Mülheim.. Es ist eine mutige Entscheidung, einer Frau das Traineramt bei einem Männer-Team zu erteilen, denken viele. Beim Hockey-Bundesligisten Uhlenhorst Mülheim ist man da anderer Meinung. Da hören die Spieler mit Beginn dieser Saison auf Tina Bachmann. Warum? Weil sie es kann, sagt der Team-Manager.
Nach dem Training sind die T-Shirts nassgeschwitzt, die Hockeyspieler des HTC Uhlenhorst Mülheim dehnen am Rande des Kunstrasens ihre strapazierten Waden, als sie zur Abschlussbesprechung zusammengerufen werden. „Jungs, macht ma son bisschen ran.“ Die Wortwahl gilt als typisch fürs Ruhrgebiet; gar nicht so gewohnt sind die Mülheimer die Tonlage in der Stimme, die da noch etwas mitzuteilen hat. Denn wem die Hockey-Asse, ob Olympiasieger oder Nachwuchstalent, hier sogleich Folge leisten, ist nicht ihr Coach, sondern ihre Trainerin.
Beim Rekordmeister hören ab dieser Saison alle auf das Kommando von Tina Bachmann. Eine Frau, die einen Männer-Bundesligisten trainiert, ist im Leistungssport absolut unüblich. Dass die 36 Jahre alte Bachmann den Posten übernommen hat, ist von ihrer sportlichen Reputation vergleichbar, als würde Fußballerin Birgit Prinz bald Schweinsteiger, Lahm und Co. an der Säbener Straße über die Wiese scheuchen.
Das Uhlenhorster Eigengewächs lebt für den Hockeysport, wurde 2004 in Athen Olympiasiegerin sowie 2013 Europameisterin und absolvierte erst jüngst bei der Weltmeisterschaft in Den Haag ihr 255. Länderspiel. „Natürlich habe ich vorher überlegt: Passt das, was ich einbringe, ins Profil und zur Mannschaft?“, erklärt die Diplom-Trainerin, „das war ein großer Schritt für den Verein – für mich ist es vor allem eine coole Chance.“
Eine Frau allein unter Männern? Es wird einige Stirnrunzler geben, die an der ungewöhnlichen Kombination zweifeln. Horst Stralkowski, Vater von Olympiasieger Thilo, war eng eingebunden bei der Trainersuche. „Ich höre oft: Das ist aber mutig. War es nicht, sondern in erster Linie eine sachliche Entscheidung“, sagt der engagierte Team-Manager des Bundesligisten, „wir haben eine charismatische Trainerin gefunden, die den Leistungssport weiter voranbringen möchte und auf dem modernstem Stand der Trainingsmethodik ist.“
Zu wenige Trainer von Qualität
Auch interessant
Dass es am Ende eine Frau geworden ist und nicht wie seit jeher ein Mann – einzige Ausnahme war bisher Uschi Schmitz 1998 bei Rot-Weiss Köln –, hat ihn nicht überrascht: „Die Suche hat die strukturelle Schwäche unseres schönen Sports hervorgebracht: Die Qualität der Trainer ist oft nicht ausreichend genug, um die Talente auszubilden.“ Nur in Hamburg, Köln und Mannheim bekommen angesehene Übungsleiter Gehälter, mit denen sie hauptamtlich ihr Leben gut bestreiten können. Tina Bachmann kam für den Uhlenhorst letztlich nur infrage, weil sie nach den Sommerferien als Grundschullehrerin eine Stelle in Mülheim antritt.
Von Anfang an hatte Tina Bachmann keine Hemmnis, es mit Männern aufzunehmen. „Vertrauen und Respekt muss man sich erarbeiten“, sagt sie, „aber wenn man keinen Nervenkitzel verspürt, ist es nicht das Richtige.“ Das erste Training sei zwar etwas ungewöhnlich gewesen: „Die Jungs checken dich erstmal ab – aber genauso bin ich ja auch.“
Aufzugeben ist nicht ihr Ding
Als Trainerin werden die Mülheimer die 36-Jährige genauso erleben, wie sie sie bis vor kurzem noch in der Nationalmannschaft und beim niederländischen Topklub Oranje Zwart gesehen haben: bis in die Haarspitze motiviert, nie aufsteckend, für den Gegner immer unangenehm, für die Mitspieler eine Persönlichkeit, an der sie sich hochziehen können und die ihr Umfeld von einem Vorhaben glaubwürdig überzeugen kann. „Ich komme manchmal hart rüber, aber das ist eben meine offene, direkte Art“, räumt die Mülheimerin ein, so ist man halt im Pott. Dass sie vor Ungeduld auch mal laut werden kann, hat ihr sicherlich nicht nur Freunde eingebracht. „Wenn ich aber coache, bin ich ganz bei der Sache, dann setze ich Energie frei. Denn ich will immer gewinnen.“
Die Jungs hören aufs Wort
Auch interessant
Das lässt sie ihr Team spüren. „Ich war erst etwas skeptisch, dann aber auch neugierig, weil ich sie als Typ kannte“, berichtet Thilo Stralkowski, den Tina Bachmann schon als kleinen Stöppken trainierte, „in den Einheiten ist richtig Zug drin.“ So verwundert es nicht, dass die Uhlenhorster während der Trinkpausen keuchten und Sätze sagten wie: „So anstrengend habe lange nicht mehr trainiert“ oder „Neue Beine, bitte“. Wenig später hörte man vom Kunstrasen Bachmann wieder energisch rufen: „Kommt, Tempo hochhalten.“ Die Jungs hörten aufs Wort. Das muss also nicht unbedingt ein Mann sagen.