Oberhausen. „Ich liebe dich“, sagt man nie genug. Zum Valentinstag bot die Bibliothek Sterkrade deshalb einen süßen Service: Liebesbriefe aus fremder Feder.
Marie-Luise O’Byrne-Brandl hat etwas Königliches an sich. Mit rotem Samtmantel und auf Rosen gebettet sitzt sie entspannt auf ihrem roten Stuhl, die Hände auf den Knien, die Knie unter ihrem Pult. Die Besucher der Stadtbibliothek Sterkrade schauen verdutzt, als sie durch die gläserne Eingangstür gehen. Die Rolle als „amouröse Stadtschreiberin“ bereitet der Performance-Künstlerin aus Oberhausen sichtlich Vergnügen. Bei ihr fanden am Valentinstag viele Hilfe beim Schreiben des „intimsten aller Textkörper“: des Liebesbriefs.
„Verdient hat er es ja“, sagt Ingrid Diedenhofen (77) und grinst. 56 Jahre ist sie mit ihrem Mann verheiratet. Viel falsch gemacht hat er anscheinend nicht. Ingrid Diedenhofen hätte wahrscheinlich trotzdem keinen Liebesbrief für ihren Gatten geschrieben. Der Briefumschlag in ihrer Hand ist verschlossen – so übergibt die Urheberin Marie-Luise O’Byrne-Brandl alle ihre Briefe. Zwei, drei Fragen benötigt sie, dann kratzt die Feder des Füllers übers Papier. Immer werden es zwei Seiten mit warmen Worten.
„Sowas Nettes sollte man sich öfter sagen“
Ingrid Diedenhofen ist gespannt, was die Künstlerin in ihrem Namen verfasst hat. Bis auf die eingestreuten Rosen und die Anrede kennt sie schließlich keine Zeile. Komisch sei das, sagt sie. „Sowas Nettes sollte man sich öfter sagen.“
Die 62-Jährige O’Byrne-Brandl hat schon für etliche fremde Menschen geschrieben. Liebe ist für sie Empathie, Fürsorge und Kümmern. Das jedesmal in Worte zu fassen, selbst für Unbekannte, falle ihr leicht. „Manchmal kommen Menschen, die sehen rein äußerlich nicht danach aus, aber wenn sie mit mir reden, sprechen sie so liebevoll über ihren Partner, dass mich das immer wieder bewegt.“ Lieben könne man schließlich alles. Der eine will seiner Katze schreiben, andere an die verstorbene Liebe. „Für wen ist der Brief?“, ist meist Frage Nummer eins. „Was liebst du an ihm/ihr?“, die Nummer zwei. Der Service kommt an.
Die Liebesbotschaft im verschlossenen Umschlag
In der Vergangenheit schrieb Marie-Luise O’Byrne-Brandl als „amouröse Stadtschreiberin“ bereits im Bahnhof oder im Einwohnermeldeamt.
Ihre Performance wird gebucht, die Briefe allerdings sind kostenlos, authentisch und poetisch verfasst. In den Umschlag kommt alles so, wie es ihr Augenblicke vorher eingefallen ist.
Ein eiliger Liebesbrief,bevor der Bus kommt
Am Oberhausener Bahnhof habe es mal schnell gehen müssen. Ein Teenager habe sie angesprochen, der einen Liebesbrief für seine Freundin haben wollte, bevor der Bus ankam. „Als ich ihn gefragt habe, was er an ihr liebt, hat er gesagt, dass sie überhaupt nicht aggro ist“, erzählt Marie-Luise O’Byrne-Brandl mit sanfter Stimme. Einen Auftrag abzulehnen – das würde ihr niemals einfallen.
So stehen nach einer halben Stunde kleine und große Bücherwürmer artig in einer Reihe. Jeder überlegt, wem er am Valentinstag etwas Gutes tun kann.
Die kleine Emma, vielleicht fünf Jahre alt, möchte ihrer Kindergartenfreundin sagen, dass sie sie liebt. Ihre noch kleinere Schwester will nur so viele Rosenblätter wie möglich aufsammeln. Selbst Bibliotheksleiterin Monika Altena wird sich später einreihen – für ihren Mann: „Wir kochen zum Valentinstag abwechselnd füreinander.“ Liebe ist vielfältig: Ob in Worten oder auf dem Teller.