New York. . Das US-Herren-Tennis steckt spätestens seit dem Rücktritt Andy Roddicks in der Krise – John Isner soll sie bei den US Open beenden. Der 2,08 Meter-Hüne hat derzeit einen Lauf. Dass er aber unlängst aus den Top 20 rutschte, markierte einen historischen Tiefpunkt.

Natürlich ist John McEnroe wieder da, der große Johnny Mac, wie sie ihn hier nennen. Man erkennt ihn zwar diesmal erst auf den zweiten Blick, denn John McEnroe erscheint neuerdings wie Jock Ewing, der alte Patriarch aus „Dallas“ – schlohweiß. Johnny Mac kann jetzt in Würde Großvater werden, doch bei den US Open behandeln sie ihn immer noch, als sei er der Godfather of Tennis: Er ist hier der lässige Pate, der sagt, was gut ist und was nicht.

Gut ist zum Beispiel, dass Roger Federer„das Tennis auf ein neues Level gebracht hat“, wie McEnroe am Dienstag lobte, als er Federers Erstrundenmatch auf dem Centre Court im „Arthur Ashe Stadium“ kommentierte, bei dem der Schweizer den Slowenen Grega Zemlja besiegte (mit 6:3, 6:2, 7:5). Gut ist natürlich auch, dass John Isner einen „großartigen Sommer“ hat, der Amerikaner, den sie hier jetzt feiern. Isner gewann am Dienstag sein Auftaktmatch gegen den Italiener Filippo Volandri mit 6:0, 6:2, 6:3. Danach stürmten ein paar Dutzend Kinder auf Isner zu und schauten autogrammhungrig zu ihm auf. „Jooohn!“, riefen sie. Und: „Wir wollen dich im Finale sehen!“ Isner lächelte und nickte: Ich mich auch.

Roddick verabschiedete sich vor einem Jahr in den Ruhestand

Seit Andy Roddick sich vor einem Jahr bei den US Open in den Ruhestand verabschiedete, ruhen die amerikanischen Hoffnungen auf Isners hohen Schultern. Der 2,08 Meter-Mann aus North Carolina ist der Beste, den sie hier jetzt haben: Isner wird in der Weltrangliste auf Rang 17 geführt und hatte zuletzt einen kleinen Lauf. Beim Turnier in Cincinnati besiegte er Novak Djokovic und Juan Martin del Potro, ehe er im Finale an Rafael Nadal scheiterte. Es war das dritte Finale in Folge, das er erreichte; nach Washington D.C., wo er gegen Del Potro verlor, und Atlanta –„Ädlääännah“, wie Isner mit seinem breiten Südstaatenakzent sagt. In Ädlääännah konnte er gegen Kevin Anderson gewinnen, „das hat mir Selbstvertrauen gegeben“, sagte Isner, als er nach dem Spiel die Runde machte – erst zur Pressekonferenz, dann zum Interview bei ESPN, dann zum Interview beim „Tennis Channel“.

Er ist jetzt sehr gefragt, obwohl man nicht viel von ihm sieht:Isner, 28, zieht sich seine Schirmmütze so tief ins Gesicht, dass man manchmal nicht genau weiß – ist er das oder nur ein Bodydouble? Sicher ist: Er war es, der Anfang August kurz aus den Top 20 rutschte, was bedeutete, dass erstmals seit 40 Jahren kein Amerikaner mehr zu den besten 20 zählte.Das löste eine Diskussion aus, die sonst erst bei den US Open geführt wird – wo die Amerikaner jedes Jahr wieder bemerken, dass es ihnen an Tennis-Helden mangelt. Jedenfalls an solchen vom Schlage eines John McEnroe. Oder eines Pete Sampras. Der letzte Amerikaner, der die US Open gewann, war Andy Roddick – 2003. Danach hatten sie hier gehofft, er könne seinen großen Sieg wiederholen, doch Roddick siegte in Lyon, Brisbane oder Dubai, aber nie wieder bei einem Grand Slam-Turnier. So wie seither kein Amerikaner mehr bei einem Grand Slam-Turnier siegte.

Pete Sampras redete das Thema kürzlich schön

„So schlimm ist das nicht“, sprach nun Pete Sampras, der das Thema kürzlich schön redete. „Wir sind hier in den USA ein bisschen selbstgefällig geworden. In vielen anderen Ländern ist es so, dass die besten Athleten Tennis spielen. Bei uns spielen die besten Athleten eben etwas anderes.“ Baseball. Oder American Football. Aber Tennis? In den Neunziger Jahren hatten die Amerikaner mit Sampras, Andre Agassi und Jim Courier eine Generation, die ähnlich golden war wie die von McEnroe und Jimmy Connors Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Jahre.

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„Das wird es aber kaum wieder geben“, sagte Sampras. „Bei uns passte damals einfach alles. Aber seitdem heißt es immer wieder: Wo ist der nächste Pete? Der nächste Andre? Du hast aber nicht alle zehn Jahre drei herausragende Spieler. Wir können nur hoffen, dass wir Nachwuchsleute fördern, die hungrig sind und gutes Tennis spielen.“

Wie John Isner, der am Dienstag sagte, er sei sehr, sehr hungrig: „Ich habe kein Problem damit, die amerikanische Nummer eins zu sein.“ Klar habe Andy Roddick in den vergangenen Jahren „all den Druck“ abbekommen, der nun auf ihm laste, aber: „Ich bin gut drauf und genieße das.“