Bochum. Wer am Graffring wohnt, betritt in wenigen Schritten eine wildromantische Parkanlage. Anwohner sorgen sich allerdings um die Ruhe in ihrer Straße.

Bei einem Spaziergang durch das Wiesental bleibt der Blick der Städter manches Mal am Hang hängen. Hier thronen Häuser etwas versteckt hinter den Baumkronen am Rande des Tals. Wer solch einen Wohnort in Bochum ergattert, der erlebt mitten in der Stadt den Wechsel der Jahreszeiten, den Blick in den Park.

Der Graffring gehört zum westlichen Abschluss des Wiesentals. Die Straße zweigt von der Stensstraße ab. Schon nach wenigen Schritten klafft ein großes Grundstück (1) auf der linken Seite. Es ist nicht lange her, da stand hier ein Kirche. „Es war so eine lebendige Gemeinde. Nein wirklich, es ist eine Schande“, bringt es Renate Meinshausen auf den Punkt. Die 86-Jährige lebt seit 1967 am Graffring genau gegenüber in einem der Backsteinhäuser, die um 1928 für leitende Angestellte des Bochumer Vereins gebaut wurden.

Nach jahrelangem Kampf um das Gotteshaus in Weitmar-Bärendorf, musste die Gemeinde der Großpfarrei St. Franziskus in diesem Frühjahr mit ansehen, wie ihre Kirche in Schutt und Asche niedergerissen wurde. Auf dem Großteil des entweihten Grundstücks baut jetzt das Immobilienunternehmen „Formart“ Eigentumswohnungen, die zum Teil barrierefrei sein sollen. Das Werbeplakat verspricht stolz: „365 Tage Wiesental“.

Zahlen und Fakten

Personen. In der Straße Graffring sind 233 Anwohner gemeldet, davon 126 weibliche. Hier leben 51 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, davon 27 weibliche. 128 Anwohner sind zwischen 18 und 65 Jahre alt, davon 67 weibliche und 54 Anwohner (32 weibliche) sind Senioren ab 65.

Statistik Der Graffring ist 500 Meter lang mit 46 Hausnummern.Der Graffring liegt im Stadtbezirk BO-Südwest und gehört zum Stadtteil Weitmar-Mitte.

Am Graffring sind sieben Gewerbe gemeldet, vom Bestatter über den Bodenleger bis hin zum Modellbauer.

Von den Haltestellen Friederikastraße oder Kohlenstraße – hier halten die Straßenbahnlinien 308 und 318 – ist der Graffring leicht zu erreichen.

Naherholung. Der Graffring grenzt unmittelbar an das Wiesental, ein in den 1920er Jahren angelegtes Naherholungsgebiet zwischen dem Ehrenfeld und Weitmar. Der nördliche Teil des Parks – zur Hattinger Straße hin – zeigt sich gepflegt mit Wegen und einem Teich. Weiter nach Süden, hinter dem Freibad, wird das Gelände zu einem kleinen Wildgarten.

Vater sorgt sich um spielende Kinder

Das Bauprojekt stimmt einige der Anwohner weniger euphorisch: Gleich der erste Mensch, der an diesem trüben Tag auf dem Graffring gesichtet wird, lässt seinem Unmut freien Lauf. „Schreiben Sie mal darüber, wo die dann alle parken sollen“, sagt der älter Herr, bevor er in sein Auto steigt. Gerade mal ein Stellplatz sei geplant in der Tiefgarage des neuen Hauses, weiß Oliver Geffke, der seit 2001 am Graffring lebt. „Hier hat ein Generationswechsel stattgefunden. Allein bis zur Kurve wohnen 25 Kinder“, schildert der 47-Jährige. Familien tendierten zu Zweitwagen, im Sommer kämen noch die Ausflügler des Wiesentals dazu, prophezeit der Vater von drei Kindern eine verschärfte Parksituation. Die Verkehrssituation am Graffring ist ein wunder Punkt, der schon Wellen geschlagen hat. Oliver Geffke fragte 2012 bei der Stadt Bochum an, ob der Graffring als Spielstraße ausgewiesen werden könnte. Ein von ihm selbst angebrachtes Schild vor seinem Haus zeigt spielende Kinder, um die er sich sorgt. Der Graffring würde häufig von Rasern als Umgehungsstraße genutzt, um auf die Friederikastraße zu kommen. Die parkenden Autos, die künftig noch mehr würden, spitzten die Situation zu. Eine Verkehrszählung der Stadt im Herbst 2013 ergab einen Durchlauf von 400 Kraftfahrzeugen am Tag, was laut Stadt „auch für eine ,Anlieger frei-Straße’ als äußerst gering einzuschätzen ist“. Dem Umbau zu einer Spielstraße oder einer Sackgasse wurde nicht stattgegeben.

Fußgängerwege laden ein

Anwohnerin Renate Meinshausen hat diesen Blick von ihrer Terasse ins Wiesental.
Anwohnerin Renate Meinshausen hat diesen Blick von ihrer Terasse ins Wiesental. © Ingo Otto

Oliver Geffke hat wie viele hier Eigentum erworben und legt Wert auf Lebensqualität und Sicherheit. „Wir wohnen sehr gerne am Graffring, weil wir die Ruhe und die Natur lieben. Die Nähe zum Schwimmbad Blau-Weiss ist klasse. Die A40 und der Sheffieldring sind schnell zu erreichen, trotzdem ist es ruhig. Wenn die Neubauprojekte abgeschlossen sind, wir sich dies ändern“, so Geffke. Mindestens drei Fußwege (2,3,4) führen vom Graffring zwischen schmucken Eigenheimen in das Wiesental. Der Park, er bleibt präsent, das Idyll lädt mehrfach ein. Auch Renate Meinshausen hängt an diesem Ort. Zwar nennt sie das Backsteinhaus nicht ihr eigen, doch sie bewohnt die ganze Haushälfte. Lange Jahre agierte Meinshausen hier als Geschäftsführerin der Zimbabwe Hilfsaktion. Die belesene Seniorin macht auch heute aus ihrer Meinung keinen Hehl: „Atomkraft? - Nein Danke“ – grüßt ein Aufkleber an ihrer Wohnungstür, die sie ohne Zögern für die Presse öffnete. Und am Ende bleibt der Eindruck: Am Graffring sagen die Bürger, was sie denken – ob Katholiken oder Aktivisten.

Fritz Graff war 21 Jahre Oberbürgermeister

Graffring

BOCHUM - Oliver und Hannes Geffke posieren mit Hund Mia in der Straße Graffring für ein Pressefoto. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
BOCHUM - Oliver und Hannes Geffke posieren mit Hund Mia in der Straße Graffring für ein Pressefoto. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Annwohnerin Renate Meinshausen posiert für ein Pressefoto. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Annwohnerin Renate Meinshausen posiert für ein Pressefoto. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Anwohnerin Renate Meinshausen blickt vom Balkon ihrer Wohnung am Graffring aus ins Wiesental. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Anwohnerin Renate Meinshausen blickt vom Balkon ihrer Wohnung am Graffring aus ins Wiesental. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Anwohnerin Renate Meinshausen blickt vom Balkon ihrer Wohnung am Graffring aus ins Wiesental. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Anwohnerin Renate Meinshausen blickt vom Balkon ihrer Wohnung am Graffring aus ins Wiesental. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Ein leuchtend rotes Haus ziert den Graffring. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Ein leuchtend rotes Haus ziert den Graffring. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Am Graffring steht das Werbeplakat für eine Wohnanlage. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Am Graffring steht das Werbeplakat für eine Wohnanlage. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Überwiegend Eigentumswohnungen befinden sich in den Backsteingebäuden am Graffring. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Überwiegend Eigentumswohnungen befinden sich in den Backsteingebäuden am Graffring. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Anwohner haben ein Schild
Anwohner haben ein Schild "Spielstraße" an einer Laterne am Graffring angebracht. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Fußwege führen vom Graffring in umliegende Grünanlagen. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Fußwege führen vom Graffring in umliegende Grünanlagen. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Ein verwittertes Straßenschild weist auf den Graffring hin. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Ein verwittertes Straßenschild weist auf den Graffring hin. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Ein Weg führt vom Graffring zum Wiesental hinunter. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Ein Weg führt vom Graffring zum Wiesental hinunter. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Ein Weg führt vom Graffring zum Wiesental hinunter. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Ein Weg führt vom Graffring zum Wiesental hinunter. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Oliver und Hannes Geffke posieren mit Hund Mia in der Straße Graffring für ein Pressefoto. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Oliver und Hannes Geffke posieren mit Hund Mia in der Straße Graffring für ein Pressefoto. Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services © Ingo Otto / FUNKE Foto Services
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Der Name Graffring erinnert an Fritz Wilhelm Georg Graff (* 2. April 1858 in Hürth; † 18. September 1929 in Bochum), der vom 13. August 1904 bis zum 26. Januar 1925 Oberbürgermeister von Bochum war. In Graffs fast ein Vierteljahrhundert währende Amtszeit fielen entscheidende Episoden der Zeitgeschichte, so wurde in jenen Jahren der endgültige Wandel der ehemaligen ländlichen Gemeinde Bochum zu einer großen Industriestadt mit vielen Eingemeindungen vollzogen. Auch den Widrigkeiten des Ersten Weltkrieges, den revolutionären Unruhen wie dem Ruhraufstand und der Besetzung des Ruhrgebiets durch die französische Armee galt es zu begegnen. Graff wurde zuerst am 29. Mai 1891 Stadtrat in Bochum, danach 2. Bürgermeister am 12. April 1897 und 1. Bürgermeister am 3. Mai 1900. 1904 wurde Bochum durch weitere Eingemeindungen zur Großstadt, so dass Fritz Graff zum Oberbürgermeister ernannt wurde. Auch im Preußischen Herrenhaus der Kaiserzeit war er von 1909 bis 1918 Mitglied. Fritz Graff wurde für seine Verdienste für Bochum am 20. Mai 1925 zum Ehrenbürger unserer Stadt ernannt. Noch zu seinen Lebzeiten wurde am 3. April 1928 eine Straße, eben der Graffring, nach ihm benannt.