Oberhausen. Direkte Ansprache, Auge in Auge – aus dem einst stummen Betteln am Straßenrand ist vielfach ein aktives Betteln geworden – ein Erfahrungsbericht.
Ein Passant geht auf der Goebenstraße zu seinem geparkten Auto, wird dort von einer Frau offenbar ziemlich geplant abgepasst, die ihn eindringlich anspricht und um Geld bittet. Eine direkte Gesprächssituation entsteht. Das einst meist stumme Betteln wandelt sich zum Dialog.
Wer in der Alt-Oberhausener Innenstadt oder in den Zentren von Sterkrade und Osterfeld unterwegs ist, wird recht schnell auf dieses Phänomen aufmerksam: Die Form des Bettelns hat sich offenbar verändert. Passanten werden viel öfter als früher direkt angesprochen und nach Geld gefragt. Die bettelenden Menschen setzen auf den Dialog, auf die persönliche Ansprache, um an ihr Ziel zu kommen.
Zu den Formen des Bettelns gibt es allerdings keine gesicherten wissenschaftlichen Auswertungen. Anlass zu diesem Text sind eigene Erfahrungen und Beobachtungen sowie die Erlebnisse dazu befragter Menschen.
Caritas-Direktor Michael Kreuzfelder bestätigt auf Anfrage der Redaktion und nach Rücksprache mit seinem Team, dass es eine veränderte Form des Bettelns gibt. Zumindest nach der Erfahrung vieler Menschen, die oft in den Innenstädten unterwegs sind. Das Betteln werde im Alltag gegenwärtiger, man werde etwa an gut besuchten öffentlichen Plätzen oder auf Supermarkt-Parkplätzen häufiger direkt angesprochen – und muss umgehend darauf reagieren.
„Zunächst einmal sollte es klar darum gehen, bettelnde Menschen nicht zu verurteilen“, unterstreicht Michael Kreuzfelder. Das Armutsrisiko sei allgemein in der Gesellschaft gestiegen, auch die immense Inflation und eine seit Jahrzehnten in Oberhausen verfestigte Sockel-Arbeitslosigkeit seien wichtige Faktoren, die Menschen zum Betteln bringen würden.
Wer gezielt angesprochen wird, sollte mit Respekt reagieren
Wer direkt angesprochen werde, solle konstruktiv und respektvoll reagieren. Das heiße aber nicht, dass man sich in jedem Fall gezwungen sehen sollte, etwas Geld herauszurücken. „Man kann auch sagen: ,Im Moment kann ich Ihnen nichts geben.’“ Wer sich gezielt überrumpelt fühle, dürfe diesem Gefühl durchaus angemessen Ausdruck verleihen.
Allzu aggressives Betteln kann durchaus den Tatbestand der Nötigung erfüllen und somit strafbar sein. Stilles Betteln wird bereits seit dem Jahr 1974 nicht mehr als Straftat gewertet.
Auch auf Discounter-Parkplätzen werden Einkäuferinnen und Einkäufer unterdessen immer öfter gezielt abgepasst und angesprochen, ob sie etwas Geld übrig haben. Das hat es in dieser Intensität in Oberhausen und Umgebung früher nicht gegeben. Auch das bestätigt Michael Kreuzfelder, der auf die vielen Hilfs- und Beratungsangebote der Caritas und der weiteren Wohlfahrtsverbände im Stadtgebiet hinweist, etwa das Carl-Sonnenschein-Haus, das als stationäres Hilfsangebot mit 80 Plätzen wohnungslosen, alleinstehenden Menschen ab dem 21. Lebensjahr zur Seite steht, die sich in Notsituationen befinden und aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, diese zu überwinden.
Gestiegenes Armutsrisiko in innenstadtnahen Vierteln von Oberhausen
Vor allem Menschen in und um Alt-Oberhausen herum haben mit Armutsrisiken und Armut immer mehr zu kämpfen. Der Sozialbericht 2022 hat errechnet, in welchen Sozialquartieren sich die Anteile der Einwohnerinnen und Einwohner mit erhöhtem Armutsrisiko – abweichend vom Stadtdurchschnitt – erhöht haben. Für insgesamt vier Sozialquartiere – das sind das Brücktorviertel, das Marienviertel-Ost, Lirich-Nord und die Innenstadt selbst – ist eine negative Entwicklung hin zu mehr Armut und Armutsgefährdung ermittelt worden.
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