Bochum. Drei Punkte gegen einen Verfolger, Zweitliga-Tabellenführung gefestet: Doch bei Trainer Thomas Reis überwog nach dem 2:1 gegen Kiel der Frust.
Den meisten Spielern des VfL Bochum war die Erleichterung anzusehen. Sie klatschten sich ab, fielen sich in die Arme, lachten gequält, aber froh. Das war nochmal gut gegangen. Bei Manuel Riemann wollte sich dieses Gefühl offensichtlich nicht einstellen. Als Trainer Thomas Reis mit ihm abklatschen wollte, wollte der Torwart noch etwas los werden. Er zeigte auf den Strafraum, diskutierte mit Reis, schlug sich in die Hände, deutete nochmal mit ausgestrecktem Zeigefinger auf seinen 16er. Etwas hatte ihm nicht gepasst, soviel war klar.
Was das war, nach dem am Ende zittrigen 2:1 (1:0)-Heimsieg gegen Verfolger Holstein Kiel, wollte Reis auf der Pressekonferenz nicht sagen: „Das behalten wir für uns.“ Lippenlesen wäre in dem Fall nützlich. Vermuten lässt sich aber auch: Dass es um dasselbe ging, was Reis in aller Deutlichkeit benannte.
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Die Haare von Trainer Reis wurden grauer
„Ich bin absolut unzufrieden mit den letzten zehn Minuten“, sagte der 47-Jährige. Seine Haare seien nun sicher grauer geworden, seine Augenfalten mehr. „Das darf einfach nicht passieren“, haderte er. Immerhin gab er noch einen positiven Ausblick, nämlich, dass der Ärger verfliegen wird. „Irgendwann wird die Freude überwiegen.“ Darüber, dass der Zweitliga-Spitzenreiter einen weiteren Aufstiegskonkurrenten distanziert hat.
Bis zur 80. Minute sah es danach aus, dass der VfL dies mit einer ordentlichen Leistung schaffen würde. Kiel war nach einer wochenlangen Pause mit viel Zuversicht, aber auch ein wenig Unsicherheit nach Bochum gereist. Wegen mehreren Coronafälle mussten zwei Spiele des Aufstiegskandidaten und Pokalhalbfinalisten verlegt werden. Die letzte Spielerfahrung lag vor dem Ostersamstag fast vier Wochen zurück. Den Kielern fehlte der Spielrhythmus ganz offensichtlich, was der VfL zu nutzen wusste.
Doppelpack von Stürmer Simon Zoller
Allen voran Stürmer Simon Zoller, der seine persönliche Zwangspause wegen muskulärer Probleme längst weggesteckt hat. Wie schon beim 3:0 gegen Düsseldorf schlug der 29-Jährige eiskalt zu. Sein erster Versuch in der 5. Minute wurde noch wegen Abseits aberkannt, aber nur Sekunden später saß der zweite: Robert Zulj spielte in Zulj-Manier Milos Pantovic frei, der für den gesperrten Danny Blum auflief. Der Flügelspieler legte quer auf Zoller zum 1:0. Der zweite reguläre Streich folgte in der zweiten Halbzeit: Zoller nahm Innenverteidiger Simon Lorenz den Ball an der eigenen Strafraumgrenze ab und versenkte den Ball zum 2:0 und seinem 14. Saisontor. Ein Goalgetter und ein fairer Sportsmann: „Das Foul kann man schon geben. Das sieht unglücklich aus“, sagte Zoller. „Da hätte ich mich nicht beschweren dürfen.“ Das tat nämlich der Ex-Bochumer Lorenz bei Schiedsrichter Martin Petersen, jedoch ohne Erfolg.
Der Ärger bei den Kielern hielt nicht lange an, sie hatten das Gefühl für Fußballspiele wiedererlangt und setzten Bochum unter Druck. In der 81. Minute bekam Maxim Leitsch den Ball an der Hand, Alexander Mühling verwandelte den Elfmeter. Das große Zittern begann. Die Partie wurde plötzlich wild, der VfL verlor die Kontrolle. In der Hitze des Kampfes erwischte Zulj Stürmer Jae Sung Lee im Gesicht und sah die fünfte gelbe Karte. Damit fehlt der Spielmacher im kommenden Heimspiel gegen Paderborn. Danach fehlten nur Zentimeter, dann hätte der eingewechselte Benjamin Girth den Ball an Riemann vorbeispitzeln können. So lief der Ball in Riemanns niedergestreckten Arme. „Wir haben heute nochmal Glück gehabt“, sagte Herbert Bockhorn, der den gelbgesperrten Danilo Soares als Linksverteidiger vertrat.
Robert Zulj gegen Paderborn gesperrt
Mit dieser Einschätzung dürfte es aber nicht getan sein. Trainer Res kündigte nach dem Spiel Gesprächsbedarf an. „Wir haben die drei Punkte behalten. Das ist schön, aber es gibt auch genug zu reden.“ Die fünfte gelbe Karte wird nur ein untergeordnetes Thema sein. „Das ist ja mittlerweile gang und gäbe, dass sich Spieler in so einer Situation schnell ins Gesicht fassen“, sagte Reis. Viel mehr beschäftigt ihn die Entstehung zum Elfmeter: „Wir versuchen Klein-Klein zu spielen. Das war völlig unnötig.“ Denn der VfL will groß spielen – und aufsteigen.