Düsseldorf. Endlich wieder internationales Spitzenhockey: Die deutschen Nationalmannschaften treffen am Dienstag und Mittwoch in Düsseldorf auf Belgien.
Vermutlich kommt es ganz auf die Perspektive an. „Wir sind schon in einer Blase“, sagt Selin Oruz überzeugt. Jede trage ihren Mund-Nasen-Schutz und achte auf ausreichend Abstand. Vor der Zusammenkunft wurden die 23-Jährige und all ihre Teamkolleginnen auf Corona getestet, sonst wären sie ja jetzt gar nicht in Düsseldorf. Im Hotel wird separat gespeist und der Aufzug nur mit wenigen Personen, schon gar nicht mit anderen Hotelgästen, benutzt. „Und auf einen Kaffee gehen wir auch nicht mal eben an den Rhein“, sagt Oruz und lacht. Das sind alles besondere Umstände, auf die die deutsche Damenhockey-Nationalmannschaft in diesen Tagen gerne und natürlich größtmögliche Rücksicht nimmt.
Neues Bewusstsein für den Sport
Wer von außen die Umstände betrachtet, unter denen am Dienstag und Mittwoch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt die deutschen Damen (an beiden Tagen um 15.30 Uhr) und Herren (18 Uhr/alle Spiele bei DAZN) jeweils auf Belgien treffen, hat eher den Eindruck von einem Bläschen als von einer stattlichen Blase. Nicht allzu groß aufgepustet, aber immerhin eine kleine eigene Welt. Hockey ist zwar die erfolgreichste deutsche Mannschaftssportart bei Olympischen Spielen, doch anders als Basketballer bei ihrem Meisterschafts-Turnier und erst recht Fußballer in der Champions League kann sich der nationale Verband vollständig gebuchte Unterkünfte nicht leisten, um die Gesundheit seines höchsten Guts zu schützen. Sei’s drum, so sind die Begleiterscheinungen, die internationales Spitzenhockey nach sieben Monaten Wettkampfpause überhaupt erst möglich machen. „Ich habe das schon sehr vermisst“, sagt Selin Oruz vor den ersten beiden Partien in der FIH Pro League, „und ich freue mich, endlich wieder auf so hohem Niveau spielen zu können. Man lernt das auch anders zu schätzen.“
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Aus dem Munde einer Bronzemedaillengewinnerin bei den Sommerspielen 2016 in Rio zeugen diese Worte von Bodenständigkeit. Hauptsache, es geht überhaupt wieder auf den Kunstrasen. Doch auf der Anlage des Düsseldorfer HC, für den die gebürtige Krefelderin nach einer gründlichen Stock-und-Ball-Ausbildung beim Club Raffelberg in Duisburg sowie dem Wechsel nach Oberkassel spielt, werden Zuschauer fehlen. Erst am Montagabend war nach einem erneuten, vom Weltverband FIH vorgeschriebenen Test klar: Es darf gespielt werden, denn auch die zweite Reihe ergab nur negative Ergebnisse. Was für Oruz und Co. gleichwohl positiv ist.
Sieben Monate sind eine lange Phase, in der die Motivation durch die verschobenen Olympischen Spiele von Tokio strauchelte. Sie erwiesen sich aber auch als ein unverhofftes Zeitreservoire, das die Medizinstudentin nutzte, um ihre Doktorarbeit einzureichen. „Eine gute Entscheidung“, sagt Oruz, nun ist der Kopf der 105-maligen Auswahlspielerin wieder frei für Hockey.
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Athletik und Einsatz werden gegen die Belgierinnen stimmen, keine Zweifel. An der technischen Umsetzung und am Spielverständnis dürfte es nach Monaten des isolierten Trainings jedoch hapern: „Es war ein wichtiges Gefühl, zwischendurch den Schläger immer wieder in die Hand zu nehmen, um dran zu bleiben, den Touch nicht zu verlieren. Aber Übungen sind schon leichter umzusetzen, wenn ein, zwei Mitspielerinnen dabei sind.“
Unerwartet gleiche Voraussetzungen
In großer Runde kommen die deutschen Hockeydamen eh nicht allzu häufig zusammen. An Bundesleistungsstützpunkten wird dezentral gearbeitet, das ist in kleineren Ländern wie Belgien und den Niederlanden anders. Corona hat aber auch dort alles durcheinandergewirbelt, „für die kam das alles sicher abrupter als für uns, denn die trainieren wöchentlich zusammen“. So seien die Voraussetzungen nun für beide Teams gleich, was für zusätzliche Spannung sorge. Nach sechs Tagen Vorbereitung ließe sich aber festhalten: „Man merkt, dass wir nicht direkt aus einer Corona-Krise kommen.“ Jetzt hofft Selin Oruz nur noch, dass Bundestrainer Xavier Reckinger bei der Analyse nach den Spielen am Mittwoch die gleiche Perspektive einnimmt wie sie.