Essen. Großraum-Diskos haben im Ruhrgebiet einen schweren Stand. Szene-DJ und Party-Veranstalter Caba Kroll beleuchtet im Interview mit der Redaktion die Gründe. Zudem wirft der Bochumer einen Blick auf die aktuelle Entwicklung der elektronischen Musik und die Chance, die Filesharing-Plattformen jungen DJs bietet.
Viele Clubgänger im Ruhrgebiet kennen und schätzen Dich als DJ des legendären Tarm-Centers in Bochum sowie eigenen Produktionen (etwa Bass Bumpers). Was machst Du heute?
Caba Kroll: „Ich bin Geschäftsführender Gesellschafter einer Bochumer Event-Agentur und Party-Veranstalter. Mit „The Club“ haben wir eine erfolgreiches Partyformat in der Region etabliert, die sich an ein ansprechendes Publikum ab 25 Jahren richtet.“
In NRW hat seit einigen Jahren ein Sterben der Großraum-Diskotheken – unter anderem das erwähnte Tarm Center in Bochum und der Delta Musik Park in Duisburg - eingesetzt. Wie schätzt Du diese Entwicklung ein?
Kroll: „Die Großraum-Kultur im Ruhrgebiet stirbt langsam aus. Die Generation der Disko-Gänger ist älter geworden und hat heute ein anderes Ausgeh-Verhalten. Den jüngeren Leuten fehlen oft die finanziellen Mittel um an jedem Wochenende auszugehen. Für sie gibt es aber auch zahlreiche Alternativen – etwa zum Kennenlernen das Internet. Diese und viele andere alternative Möglichkeiten um Gleichgesinnte zu treffen, lösen die Großraumdiskotheken immer weiter ab.“
Trauerst Du der Zeit hinterher?
Kroll: „Nur bedingt.... die Zeit damals habe ich als DJ unter anderem im Tarm-Center sehr genossen. Aber ich würde heute selber nicht mehr in eine Großraum-Disko gehen.“
Lohnt es sich heute noch eine neue Großraum-Disko zu eröffnen?
Kroll: Auf keinen Fall. Wenn mich da einer um Rat bittet, würde ich ihm sagen, dass er lieber in ein Projekt um veganes Ernährung investieren sollte. Das hat wesentlich größere Erfolgsaussichten. Wir haben in der Region ein gutes Angebot aus kleinen Clubs und Events, das perfekt in die heutige Zeit passt und weitere Großraumdiscotheken überflüssig macht.
Warum sollte man dann überhaupt noch DJ werden?
Kroll: „Ich habe damals als DJ auf kleinen privaten Partys und Geburtstagen angefangen. Irgendwann hatte ich dann das Glück, auf Partner zu treffen mit denen ich in Musik-Produktionen wie bei den Bass Bumpers eingestiegen bin. Wer DJ werden will, muss die Musik leben und sich damit identifizieren. Wer nur oben stehen will, um nette Girls kennenzulernen oder um das Geld eines der TOP DJs zu verdienen, wird scheitern. Es gibt viele DJs, die in kleinen Clubs arbeiten und davon allein nicht leben können. Trotzdem haben Sie damit ihren Traum verwirklicht, weil sie die Musik lieben & leben.“
Worauf kommt es an? Hast Du mit Deiner Erfahrung spezielle Tipps?
Kroll: „Man muss das Gefühl für die Musik bereits in die Wiege gelegt bekommen. Die eine oder andere Technik kann man sich erarbeiten, aber man muss auch mit dem Publikum umgehen können. Um dauerhaft erfolgreich zu sein, ist es heute zudem Pflicht sich mit eigenen Musikproduktionen zu beschäftigen.“
Einige Djs und Produzenten nutzen Filesharing-Portale oder Streaming-Dienste wie Soundcloud, um mit selbstgemachten Mixen und Remixen ihren Bekanntsheitsgrad zu steigern. Was hälst Du davon?
Auch interessant
Kroll: „Solche Plattformen sind eine hervorragende Chance sich zu präsentieren. Über selbstgemachte Bootlegs und Mixe kann man sich gut einen Namen machen. Allerdings kann ich vor Rechtsverletzungen nur warnen und von einer offenen Download-Funktion abraten. Im Zweifelsfall sollte man sich das Ok des Rechteinhabers einholen. Manche Künstler und Plattenfirmen profitieren ja auch davon, wenn ihre Musik durch Neuinterpretationen oder in Mixen einen größeren Bekanntheitsgrad bekommen.“
In welche Richtung bewegt sich derzeit die elektronische Musik? Nach dem EDM-Hype durch die weltweiten Stars wie Hardwell, Dimitri Vegas & Like Mike sowie den „Swedish House Mafia“-Mitgliedern scheint der Trend (vor allem in Deutschland) in Richtung Deep House zu gehen.
Kroll: „Die elektronische Musik ist so facettenreich wie nie zuvor. Derzeit bewegt sich in Deutschland sehr viel in Richtung Deep House. Künstler wie Robin Schulz und Fritz Kalkbrenner haben mit sensationellen Nummern wie „Waves“, „Prayer“ und „Back Home“ einen Sound mit tollen Vocals kreiert, der generationsübergreifend funktioniert und die Leute bewegt. Der EDM-Style eines Hardwell ist mir persönlich dagegen etwas zu anstrengend“
Große Festivals wie Tomorrowland in Belgien, Mysteryland und Dance Valley in den Niederlanden sowie Electric Daisy Carnival in den USA haben der EDM-Szene einen zusätzlichen Schub gegeben. Die Nature One im Hunsrück war in diesem Jahr erstmals ausverkauft. Ist das ein Trend, der in Deutschland funktionieren wird?
Kroll: „ Die aktuell großen Dance-Festivals werden sich mit Sicherheit auf Jahre halten. Darüber hinaus wird es in absehbarer Zeit keine neuen großen Festivals in Deutschland geben. Dafür sind die Auflagen für Veranstalter zu streng und das Kostenrisiko bei den hohen Gagen für Top-DJs enorm.“