Dortmund/Duisburg. Elisabeth Seitz hat zum Start der Finals in NRW Turngeschichte geschrieben. Die 27-Jährige ist neue Rekordmeisterin und hat noch ein großes Ziel.

Es gibt einiges, von dem sich Ulla Koch gerade verabschiedet. Die 65-Jährige wird im Anschluss an die Olympischen Spiele nach 16 Jahren als Bundestrainerin der Turnerinnen aufhören. Bis es soweit ist, wird sie bei so manchem letzten Mal noch sentimental sein. Als Koch nun in der Westfalenhalle Dortmund über die neue Deutsche Meisterin im Mehrkampf spricht, sagt sie aber: „Ich habe mich schon bei der EM im März bei Elisabeth bedankt, dass ich so eine tolle Athletin wie sie so lange Zeit betreuen konnte.“ Dabei wird der gemeinsame Weg von Ulla Koch und Elisabeth Seitz, das hat der Auftakt bei den Finals gezeigt, doch erst nach den Spielen in Tokio enden.

Turnerin Seitz löst Föst als Rekordhalterin ab

Auch interessant

Die Übersicht: Hier finden die Wettbewerbe statt.
Von Melanie Meyer und Falk Blesken

Bei einer 27-Jährigen von einer altgedienten Kraft zu sprechen, wäre höchst unverschämt, ginge es in dem Fall nicht um Seitz. Die Stuttgarterin, die sich als Lehramtsstudentin gerade auf ein Leben nach dem Sport vorbereitet, war über viele Jahre die Vorzeigeathletin des Deutschen Turner-Bundes. Nach dem Wettkampf in der Westfalenhalle posieren viel jüngere Konkurrentinnen für Erinnerungsfotos auf dem Siegerpodest, dessen höchste Stufe so häufig die Stuttgarterin innehatte.

Die Deutsche Meisterschaft in Dortmund war nun Elisabeth Seitz‘ 23. nationaler Titel. Sie ist damit alleinige Rekordhalterin vor der DDR-Turnerin Ingrid Föst, die zwischen 1953 und 1963 22 Mal zu Meisterehren kam. Föst abzulösen, sei nie das vorrangige Ziel gewesen, erklärt Seitz, nachdem sie sich ein paar Tränchen von der Wange gewischt hat, aber: „Wenn man es jetzt geschafft hat, dass man nur noch einen Titel braucht, um Rekordmeisterin zu sein, ist es nachvollziehbar, wenn man darüber nachdenkt, den einen Titel noch zu holen.“

Seitz und die deutschen Turnerinnen kämpfen am 12. Juni um das Olympia-Ticket für Tokio

Trotz einiger Patzer entriss Seitz am Ende mit einer starken Boden-Übung der früheren Schwebebalken-Weltmeisterin Pauline Schäfer (24/Chemnitz) noch den Titel, die Vorjahressiegerin Sarah Voss (21/Köln) wurde Dritte. Den Titel nahm die Rekordhalterin gerne mit, doch ihr übergeordnetes Ziel ist: sich einen Platz im Flieger nach Tokio zu sichern, wo am 23. Juli die Olympischen Sommerspiele beginnen werden. „Ich habe geschafft zu zeigen, dass es ganz gut wäre, mich mitzunehmen“, sagt Seitz mit einem selbstbewussten Lächeln.

Elisabeth Seitz sicherte sich mit der Übung am Boden noch den 23. DM-Titel.
Elisabeth Seitz sicherte sich mit der Übung am Boden noch den 23. DM-Titel. © Getty

An dem genannten Trio sowie an Kim Bui (32/Stuttgart) wird Ulla Koch kaum vorbeikommen, wenn am 12. Juni in München nach dem letzten Qualifikations-Wettkampf für Olympia nominiert wird. In Tokio will das deutsche Team im Mehrkampf ins Finale einziehen; Seitz, EM-Fünfte am Barren, hat wie Schäfer am Schwebebalken auch Chancen als Einzelstarterin.

Für Olympia muss Elisabeth Seitz schlau trainieren

Zum Ende ihrer Karriere könnte Elisabeth Seitz mit dem Olympia-Start noch mal alle Anstrengungen und Blessuren vergessen machen, die die verrückte Corona-Saison mental sowie die Füße und der Rücken körperlich hinterlassen haben. „Es ist nie die richtige Entscheidung, kurz vor einem Ziel aufzugeben“, betont sie vor einer Woche, in der sie schlau trainieren, ein „Zwischending von Regenerieren und Wiederfitmachen“ finden müsse: „Das habe ich vor ein paar Jahren noch besser hinbekommen, inzwischen meldet sich mein Körper immer schnell und will die Notbremse ziehen.“ Elisabeth Seitz blickt dabei auf ihre Füße. Wie sie sich nach den Tokio-Spielen von den Schmerzen verabschieden kann, hat ihr Ulla Koch ja schon mal vorgemacht.