Bochum. Der VfL Bochum hat eine rauschende Heim-Premiere erlebt. Beim 2:0-Erfolg gegen Mainz 05 passt vieles zusammen. Auch Neuzugang Polter überzeugt.
Manuel Riemann nahm seinen kleinen Sohn an die Hand, Anthony Losilla trug sein Kind auf den Schultern, mit weiteren VfL-Spielern zogen sie vor die Ostkurve im Bochumer Ruhrstadion. So ganz geheuer war den Kindern der glückselige Gesang der Fans nicht, der ihnen entgegen schallte. Im Gegensatz zu den Profis. Minutenlang machten sie mit ihren Fans die Welle nach dem so stimmungsvollen wie erfolgreichen Bundesliga-Heimcomeback des VfL Bochum. „Oh wie ist das schön“, sangen die Anhänger gefühlt 1000 Mal. „So was hat man lange nicht gesehn.“ Sehr lange sogar.
VfL Bochum: 12.600 Fans sind begeistert
Mehr als elf Jahre, exakt 4124 nach dem letzten Heimspiel des VfL in der Bundesliga meldete sich der Aufsteiger mit Bravour zurück, mit einem hochverdienten 2:0-Sieg gegen den FSV Mainz 05 eine Woche nach dem achtbaren 0:1-Auftakt in Wolfsburg.
Der VfL feierte erstmals seit der Coronapandemie wieder ein Fußballfest vor einer fünfstelligen Zahl an Anhängern, vor rund 12.600 fast nonstop ausflippenden Fans. Der VfL genoss sein erstes Bundesliga-Heimspiel seit Mai 2010, dem 0:3 gegen Hannover, dem damaligen Sturz in die 2. Liga. Der VfL jubelte über seinen ersten Bundesliga-Sieg seit Mitte Februar 2010, einem 2:1 gegen Hoffenheim. Der VfL rastete aus nach dem ersten Bundesliga-Treffer seit dem unbedeutenden 1:3 von Christian Fuchs beim FC Bayern am 1. Mai 2010.
Mehr Comeback geht nicht. „Heute“, sagte Trainer Thomas Reis, „dürfen wir alle stolz sein.“ Und der stürmende VfL-Debütant Sebastian Polter schwärmte: „So eine Atmosphäre im Stadion. Das ist doch geil.“
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Der Funke sei schon vor dem Anpfiff übergesprungen von den Rängen aufs Feld und ab dem ersten Ballkontakt vom Feld zurück auf die Ränge, sagte Reis. Ein Zusammenspiel, das die Profis mit einer leidenschaftlichen Leistung konsequent befeuerten. „Wir waren von Beginn an hellwach und aggressiv“, lobte Reis seine Elf. Der Mainzer Sportdirektor bestätigte den Eindruck auf seine Art: „Ich habe gedacht: Ey, die Blauen müssen eigentlich wir sein. Wir waren die Lethargischen“, sagte Martin Schmidt.
Gerrit Holtmann drückte die Überlegenheit der Bochumer nach 21 Minuten mit dem ersten Treffer aus. Mit einem Supersolo von der linken Seite bis in den Fünfmeterraum. Sieben Mainzer ließ er stehen, tunnelte noch Torwart Robin Zentner und sorgte für einen Vulkanausbruch der Emotionen im Stadion. „Das hat er grandios gemacht“, lobte Reis seinen Tor-des-Monats-Kandidaten. Und blieb sich und seiner Linie auch nach diesem ganz besonderen Spiel umgehend treu: Bloß nicht abheben jetzt. Reis stellte das Team in den Fokus. „Ich hoffe, dass das jetzt nicht übertrieben wird mit Gerrits Tor. Wir haben eine tolle Mannschaftsleistung gezeigt.“
Sebastian Polter feiert VfL-Debüt als Stoßstürmer
Zweikampfstärke, Willen, Kompaktheit waren die Basis des Erfolges, gepaart mit einer gehörigen Portion Spielfreude. Der zweite Treffer fiel nach präziser Flanke von Simon Zoller auf den Kopf von Sebastian Polter (56.). Der nimmermüde Sprinter Zoller, bisher Bochums gesetzter Stoßstürmer, überzeugte auch als Rechtsaußen. Der robuste Polter, erst vor einer Woche von Fortuna Sittard geholt, ackerte bei seinem Debüt als Stoßstürmer.
Sie bildeten mit Linksaußen Holtmann ein starkes Angriffs-Trio, sie verteidigten beherzt mit in einem defensiv stabilen Team, das wenige Chancen zuließ, die Torwart Riemann bei seinem Bundesliga-Heimdebüt zunichte machte. Auch dank des überragenden Armel Bella-Kotchap in der Innenverteidigung: Der 19-Jährige schmiss sich in jeden Ball, feierte ein glänzendes Bundesliga-Debüt. „Bei ihm ist es eine Kopfsache“, sagte Reis, der das größte VfL-Talent immer wieder auf den Boden zurückholt, wenn es im Training oder Spiel schludert. Auch mit öffentlicher Kritik. „Damit will ich ihm helfen“, so Reis. „Wenn Armel fokussiert ist, kann er solche Leistungen zeigen. Wir sind froh, ihn beim VfL zu haben.“
Bella-Kotchap stand in Wolfsburg noch nicht in der Startelf. Der schnelle, körperlich starke Verteidiger aus dem eigenen Talentwerk hatte großen Anteil daran, dass Bochum die nächsten Wochen mit Optimismus angeht.
VfL-Trainer Thomas Reis zu Gast im Sportstudio
Denn die wichtigste Erkenntnis geht ja über den frenetisch gefeierten Sieg hinaus: Trainer Reis hat im Vergleich zur Zweitliga-Meisterschafts-Saison deutlich mehr Alternativen, auf die er von Beginn an setzten kann. Mit Verteidiger Maxim Leitsch sowie den Mittelfeldspielern Eduard Löwen (beide angeschlagen) und Robert Tesche (gesperrt) fehlten drei potenzielle Stammkräfte im Zentrum des Feldes. Auch Flügelstürmer Danny Blum ist noch nicht fit.
Ein Grund, warum Reis selbstbewusst vorausblickte am Ende seines langen Arbeitstages, bei seiner Premiere als Gast des Aktuellen Sportstudios im ZDF: „Wir haben Herz, wir haben Mut“, sagte der 47-Jährige nach seiner persönlichen Bundesliga-Heimspielpremiere und eine Woche vor dem Auswärtsspiel in Köln um kurz vor Mitternacht ganz entspannt. „Wenn wir so auftreten wie gegen Mainz, holen wir die nötigen Punkte.“