Dortmund. Bei den Männern ist der THW Kiel Meister, der BVB bei den Frauen nicht. Unverständlich für BVB-Kapitänin Grijseels. Und für den Landessportbund.

Die erste Wut ist verflogen, der große Frust aber bleibt. Vier Tage ist es nun her, seit die Handball-Bundesliga der Männer die Saison aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen und den THW Kiel zum Meister ernannt hat. Vier Tage ist es her, seitdem auch die Handball-Bundesliga der Frauen ihre Denkpause nach dem Abbruch Mitte März beendete und das weitere Vorgehen beschloss – ohne einen Meister zu benennen.

„Jeder Sportler will Meister werden“, sagt Alina Grijseels. „Wir stehen auf dem ersten Tabellenplatz, haben gut gespielt und viel in diese Saison investiert – da wäre es schon verdient, sich Deutscher Meister nennen zu dürfen.“ Alina Grijseels ist Spielmacherin und Kapitänin von Borussia Dortmund. Jenem Team, das ganz oben in der Tabelle stand, als die Saison für beendet erklärt wurde. Acht Spieltage waren da noch zu spielen, angewendet wurde die Quotientenregelung zur Ermittlung der Endtabelle. Alles genauso, wie es in der Bundesliga der Männer gehandhabt wurde. Mit dem Unterschied, dass die Männer einen Meister haben und die Frauen nicht. „Wir waren überrascht“, sagt die 24-jährige Grijseels dieser Zeitung, „dass es solch einen Unterschied zwischen Männer- und Frauenliga gibt. Das ist unverständlich.“

BVB-Präsident Rauballs drastische Worte

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Andere wählen drastischere Worte. Borussia-Dortmund-Präsident Reinhard Rauball sprach von „Anzeichen einer Diskriminierung“. BVB-Handball-Abteilungsleiter Andreas Heiermann wählte eine ähnliche Wortwahl. So weit will Alina Grijseels, in Duisburg aufgewachsene Nationalspielerin, aber nicht gehen. „Diskriminierung ist ein sehr, sehr großes Wort. Ich möchte eher von Ungleichbehandlung sprechen.“

So sieht es auch Dr. Eva Selic, Sprecherin der Frauen im Landessportbund NRW. „In diesen schwierigen Zeiten ist vor allem ein gewisses Gespür für mögliche Befindlichkeiten von Vorteil, das sich bei dieser Entscheidung leider nicht wirklich erkennen lässt“, sagte sie dieser Zeitung. „Der Sport lebt von Anerkennung und gleichberechtigtem Handeln, das sich somit auch die Dortmunderinnen verständlicherweise gewünscht hätten.“

BVB zeigt Unmut mit Bart-Protest

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Ihren Unmut zeigten die BVB-Frauen jüngst auch in den sozialen Netzwerken. Mit Fotos, auf die sie Bärte gemalt und einen Satz hinzufügt hatten: „Wäre ich ein Mann, wäre ich jetzt Deutscher Meister.“

Dazu muss erklärt werden: Die Bundesliga der Männer (HBL) und die der Frauen (HBF) werden von unterschiedlichen Personen geführt und können somit zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen. Es habe lediglich eine Empfehlung des Bundesrates des Deutschen Handballbunds angesichts der aktuellen Situation gegeben, erklärt Andres Thiel, früherer Weltklasse-Torhüter und HBF-Vorstandschef. „Ich habe da nirgendwo gelesen, dass ich einen Meister benennen muss.“

Erklärung der Liga trifft auf Unverständnis

Die Erklärung der HBF: Es sei noch fast ein Drittel der Saison zu spielen, in dem auch das Spitzenspiel zwischen Dortmund und Verfolger SG BBM Bietigheim stattgefunden hätte. Der BVB hatte lediglich einen Punkt Vorsprung in der Tabelle. „Diese Begründung stellt nicht wirklich zufrieden“, sagt Alina Grijseels. „Wer weiß, ob es nur auf dieses Spiel angekommen wäre. Sowohl Bietigheim als auch wir hätten noch weitere starke Gegner gehabt. Und: Bei den Männern hätte auch Kiel noch das eine oder andere Topspiel gehabt.“