Bochum. Ex-Stammkräfte überzeugen woanders, sechs Spieler geben ihr Bundesliga-Debüt, der siebte folgt. Der XXL-Umbruch des VfL Bochum benötigt Zeit - eine Analyse.

Selten in der jüngeren Vereinsgeschichte des VfL Bochum hat sich ein Umbruch gleich am ersten Spieltag in der Bundesliga derart deutlich gezeigt wie am vergangenen Wochenende. Trainer Peter Zeidler, der mit 62 Jahren so dynamisch und ehrgeizig wirkt wie ein noch aufstrebender Anfang-Vierziger, gab sein Debüt im Spiel beim Multimillionen-Klub RB Leipzig – ebenso wie gleich sechs Bochumer Spieler. Sie präsentierten sich beim 0:1 deutlich stärker als nach dem Pokal-Schock vor nur einer Woche beim Zweitligisten Regensburg (0:1) von vielen befürchtet. „Es war möglich, hier einen Punkt zu holen“, bilanzierte der Trainer. Dabei gab er sich weder enttäuscht noch wirklich zufrieden.

Stöger, Osterhage, Schlotterbeck spielen durch für neue Klubs

Dass der VfL Qualität verloren hat nach der vergangenen Saison, untermauerten die Spiele in anderen Stadien eindrucksvoll. Kevin Stöger (Borussia Mönchengladbach), Patrick Osterhage (SC Freiburg), Keven Schlotterbeck (FC Augsburg), Takuma Asano (RCD Mallorca/Spanien) – alle vier standen in der Startelf ihrer deutlich höher gehandelten, finanzstärkeren Klubs. Hinzu kommt rein sportlich betrachtet das Aus von Torwart Manuel Riemann, der vor Gericht mit dem VfL um eine Wiederaufnahme ins Profitraining streitet.

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Der VfL steht nach dem XXL-Umbruch mit einigen neuen, international gestandenen und einigen jungen Spielern dahinter noch ganz am Anfang seiner Entwicklung – und hat in Leipzig einen ersten Schritt nach vorne gemacht.

VfL Bochum spielt mutig und attraktiv - Risiko bleibt

Der VfL attackierte mutig, übte viel Druck auf den Gegner aus, ohne zu überdrehen, zeigte ein starkes Gegenpressing - wobei die Konterabsicherung ein Risiko bleiben wird, das der VfL für seine attraktive Spielweise im neuen 4-4-2 mit hohem Pressing wohl in Kauf nehmen muss gegen hochbegabte, schnelle Offensivreihen wie die von Leipzig mit Lois Openda, mit Benjamin Sesko, mit Xavi Simons.

Letztlich kostete ein grober Patzer von Matus Bero den Punkt, am Ende schlug Leipzigs neuer Jungstar Antonio Nusa mit einem verdeckten 104-km/h-Schuss zu (59.). Nach einer Notbremse von Willi Orban an Myron Boadu spielte RB die letzten zehn Minuten in Unterzahl. Der VfL schmiss alles rein, traf aber nicht – Boadu und in Halbzeit eins Moritz Broschinski und Lukas Daschner vergaben die größten Chancen.

Diese Transfers sind noch denkbar beim VfL Bochum

Die Harmlosigkeit im Angriff bleibt vorerst ein Problem. Möglich, dass der VfL noch einen Kreativmann fürs Zentrum kostengünstig ausleiht, der den bisher enttäuschenden Daschner ersetzen könnte. Auch ein Linksverteidiger, eher als back-up, könnte noch kommen, während der nicht für den Kader nominierte Flügelstürmer Gerrit Holtmann und der derzeit verletzte Bernardo Abgangs-Kandidaten bleiben.

Entsprechend blickte Zeidler kurzfristig mit durchaus gemischten Gefühlen, mittelfristig mit Überzeugung nach vorne. Ein Fehlstart mit null Punkten nach drei Spielen plus Pokal-Aus ist nach den Duellen gegen die langjährigen Angstgegner Borussia Mönchengladbach (Samstag, 31. August, 15.30 Uhr) und in Freiburg (13. September) weiterhin ja kein Hirngespinst – aber auch dann sollte und will der VfL die Ruhe bewahren, die Früchte im Saisonverlauf ernten.

VfL Bochum wirbt um Geduld: „Werden dann die Punkte holen“

Denn von seiner neuen Qualität, von seiner neuen Perspektive mit einem charakterlich intakten Team ist man überzeugt – und wirbt immer wieder auch um Geduld. „Mental, physisch, technisch und taktisch sind wir dabei, etwas aufzubauen, zu entwickeln. Wir sind noch nicht ganz so weit. Lasst es uns entwickeln, wir werden dann die Punkte holen“, meinte Zeidler auch mit Blick auf die Fans. „Ihre Euphorie wird nie ganz weggehen, sie verzeihen auch Niederlagen“, so der Trainer – wenn Einsatz und Willen klar erkennbar sind. Wie in Leipzig.

Zeidler sah ebenso wie Sportdirektor Marc Lettau, anders als in Regensburg, physisch über die komplette Distanz einen „guten Auftritt mit der Bereitschaft, alles zu geben für die Mannschaft“. so Zeidler. Die Sorge der mangelnden Fitness hat das Team weggerannt in der Hitze der Red Bull Arena.

Drewes, Sissoko, Medic überzeugen - de Wit folgt

Bis ein Rad ins andere greift, wird der VfL aber noch Zeit benötigen, Leipzig war ein Anfang. Drei Liga-Debütanten standen in der Startelf. Torwart Patrick Drewes (31) strahlte Ruhe aus, rechtfertigte seinen derzeitigen Nummer-Eins-Status, auch wenn er beim 0:1-Einschlag nicht ganz glücklich aussah.

Sechser Ibrahima Sissoko dürfte eine Säule im VfL-Spiel werden, war im Vergleich zum Pokal-Auftritt viel präsenter, zweikampfstärker. Und Jakov Medic hat gezeigt, „dass er schwimmen kann“ nach dem „Sprung ins kalte Wasser“, wie Keeper Drewes anmerkte.

Felix Passlack (l.) ackerte viel in Leipzig gegen Lois Openda und Co., Neuzugang Jakov Medic (r.) war sofort ein Gewinn für den VfL Bochum.
Felix Passlack (l.) ackerte viel in Leipzig gegen Lois Openda und Co., Neuzugang Jakov Medic (r.) war sofort ein Gewinn für den VfL Bochum. © firo Sportphoto/Picture Point | Sven Sonntag

Der erst am Dienstag von Ajax Amsterdam auf Leihbasis verpflichtete Verteidiger verstärkte das Abwehrzentrum auf Anhieb, obwohl er ein Jahr kaum Spielpraxis hatte. „Er hat ein ordentliches Spiel abgeliefert“, sagte Zeidler. „Das beschleunigt den Integrationsprozess, dass er noch besser wird.“

Boadu ein Hoffnungsträger im Angriff - Pannewig mit viel Perspektive

Monaco-Leihgabe Myron Boadu, im Angriff der Hoffnungsträger der Saison, wurde ebenso eingewechselt wie Mittelfeldtalent Mats Pannewig, der erneut einen guten Eindruck machte, und der kleine Dribbel-Flügelstürmer Aliou Balde. Auch Samuel Bamba hatte bis dato erst zwei Kurzeinsätze für den BVB vorzuweisen in der höchsten Liga.

Trainer Peter Zeidler bei seinem Bundesliga-Debüt als Trainer des VfL Bochum in Leipzig.
Trainer Peter Zeidler bei seinem Bundesliga-Debüt als Trainer des VfL Bochum in Leipzig. © DPA Images | Jan Woitas

Die Wechsel sorgten in Summe durchaus für Schwung, wenn auch ohne Ertrag. Als ein „gutes Signal“ wertete Sportdirektor Marc Lettau die Optionen von der Bank: „Wir können Spieler nachlegen, die für den besonderen, womöglich entscheidenden Moment sorgen können.“

Dani de Wit gibt gegen Gladbach sein Bochum-Debüt

Und: Beim Heimspiel-Auftakt gegen Mönchengladbach wird der nächste VfL-Profi sein Liga-Debüt geben. Mittelfeldmann Dani de Wit, einer der Toptransfers, wird in die Startelf rotieren nach abgesessener Sperre. „Er ist ein elementarer Faktor des Spiels, ein ganz wichtiger Baustein für die Balance und Stabilität“, sagte Lettau.

Insofern nahm Zeidler den Fortschritt aus Leipzig gerne mit – und erwartet noch deutlich mehr, „um auch zu punkten“. Gegen die beim 2:3 gegen Leverkusen starke Borussia aus Mönchengladbach mit Bochums Relegations-Held Stöger, so Zeidler, „brauchen wir eine grandiose Leistung, eine bessere als heute.“

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