Silverstone. Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton peilt den achten Silverstone-Sieg an. George Russell und Lando Norris stehen als Nachfolger bereit.

Die Versuche der Regierung von Boris Johnson mit Sport-Fans erleben am Wochenende ihren Höhepunkt. Nach Wimbledon und Fußball-Europameisterschaft fallen beim Großen Preis von Großbritannien an diesem Sonntag (16 Uhr/Sky) alle Schranken: im mittelenglischen Silverstone ist alles angerichtet für 140.000 Formel-1-Zuschauer. Sie erwarten nichts anderes als endlich wieder einen Sieg von Lewis Hamilton, der letzte datiert schließlich zurück auf den Mai. Aber sie stellen sich auch die Frage nach dem nächsten Hamilton. Lando Norris im McLaren und George Russell im Williams sind die Antwort. Dank der beiden Talente stellen die Briten zahlenmäßig die größte Fraktion im Fahrerfeld der Königsklasse – und unterstreichen ihre generelle Zukunftsfähigkeit.

Natürlich kommt zunächst niemand am Rekordchampion vorbei, gerade in Silverstone nicht, dem Herzen des britischen Motorsports. Siebenmal gewann er dort schon. In diesem Jahr will er die Revanche gegen WM-Spitzenreiter Max Verstappen auch auf einer Geraden suchen, die jetzt nach ihm benannt ist. Kürzlich hat der 36-Jährige seinen Vertrag mit Mercedes um weitere zwei Jahre verlängert. Die Verkündung fand wohl auch deshalb im österreichischen Spielberg statt, damit der Rennfahrer beim Heim-Grand-Prix nicht zusätzlich abgelenkt wird.

George Russell, Mercedes-Azubi im dritten Jahr

Gleiches gilt wohl im Fall von George Russell. Der müht sich als Mercedes-Azubi im dritten Jahr beim Hinterbänkler Williams. Dort hat er seinen Teamkollegen im Griff wie kein Anderer, aber langsam beginnt der 23-Jährige zu verzweifeln. Beim letzten Rennen erst stand er kurz vor seinem ersten Punktgewinn in der Formel 1, aber mit abbauenden Reifen verlor er knapp den Kampf um Platz zehn: „Das wäre für mich wie ein Sieg gewesen.“

Als Hamilton-Vertreter im Vorjahr in Bahrain hatte ihm ein seltener Fehler der Crew beim Boxenstopp den Sieg gekostet. Seither gilt er aber als Nachfolger für den glücklosen Valtteri Bottas bei Mercedes. Doch in dieser Woche warnte er die britischen Fans schon mal vor: „Mercedes guckt nach meiner Karriere, das weiß ja jeder. Ich habe schon vor fünf, sechs Jahren dort unterschrieben. Aber was meinen Vertrag für die kommende Saison angeht, wird es keine Ankündigung in Silverstone geben.“

Lando Norris kennt das Podium bereits aus eigener Anschauung

Die größte Hoffnung von der Insel hat bereits einen langfristigen Vertrag unterzeichnet: Lando Norris, 21, ist der Fahrer in der laufenden Saison, der den größten Sprung gemacht hat. Beim letzten Rennen ist er zum dritten Mal aufs Podium gefahren – und sorgt somit für eine Renaissance des McLaren-Rennstalls. Seinen erfahrenen australischen Teamkollegen Daniel Ricciardo hat der Rohdiamant neulich in Monte Carlo überrundet.

Lando Norris setzt sich aber nicht nur auf der Piste gekonnt in Szene. Er beschäftigt einen eigenen Stab an Social-Media-Experten, die sein Tun vermarkten. Als einziger der Top-Rennfahrer ist er auch in der E-Sports-Szene eine große Nummer. Norris gibt sich witzig, er ist frech, und meistens gerät in Vergessenheit, dass er eines der Millionärssöhnchen ist, die dank Papas Geld ganz nach oben gekommen sind. Als Norris nach dem verlorenen Fußball-EM-Finale auf dem VIP-Parkplatz von Wembley von Straßenräubern eine Uhr im Wert von 40.000 Pfund vom Arm gestohlen wurde, war mal wieder klar, in welcher Liga er spielt.

Für Hamilton ist Norris als potenzieller Nachfolger schon (an)erkannt. „Ein feiner Rennfahrer, der Lando“, tönte es beim Österreich-Rennen aus seinem Boxenfunk. Der Champion hatte ja 20 Runden gebraucht, um den McLaren zu überholen. „Es ist cool, solchen Respekt zu erfahren. Wenn Lewis das sagt, bedeutet mir das sehr viel“, sagt Norris. George Russell hat seine Karriereaussichten von Alt-Meister Fernando Alonso bestätigt bekommen. Sie tauschten Helme aus. Und Alonso schrieb zur Signatur nicht nur die aufmunternde Botschaft „Du rockst!“, sondern auch die Wörter: „Künftiger Weltmeister“.