New York. . Die Amerikaner fürchten, dass Venus Williams dem Tennis bald den Rücken zukehrt. Deshalb hoffen beim Grand-Slam-Turnier in New York alle auf eine schrille Show. Am Montag setzte sich Williams locker-flockig gegen Kirsten Flipkens durch und gewann mit 6:1, 6:2.
Der Weg zu den US Open führt über den Long Island Expressway, eine Schnellstraße, die sich durch den New Yorker Stadtteil Queens zieht – achtspurig und mit großen Werbetafeln, die wie auf Stelzen entlang des Long Island Expressway stehen.
Eine der Tafeln zeigt Maria Scharapowa, die blonde Russin mit den schönen Schultern, die so gerade sind, dass man Meißner Porzellan darauf stapeln könnte.
Auf dem Bild wirft Scharapowa dem Publikum bei den US Open eine Kusshand zu, darunter ist zu lesen: „Die besten Tage enden mit einem Kuss.“
Scharapowa fehlt verletzt
Leider hat Scharapowa schon bessere Tage gesehen: Sie ist verletzt und musste die US Open kurzfristig absagen. Die Frage ist nun, wer sie ersetzen kann – Sabine Lisicki? Die ist ja auch eine große Kusshandwerferin, lief aber erst einmal einem Eichhörnchen hinterher, das am Montag bei ihrer Erstrundenpartie über den Platz hoppelte. Im zweiten Satz, als Lisicki gegen die Russin Vera Duschewina spielte, die sie mit 6:2, 7:6 besiegte. Danach winkte Lisicki ins Publikum – Kusshände warf sie nicht.
Die Zuschauer hofften deshalb auf Venus Williams, die hier ebenfalls gern Küsschen verteilt. Doch Williams schien sehr konzentriert, als sie das „Arthur Ashe Stadium“ betrat: Sie hatte nur einen kurzen Gruß übrig, ehe sie begann, Kirsten Flipkens auseinander zu nehmen.
Leben mit dem „Sjögren Syndrom“
Damit war nicht unbedingt zu rechnen: Seit Venus Williams, die ehemalige Weltranglistenerste, bei den US Open 2011 bekannt gab, dass sie am „Sjögren Syndrom“ leide (einer Krankheit, die ihr die Energie aus dem Körper zieht), ist ihre Leistung vieles, nur nicht stabil.
Erst vor kurzem verlor Williams in der ersten Runde in Toronto gegen Flipkens, die Nummer 14 der Welt, die in diesem Sommer im Wimbledon-Halbfinale stand. Doch am Montag spielte Williams plötzlich, als sei sie in Bestform – und gewann locker-flockig mit 6:1, 6:2. Die Zuschauer sprangen erleichtert aus ihren Sitzen, denn bei Williams’ Auftritten schwingt immer auch ein bisschen die Angst mit, es könnten ihre letzten sein.
Sieben Grand Slam-Titel
Venus Williams ist jetzt 33, sie hat in ihrer Karriere sieben Grand Slam-Titel gewonnen und muss sich nicht mehr unnötig quälen. Sie wird darum immer häufiger nach einem möglichen Karriere-Ende gefragt. Auch am Montag wieder, als Williams zur Pressekonferenz erschien und sich dazu äußern sollte, dass der Kollege James Blake, ein Amerikaner, angekündigt hatte, nach den US Open in den Ruhestand zu gehen.
„James hat jetzt eine Familie, ein Kind, da verschieben sich, wie ich höre, die Prioritäten“, sprach sie. Was treibt sie noch an? „Nun, ich habe keine Familie, kein Kind, ich spiele einfach Tennis. Ich liebe es“, sagte Williams und lachte, dass ihre Rasta-Zöpfe wippten. Die hatte sie neon-pink gefärbt und auf dem Kopf zu einem Dutt zusammen genudelt.
Klarer Sieg für Schwester Serena
Sie macht jetzt hier auf Flower Child, spielt in einem schwarzen Dress mit bunten Blumen darauf, den sie wie immer selbst entworfen hat. Das Gekreische war groß, als sie darin über die Anlage in Flushing Meadows lief: „Veeeeenus!“ Sie ist natürlich die letzte Superstar-Amerikanerin, die sie hier bei den US Open noch haben – neben ihrer Schwester Serena, die am Montag Francesca Schiavone mit 6:0, 6:1 ausschaltete.
Von Serena gehen hier alle davon aus, dass sie das Turnier gewinnt. „Die einzige, die sie schlagen kann, ist Serena selbst“, sagt Venus. Serena ist die Nummer eins der Welt, Venus nur noch die Nummer 60. Die „New York Times“ wünschte ihr deshalb zum Auftakt der US Open „one last hurrah“ – ein großes Turnier noch. Aber kann sie das leisten, zwei Wochen auf hohem Niveau spielen?
Nur 19 Partien im Jahr
Das letzte Mal, dass Venus Williams bis ins Halbfinale eines Grand Slam-Turniers kam, liegt drei Jahre zurück: Damals unterlag sie bei den US Open der späteren Siegerin Kim Clijsters. In diesem Jahr bestritt sie nur 19 Partien, ehe sie hier in New York antrat. Mal wirft sie eine Verletzung zurück, mal ist es die Müdigkeit, ausgelöst durch ihre Krankheit. Es scheint, als würde Williams sich noch ein bisschen schwer damit tun, dass „der Vorhang sich so langsam über ihre Karriere senkt“, wie ein langjähriger Begleiter jetzt sagte.
Kürzlich saß sie bei „Good Morning America“, einer Frühstücks-Fernsehshow, um die US Open zu promoten. „Venus, ich höre, man sagt, Du würdest ein wenig nachlassen…“, sprach die Moderatorin. „Nein, das sagt man nicht, ich weiß nicht, woher Sie das haben“, fuhr Williams sie an. „Und ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mich nicht danach fragen. Weil es so nicht ist.“
Jedenfalls nicht immer.