Essen. Alfons Hörmann hat lange gezögert mit seinem Rückzug als DOSB-Präsident – nun ist das Chaos groß. Warum der Funktionär scheiterte.
Der Machtmensch Alfons Hörmann hat seinen vorerst letzten Kampf verloren. Jedenfalls hat der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) seinen Rückzug angekündigt und wird im Dezember nicht wieder zur Wahl antreten; einer außerordentlichen Neuwahl, gegen die er sich zunächst vehement gesträubt hatte. Mit seinem uneinsichtigen Umgang mit Vorwürfen von Mitarbeitern zu seinem angeblich unangemessenen Führungsstil verschärfte Hörmann die Krise immer weiter – und nun ringen also die beiden größten und mächtigsten deutschen Sportverbände kurz vor den Olympischen Spielen in Tokio um eine Rückgewinnung ihrer Glaubwürdigkeit. Der DOSB ebenso wie der Deutsche Fußball-Bund.
Es ist nicht zwingend ein Vorwurf, Hörmann als Machtmenschen zu bezeichnen. Wer einen der weltgrößten Sportverbände zu leiten versucht, muss wohl ein gutes Gespür für Kompromisse, Allianzen und Alleingänge haben. Wer sich dem 60-Jährigen nähert, könnte noch manch anderes Klischee zusammentragen. Jedes für sich weist auf die notwendige Härte für das Amt hin, zusammengenommen ergibt sich aber das Bild eines mindestens schwierigen Charakters.
Alfons Hörmann, ein bayerisches Urgestein
Hörmann ist Allgäuer, in Kempten geboren, er sieht und inszeniert sich gerne als das, was man im Freistaat gemeinhin als bayerisches Urgestein bezeichnet. Sein Geld verdiente er zunächst in leitender Position in der Baubranche. Bevor Hörmann im Dezember 2013 auf den zum IOC wechselnden Thomas Bach beim DOSB folgte, musste der langjährige Ski-Funktionär und DSV-Präsident Vorwürfe über Verstöße gegen das Kartellrecht dementieren. Ein Vergehen, das er 2015 schließlich einräumte und das mit der Zahlung eines Bußgeldes geahndet wurde. Hörmanns Machtmenschen-Gen zeigt sich auch in seinen politischen Aktivitäten für die CSU – er war Gemeinderat und zweiter Bürgermeister in Sulzberg sowie im Landkreis Oberallgäu Abgeordneter und CSU-Fraktionsvorsitzender des Kreistages.
Kritische Fragen lässt Hörmann gern an sich abperlen – wie ein Wal, der zu groß ist, als dass ihn das Gewusel um ihn herum bewegen, geschweige denn treffen könnte. Mit den Klischees und der wirklichen Persönlichkeit eines Menschen ist das ja so eine Sache. Wenn aber jene Stereotype, die sich aus der Biografie des Sportfunktionärs herauslesen lassen, nur zum Teil zutreffen, sind sie Alfons Hörmann jetzt zum Verhängnis geworden.
Anonyme Vorwürfe gegen Alfons Hörmann
Seine Mitarbeiter haben die Vorwürfe gegen ihn in einer anonymen Mail vorgetragen, woraufhin Hörmann im Mai im Presseklub München sagte: „Weil die Vorwürfe anonym sind, fehlt die Möglichkeit, auf die Leute zuzugehen.“ So kann man sich herauswinden aus der Verantwortung für offenbar toxische Arbeitsbedingungen, die sich ja gerade dadurch auszeichnen, dass ein Dialog auf Augenhöhe nicht mehr möglich ist. Die Anschuldigung beispielsweise, er habe mit Kugelschreibern um sich geworfen, ließ er sich – ohne sie selber dementieren zu müssen – vom willfährigen Fragesteller selber als „feindseligen Akt“ wegargumentieren.
Ethikkommission urteilt scharf
Die Bewertung der Vorgänge im DOSB fällt sehr unterschiedlich aus. Der CDU-Sportexperte Frank Steffel sieht Hörmann und das DOSB-Präsidium als Opfer von Machenschaften: „Durch gezielte Indiskretionen und Unwahrheiten wurden das gesamte Präsidium und der Vorstand des DOSB nachhaltig beschädigt.“ Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, hingegen urteilt: „Dass es erst der Eskalation der letzten Wochen bedurft hat, wirft kein gutes Licht auf die Selbstwahrnehmung des DOSB-Präsidenten und seiner Vertrauten in Präsidium und Vorstand.“ Beste Freunde sind sie und Hörmann nie gewesen, und nun behält sich Freitag gar „die Prüfung rechtlicher Schritte“ gegen Hörmann vor, wenn dieser seine Aussage, sie und der Verein Athleten Deutschland hätten Athletensprecher Jonathan Koch beeinflusst, nicht zurücknähme. Der 35 Jahre alte Ruderer hatte sich von einer Ehrenerklärung des DOSB-Präsidiums für Hörmann distanziert.
Die verbandsinterne Ethikkommission unter dem ehemaligen Bundesinnenminister Thomas De Maizière beurteilte das Wirken der DOSB-Führung so: „Es ist zu konstatieren, dass die Beziehungen des Präsidenten/Präsidiums/Vorstands zu Teilen der Spitzenverbände, zu Teilen der Landesverbände, zum Internationalen Olympischen Komitee, zum Bundesministerium des Innern und zu wichtigen Teilen der Medien dringend verbessert werden müssen. Teilweise fehlt es hier an einem Grundvertrauen.“
Diese Bewertung von Anfang Juni drang offenbar besser zu Hörmann durch als der Hilferuf seiner Mitarbeiter. Es dauerte nur ein paar Tage, bis der politische Instinkt des Machtmenschen die Oberhand gewann und Hörmann die Niederlage schließlich akzeptierte. Sein Erbe: ein riesiger Scherbenhaufen, dessen Beseitigung den DOSB einigen Aufwand kosten wird. Und die Frage aufwirft, ob Hörmann noch der Mann ist, der die deutsche Mannschaft zu den Olympischen Spielen in Tokio (ab 23. Juli) führen sollte.