Kailua Kona. . Der Triathlet Sebastian Kienle ist nach Thomas Hellriegel, Faris Al-Sultan und Normann Stadler bereits der vierte Deutsche, der sich auf Hawaii den begehrtesten Titel der Eisenmänner sichert. Der Vorsprung des Baden-Würtembergers auf den Zweiten beträgt über fünf Minuten.

Es ist wirklich Geschmackssache, ob diese üppige Stachelkrone noch zeitgemäß ausschaut. Aber niemals würde sich ein Triathlet dagegen wehren, sie im Zielkanal des Ironman Hawaii über den Kopf gestülpt zu bekommen. Zum einen sind in diesem Moment alle Widerstandkräfte ohnehin erlahmt, zum anderen gehört das beim Triumph in Kailua-Kona dazu wie das Schwimmen (3,8 Kilometer) im tückischen Pazifik, das Radfahren (180 Kilometer) in glühender Lavawüste oder das Laufen (42 Kilometer) auf flirrendem Asphalt.

Im emotionalen Wellental

Also hat Sebastian Kienle seiner Strubbelfrisur nach dem Kraftakt noch diese Kopfbedeckung zugemutet, nachdem er sich als vierter Deutscher zum Weltmeister hat krönen lassen. „Ich bin so gottfroh, dass es geklappt hat“, stammelte der 30-Jährige überglücklich. Und so aufgewühlt der im baden-württembergischen Mühlacker beheimatete Sieger nach seinen 8:14:18 Stunden und mehr als fünf Minuten Vorsprung vor dem US-Amerikaner Ben Hoffman (8:19:23) war, räumte er ein, dass er vor drei Wochen in seinem Apartment am Alii Drive Tränen vergossen habe. „Da habe ich wieder so ein Scheiß-Training gehabt, dass ich dachte, ich schaffe das niemals.“

Das emotionale Wellental gehört zu dieser Spezies wie eine asketische Lebensweise in einer trainingsintensiven Extremsportart. Eisenmänner sind Grenzgänger am Gipfel. Seriös sind für die Langstreckenspezialisten ganzjährig allenfalls zwei Wettbewerbe möglich. Der intelligente, fleißige und wortwitzige Kienle hat es sogar geschafft, in diesem Jahr den als Europameisterschaft ausgewiesenen Ironman Frankfurt und die WM zu gewinnen. Zuvor hatte Kienle oft genug vom perfekten Tag gesprochen, den es auf Big Island bräuchte, um sich im Beisein seiner Lebensgefährtin Christine Schleifer einen Traum zu erfüllen – nun war es nachträglich das perfekte Resultat. Dass er vor dem Zielstrich stehen blieb, erklärte er so: „Ich habe die Scheuklappen aufgehabt bis ganz zum Schluss.“ Bis 100 Meter vor dem Ende habe er Vorsicht walten lassen. „Ich hatte noch Angst, einen Krampf zu bekommen oder hinzufallen.“

Nachvollziehbare Leistung

Kienle – Typ „coole Socke – verkörpert einen Ausdauersportler, dessen Leistungsentwicklung nachvollziehbar ist. Er hat in dieser Saison nicht nur mehr als ein Dutzend unangemeldeter Kontrolle über den Nada-Testpool hinter sich, sondern in der Vergangenheit stets meinungsstark seine Haltung im Antidopingkampf vertreten. War er doch vor zwei Jahren der einzige, der sich mit dem Weltverband WTC anlegte, als diese glaubte, mit Lance Armstrong ein Zugpferd für ihre Sportart gewinnen zu können.

Auch wenn vom einst idealistischen Spirit des 1978 entstandenen Events eingedenk der geschäftsmäßigen Vermarktung des geldgierigen Triathlon-Weltverbandes (WTC) nicht mehr viel geblieben ist, hält das Ambiente den Mythos aufrecht. Und daran hat Kienle, der mittlerweile in Ansbach internationales Management studiert, gerne erinnert: „Mit diesem Rennen kann man sich unsterblich machen.“ So wie vor ihm Thomas Hellriegel (1997), Faris Al-Sultan (2005) und zweimal Normann Stadler (2004 und 2006).