Bochum. DGB und NGG befürchten, Arbeitgeber könnten gesetzlichen Mindestlohn umgehen. Einzelheiten im Gesetz sind unklar. Neue Verträge erst genau prüfen.
Der Blick auf Lohnabrechnung und Kontoauszug zaubert etwa 33.500 Bochumern in diesen Tagen womöglich ein Lächeln ins Gesicht. So viele Arbeitnehmer, allein etwa 6000 Vollzeitbeschäftigte, profitieren vom seit Anfang 2015 gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro je Arbeitsstunde und erhalten damit einen höheren Lohn als bislang.
Ungetrübt ist die Freude aber nicht, in den Gewerkschaften herrscht Argwohn, sie fürchten „Mogeleien“. DGB-Geschäftsführer Jochen Marquardt warnt, „einige Arbeitgeber versuchen mit allen Tricks den Mindestlohn zu umgehen“. Yvonne Sachtje, Regional-Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten, befürchtet, „dass einige Arbeitgeber Mehrausgaben beim Lohn auf die Beschäftigen abwälzen. Wir haben schon diverse Anrufe von Mitgliedern erhalten, die nachgefragt haben, ob sie die von ihrem Chef vorgelegten neuen Arbeitsverträge unterschreiben sollen.“
"Bundesweite Hotline wird sehr stark in Anspruch genommen"
Weihnachts- und Urlaubsgeld würden gestrichen, Nachtzuschläge oder Extrazahlungen für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen könnten künftig unter den Tisch fallen. Sachtje: „Da werden Lücken gesucht.“ Auch der DGB weiß von solchen Versuchen etwa in der Gebäudereiniger-Branche, wo die Vorgaben für zu reinigende Glasflächen je Stunde erhöht werden. Jochen Marquardt: „Unsere bundesweite Hotline zum Thema Mindestlohn wird sehr stark in Anspruch genommen.“
Internetseiten und Telefon-Hotlines
Nähere Informationen zum Mindestlohn sind zu finden im Internet unter den Adressen www.mindestlohn.de (DBG) oder unter www.der-mindestlohn-kommt.de.
Hotlines zu dem Thema gibt es außerdem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter der Rufnummer 030 60 28 00 28, oder Deutscher Gewerkschaftsbund unter 0391 40 88 003.
Das liegt auch an der Interpretationsbreite im Mindestlohngesetz. Gewerkschafterin Sachtje sagt, „das Kleinklein im Gesetz ist relativ schwammig“. In den nächsten Wochen müssten erst einmal Erfahrungen gesammelt werden, wie die Arbeitgeber damit umgehen.
Derweil bestätigt Jörg A. Linden, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet: „Beim Mindestlohn gibt es eine ganze Reihe von Nebulösem für alle Betrachter.“ Dazu könnte der Umgang mit den Themen Überstunden oder Zuschläge an Sonn- und Feiertagen gehören. In einem Info-Papier der IHK für seine Mitgliedsunternehmen heißt es: „Im Mindestlohngesetz sind keine Regelungen enthalten, welche Zahlungen zum Mindestlohn zählen und welche nicht.“ Nicht dazu gehören aus IHK-Sicht „Zahlungen, die ein Arbeitnehmer als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhält“. Dem widerspricht NGG-Gewerkschafterin Yvonne Sachtje entschieden. „Nach meiner Überzeugung sind auch Überstunden mit dem Mindestlohn zu begleichen.“ Sie rät allen Arbeitnehmern, die einen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben sollen, sich beraten und den neuen Vertrag genau prüfen zu lassen.