Berlin. Die Analyse zeigt, was beim VfL Bochum gegen Hertha vor der Pause schief lief. Und wie sich die Personal-Entscheidungen aufs Spiel auswirkten.
Schwache erste Halbzeit, zwei Wechsel, Systemumstellung, gute zweite Halbzeit. 1:1. Der VfL Bochum hat bei Hertha BSC einen wichtigen Auswärtspunkt geholt. Er bleibt in der Tabelle vorerst auf Rang elf und definitiv auch weiterhin zwei Punkte vor dem finanzstarken Großklub aus der Hauptstadt. „Wir nehmen den Punkt gerne mit, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“, sagte Trainer Thomas Reis nach der Partie bei DAZN. „Wir sind froh, dass wir den Abstand auf Hertha wahren konnten.“
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Richtig sauer war er aber über die Leistung in der ersten Halbzeit. „Wir haben eigentlich alle Zweikämpfe verloren, da war keine Leidenschaft“, schimpfte Reis und bezog sich in die Kritik selbst mit ein. „Da wurde es auch mal ein bisschen lauter“, gab er Einblick in die Halbzeit-Ansprache.
VfL Bochum: Löwen zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit Corona-infiziert
„Wir haben dann etwas umgestellt. Die Mannschaft hat das in der zweiten Halbzeit dann gut umgesetzt, da war ich mit der Art und Weise zufrieden, auch wenn wir keinen schönen Fußball gespielt, sondern viele lange Bälle gespielt haben. Das ist mir in der Situation aber auch egal.“
Der Trainer musste in Berlin auf gleich drei mit dem Coronavirus infizierte Spieler verzichten. Nach Anthony Losilla und Erhan Masovic, die schon am vergangenen Wochenende positiv getestet worden waren, fiel auch bei Eduard Löwen ein Coronatest positiv aus. Er habe sich, erklärte der VfL eine Stunde vor dem Anpfiff, bereits am Donnerstag vor der Abschluss-Einheit in Bochum in häusliche Isolation begeben. Löwen war bereits im Dezember an Covid-19 erkrankt, den von der Hertha ja nur ausgeliehenen 25-Jährigen erwischte es also zum zweiten Mal in rund zwei Monaten.
Damit fehlte Reis eine weitere Option im Zentrum: Losilla wäre gesetzt gewesen, Masovic und Löwen hätten ihn ersetzen können. Fast schon logisch, dass der ohnehin auch als Losilla-Ersatz gehandelte Robert Tesche damit zu seinem Comeback in der Startelf kam.
Letztmals hatte der 34-Jährige am 2. Oktober in Leipzig von Beginn an gespielt, seitdem kam er, zwischenzeitlich auch verletzt, nur zu drei Kurzeinsätzen. Die Saison lief bisher an ihm persönlich vorbei. Auch, „weil andere es gut gemacht haben“, stärkte ihm Trainer Reis vor dem Anpfiff noch einmal den Rücken. Reis setzte auf seine Erfahrung, betonte er immer wieder, „mit der er vielleicht fehlende Spielpraxis wettmachen“ könne.
An Robert Tesche läuft die Saison weiter vorbei
Tesche, in der Vorsaison Spieler des Jahres beim VfL und einer der Garanten für den Aufstieg, spielte auf der Sechs, aber nicht ganz alleine, sondern weitgehend gemeinsam mit dem im Losilla-System auf der Acht agierenden Elvis Rexhbecaj. Tesche übernahm dabei den defensiveren Part, bei Ballbesitz ließ er sich wie Kapitän Losilla fallen, spielte meist kurze Bälle. Beide, Rexhbecaj wie Tesche, erwischten aber keinen guten Auftakt. Wie fast alle Bochumer.
In der ersten Halbzeit war Berlin klar überlegen, fand Bochum weder im Zentrum noch Außen Zugriff, die zweiten Bälle landeten allzu oft bei den deutlich energischer auftretenden Gastgebern. Tesche war um Ruhe bemüht, mehr allerdings auch nicht. Die Aggressivität im Zweikampf fehlte ihm, er war oft zu weit weg vom Gegenspieler. Allerdings nicht nur er.
Das verdiente Führungstor für die Hertha fiel nach einer Standardsituation. Auch das habe man eigentlich auf dem Zettel gehabt, ärgerte sich Reis. Stevan Jovetic flankte, Bella Kotchap war weit weg von Torschütze Ishak Belfodil, der hochstieg und platziert ins rechte Eck einköpfte. Torwart Manuel Riemann, zu Beginn noch ein-, zweimal 0:1-Verhinderer, war machtlos.
Locadia und Polter können auch zusammen spielen
Nach vorne ging nicht viel. Von Milos Pantovic war linksaußen wenig zu sehen, auf rechts mühte sich Gerrit Holtmann vergeblich in Tempodribblings ab, Rexhbecaj rannte sich fest. Und Takuma Asano, der als Zehner agierte, war vielleicht auch noch platt nach seiner Länderspielreise. Der Ball wollte nicht laufen gegen eine Hertha-Defensive, die sich mit Zugang Kempf stabil und entschlossen präsentierte. Anders als der VfL.
Für Tesche läuft die Saison weiterhin äußerst unrund, gelinde gesagt. Der Routinier musste nach der Pause in der Kabine bleiben, ebenso wie Asano. Für Tesche wechselte Reis die Zukunft ein. Patrick Osterhage, 13 Jahre jünger als Tesche, sollte für mehr Offensivqualität sorgen. Für Asano kam Sebastian Polter, der damit erstmal mit Jürgen Locadia gemeinsam angriff. Bochum agierte nun im 4-4-2. Ein Systemwechsel. Ein Treffer am Freitag.
Dass die beiden Stürmer auch zusammen spielen können, zeigten sie umgehend. Locadia zog nach einem langen Ball und Polter-Zuspiel endlich mal ab, der von Torwart Alexander Schwolow schwach abgewehrte Ball landete vor den Füßen von Polter, der locker einschob. Der Ausgleich in Minute 48.
Tarsis Bonga feiert sein Bundesliga-Debüt
Bochum legte nach, Locadia zielte übers Tor, aber die Defensive hatte die sich kurz schüttelnden Berliner nun deutlich besser im Griff, hielt sie weg vom Tor und der VfL tat selbst mehr fürs Spiel nach vorne. Doch das Zuspiel von Pantovic, klasse bedient vom selten so spielfreudig gesehenen Polter, fand in dieser Zwei-gegen-Eins-Situation nicht Locadia, sondern landete nach Kempfs Klärung auf der Latte.
Bochum war dem 2:1 näher, kurz vor Schluss gab es noch eine Überraschung: Tarsis Bonga ersetzte Locadia und feierte damit sein Bundesliga-Kurzdebüt. Der große Außenspieler war schon lange vor Saisonbeginn ein Kandidat für einen Wechsel. Geklappt hat es nie – jetzt erlebte er seine ersten Bundesliga-Minuten. Als Stürmer bei einem 1:1, mit dem Bochum deutlich besser leben kann als Berlin.