Silverstone. In Silverstone kracht es früh. Nach einem Zweikampf mit Lewis Hamilton fällt der WM-Führende Max Verstappen schon nach einer Runde aus.

Die Asphalttemperatur von 52 Grad ist nichts gegen die Hitze, mit der sich das Titelduell zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton nach dem zehnten WM-Lauf entwickelt. Nach neun Kurven beim Großen Preis von Großbritannien kommt es zu einer Kollision und einem Mega-Crash. Das Auto von WM-Spitzenreiter Verstappen ist nur noch Schrott, der Niederländer muss im Krankenhaus untersucht werden. Nach dem Rennabbruch und Neustart kassiert Hamilton eine Zehn-Sekunden-Strafe, fängt aber zwei Runden vor dem Ende noch den Monegassen Charles Leclerc im Ferrari ab. Verstappen muss in einem nahegelegenen Krankenhaus auf eine mögliche Gehirnerschütterung hin untersucht werden.

Kollision bei Tempo 280 km/h

Was mit dem Knie ist oder dem Knöchel, spielt keine Rolle. Max Verstappen steht, wacklig zwar noch, aber der Niederländer ist immerhin auf den Beinen. Doch ein Blick in das Gesicht des Niederländers zeigt den Schock nach der Kollision bei Tempo 280 km/h. Hinter ihm das Wrack seines Red-Bull-Hondas, zum Teil in den Reifenstapeln steckend. Neun Kurven erst sind im Großen Preis von Großbritannien gefahren, da kommt es zu jenem Crash zwischen Verstappen und seinem Gegenspieler Lewis Hamilton, der sich schon vom Start weg andeutet. Endlich sind der Red Bull und der Mercedes technisch wieder auf gleicher Höhe, und das hat Auswirkungen auf das Duell in der ersten Runde.

Kampf der Egos mit motorisierten Mitteln

Die beiden jagen sich durch alle der schnellen und nicht ungefährlichen Kurven auf dem Flugplatzkurs, gleich zu Beginn gerät der Führende unter Druck, die Räder berühren sich fast. Aber Verstappen ist ein versierter Nahkämpfer, er wirbelt nur Dreck auf, bleibt vorn. So geht es aber weiter, jeder erwartet vom anderen, dass er zurückzieht, wie es in allen neun Rennen vorher der Fall war. Aber die Egos sind zu groß, der WM-Kampf mittlerweile zu sehr zugespitzt. Hamilton täuscht aus dem Windschatten heraus an, nach links zu gehen, dann stößt er aber rechts nach innen, ist fast an der Mauer, mindestens gleichauf. Er erweitert die Innenbahn nach außen, aber der Gegenspieler hält voll rein – das Vorderrad des untersteuernden Mercedes touchiert das Hinterrad des Red Bull. Max Verstappen ist nur noch Passagier, bis zum heftigen Aufprall. Das Rennen wird abgebrochen. Hamilton schleppt sein lädiertes Auto in die Box und zum Neustart.

Sofort wird die Schuldfrage debattiert, die Rennkommissare starten Ermittlungen. Souffliert von heftigen Anschuldigungen oder Entschuldigungen – je nach Lager. Nach etlichen Zeitlupen und Drohnenaufnahmen sind sich die meisten Betrachter im Fahrerlager einig: beide Piloten hätten den Crash vermeiden können, wissen sie doch um die Gefährlichkeit dieser Stelle. Aber mehr noch: alle sind froh, dass das Ganze nicht noch anders, schlimmer ausgegangen. Red-Bull-Berater Helmut Marko allerdings versucht die übliche öffentliche Einflussnahme mit den Vokabeln „fahrlässig, gefährlich, rücksichtslos" und fordert die „Höchststrafe" für Hamilton – das wäre eine Sperre. „Ich hab ihm Platz gelassen, er hat einfach eingelenkt", verteidigt sich Hamilton.

Vettel dreht sich aus den Punkterängen

Während die Stewards noch tagen und Verstappen noch im Streckenhospital untersucht wird, der Aufprall soll gewaltige 51 g betragen haben, geht Ferrari-Pilot Charles Leclerc als Erster in den Re-Start vor Hamilton (mit neuen Felgen). Der Monegasse kommt besser weg als der Brite, der jetzt besser auf Nummer sicher fährt. Hinten dreht sich Sebastian Vettel – mal wieder im Duell mit Fernando Alonso – aus den Punkterängen hinaus. Mitten in die Anfangsphase hinein dann die Ansage der Rennleitung: zehn Sekunden Strafe für den Rekordweltmeister. Was bedeutet: jetzt muss Hamilton zusätzlich Gas geben, um in der Gesamtwertung Punkte auf Verstappen gut zu machen. Aber wer so überholt, der der hat damit kein Problem.

Hamilton fangt kurz vor dem Ziel Leclerc ab

Aber Leclerc holt alles aus dem überraschend starken Ferrari heraus. Hamilton muss aggressiver werden, die Motorleistung aufdrehen. Aber Vorbeikommen ist schwer, auch wenn Leclercs Auto offenbar Aussetzer hat. Hamilton wird nach 28 Runden zum Boxenstopp hereingeholt, sitzt die zehn Sekunden ab und kommt als Fünfter zurück auf die Piste. Schnell hat er sich wieder auf Rang drei postiert, mit Rückstand auf den Teamkollegen Valtteri Bottas. Noch nie in der Hybrid-Ära war er bei seinem Heimspiel schlechter als auf Rang zwei ins Ziel gekommen. Bottas' Mercedes zeigt in dieser entscheidenden Situation eine starke Blasenbildung auf den Reifen, er wird zur leichten Beute für den Rekordweltmeister. Zwölf Runden vor Schluss ist er vorbei am Finnen, justament in diesem Umlauf muss auch Sebastian Vettel seinen Aston Martin abstellen. Auf Rang 17 hatte der Heppenheimer ohnehin keinen Spaß, Mick Schumacher wird nach einem technischen Problem auf dem 18. Platz gewertet.

Charles Leclerc darf die Motorleistung erhöhen, schließlich winkt der erste Ferrari-Sieg seit September 2019. Aber Hamilton schiebt sich heran, fährt schnellste Rennrunden und ist vier Runden vor Schluss am Monegassen dran, der schon vom ersten Ferrari-Sieg seit September 2019 träumen darf. Doch mit einem weiteren Mut-Manöver in der Copse-Kurve setzt er sich in der 50. Runde an die Spitze, Leclerc weicht vorsichtshalber aus. Eine herausragende Leistung, die aber natürlich umstritten bleiben wird. „Wir geben nie auf", funkt ihm Mercedes-Teamchef Toto Wolff ins Cockpit, der amtierende Champion gibt zurück: „Verdammt richtig, Mann!" In der WM-Wertung hat Hamilton seinen Rückstand auf Verstappen durch das Drama von Silverstone auf acht Zähler reduzieren können.