Lasten der eigenen Liquidität und manchmal auch der Kreditwürdigkeit, wenn ausbleibende Forderungen für eine Schieflage sorgen. Und dass es überhaupt so weit kommt, dem Geld hinterher laufen zu müssen, hat nach Böhmes Wahrnehmung nicht selten damit zu tun, „dass viele Geschäfte kaufmännisch schlecht abgewickelt werden“.

Einträglich ist es also für den Dienstleister durchaus, sich damit zu beschäftigen. Allerdings ist der Ruf dieser Tätigkeit nicht der beste. „Der Begriff Inkasso hat ein Bild, das nicht der Realität entspricht“, sagt der Firmenchef. Es sei geprägt vom Fernsehen, von der Vorstellung, in schwarzen Lederjacken gewandete Dunkelmänner würden Geld eintreiben. „Wir müssen sehr viel Aufwand betreiben, um in der Öffentlichkeit nicht als unseriös zu erscheinen.“

Gut und schnell geht nicht billig

Dazu gehört nach Überzeugung des Firmenchefs auch ein noch besserer Service, um sich von Mitbewerbern abzusetzen. Erstaunt stellt er fest, dass es immer mehr Kunden gibt, „die erwarten, dass wir gut, schnell und billig sind“. Gut und billig schließe sich aber aus, schnell und billig könne nicht gut sein. „Und gut und schnell ist eigentlich nie billig.“

Um den Service („Wir sind Qualitätsführer“) hoch zu halten oder zu verbessern, bedürfe es zweier wesentlicher Faktoren: kompetentes Personal und Diskretion. Viele zunächst als Bürokaufmann oder -kauffrau ausgebildete Creditreform-Mitarbeiter haben sich zum Beispiel als Analysten weitergebildet, da es keinen eigenen Ausbildungsberuf für die Tätigkeit bei Creditreform gibt. Was sie wissen von der Kundschaft und anderen Unternehmen, das erfährt immer nur ein kleiner Personenkreis. Verschwiegenheit ist alles in diesem Geschäft.

Tatkraft und Vorsicht sollen sich die Waage halten 

Der Mann ist ein Zahlenmensch. Aber wer Philipp Böhmes Büro betritt, dem springt erst einmal Kunst ins Auge. Vor dem Schreibtisch steht ein 100 Kilo schweres Flusspferd aus Beton mit einem leuchtend roten Apfel im aufgerissenen Maul. Und hinterm Schreibtisch hängt ein ausladendes Ölbild an der Wand. Es zeigt eine Szene an der Ruhr. Mit kräftigen, dunklen Farben ist das Spiel zweier Jungen nachgezeichnet, die übermütig in den Fluss springen. Das Werk von Bettina Bülow-Böhm strotzt vor Tatkraft und Lebensfreude. Man möchte glatt mit ins Wasser springen.

„Ich habe es in einer Ausstellung im Kunstmuseum gesehen und habe es spontan gekauft“, erzählt Böhme. Das Flusspferd stamme noch von seinem Vorgänger Thomas Glatzel, der ihn nach und nach in die Rolle des Lenkers hat reinwachsen lassen und der noch nicht alle seine Kunstwerke aus dem Büro abgeholt habe. Ende 2014 schied der frühere Inhaber von Creditreform Bochum aus dem Unternehmen aus, seit Anfang des Jahres ist Philipp Böhme nicht mehr Juniorpartner, sondern Alleininhaber.

Eine neue Situation, ein neues Gefühl

Eine Urkunde hat er von seinem Vorgänger erhalten, darauf ist die Geschichte des Unternehmens nachgezeichnet. „Für mich ist das auch eine Mahnung, es vernünftig weiter zu führen.“ Seit Jahren ist er schon in die Leitung eingebunden, hat nach und nach Anteile erworben. Aber jetzt, als alleiniger Gesellschaft, habe er noch einmal einen anderen Blick. „Ich sei ernsthafter geworden, hat mein Vater mir gesagt“, so der 40-Jährige. Das stimme womöglich. Das Gefühl der alleinigen Verantwortung sei gestiegen. Zumal die Firma erstmals nicht ausschließlich Eigenkapital-finanziert ist, weil Böhme für den Kauf des letzten, 60-prozentigen Anteils einen Kredit aufnehmen musste.

© Dietmar Wäsche / FUNKE Foto Serv

Eine neue Situation, ein neues Gefühl. Aber nichts, was die Tatkraft des staatlich geprüften Betriebswirts lähmt. Aber für ihn steht fest: „Ich werde das Unternehmen, was die Finanzen betrifft, weiterhin konservativ führen, weil wir täglich mitbekommen, was da draußen los ist.“ Firmen geraten in Schieflage, lassen sich zu risikoreichen Geschäften hinreißen oder sind womöglich dazu gezwungen. Creditreform soll weiter für Solidität und Sicherheit stehen. Zumal es als Kommanditgesellschaft organisiert ist und der Inhaber mit seinem gesamten Vermögen haftet. Das verpflichtet besonders, ist indes auch beruhigend. Denn: „Die KG ist die Rechtsform, die nachweislich die wenigsten Insolvenzen verzeichnet.“