Essen. Die deutschen Volleyballklubs blicken in eine ungewisse Zukunft. Die Saison ist beendet, Spieler flüchten.
Rein formal war für den Volleyball in Deutschland die Angelegenheit sehr früh geklärt. Bereits am 12. März erklärten die Verantwortlichen die Saison für beendet, wenige Tage später waren auch die Fragen nach Meisterschaft und Absteiger entschieden. Es gibt in dieser Saison keine.
Volleyball-Verband und Volleyball-Bundesliga (VBL), die Organisation des Spitzensportbereichs, waren sich in der Angelegenheit schnell einig: „Die aktuelle politische und gesellschaftliche Lage lässt den Sport in den Hintergrund treten“, sagte Gerald Kessing, Bundesspielwart des deutschen Volleyballverbandes stellvertretend für beide Organisationen, die es nicht für angemessen gehalten hätten, dass im Sport in Zeiten der Corona-Pandemie ein „Meister gekürt“ wird. Auch absteigen soll kein Team. Mindestens für eine Saison werden die Ligen also aufgestockt. Geklärt werden muss noch, in welchem Zeitraum wieder zum „Normalzustand“ zurückgekehrt werden kann.
Solidarität überwiegt
So schnell und unkompliziert die Entscheidungen beim deutschen Volleyball gefällt worden waren –die eigentlichen Probleme fangen jetzt erst an. Die deutschen Volleyballklubs teilen – bis auf sehr wenige Ausnahmen – das Schicksal der meisten Sportarten jenseits des Fußballs: Das Geld ist knapp. „Für viele Vereine ist die Situation bedrohlich“, sagt André Wehnert, VBL-Vizepräsident, Sprecher der Frauen-Bundesliga und Geschäftsführer der Roten Raben Vilsbiburg: „Die Beeinträchtigung trifft unsere kleine Liga mit ihren Vereinen hart. Daher sind wir dankbar, dass es staatliche Hilfen gibt, die die Klubs in Anspruch nehmen können.“
Volleyballklubs suchen Hilfe
Konkret heißt das, dass die Klubs Möglichkeiten staatlicher Zuschüsse suchen, Kurzarbeitergeld beantragen, prüfen, ob es sinnvoll ist, Steuerschulden stunden zu lassen. Zumindest bei den Frauenteams überwiegt in der Zeit gemeinschaftlicher Existenzängste die Solidarität. Die Klubs tauschten bereits „Tipps“ bei einer Telefonkonferenz aus, wie mit der Krise umgegangen werden kann. Gerade bei den Frauen gibt es beim Volleyball keine „reichen“ Klubs, eher arme und ganz arme: Die Angst vor dem gemeinschaftlichen Untergang vertreibt in Tagen der Corona-Pandemie jeglichen Konkurrenzgedanken.
Den Zustand der Sportart beschreibt der Umstand recht gut, dass sich sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen vor dem Nothalt wegen des Corona-Virus überhaupt nur jeweils ein Klub an dem Lizenzierungsverfahren für die erste Liga beteiligt hatte. Nur wenige können sich schon im Normalzustand den Luxus 1. Bundesliga finanziell leisten.
Viele Klubs beschreiten jetzt Wege, die Vereine in anderen Sportarten auch gehen. Über die Sozialen Medien wird versucht, den Kontakt zwischen Verein und Spielerinnen auf der einen Seite und Fans auf der anderen Seite aufrechtzuerhalten. Massiv wird für Fan-Shops und Geisterspiele, also Spenden mit anderen Mitteln, geworben.
Denise Hanke, Kapitänin der Nationalmannschaft in Diensten des deutschen Spitzenklubs Palmberg Schwerin, erzählt daher auf der Klubwebseite offen, wie die Situation bei den Spielerinnen aussieht: „Wenn ich von anderen lese, dass Verträge aufgelöst und alle nach Hause geschickt wurden und beim SSC hieß es: Macht euch keine Sorgen, ihr bekommt eure Gehälter. Das kann man sich nicht besser wünschen. Da können wir uns echt glücklich schätzen.“
Tatsächlich haben andere Klubs Spieler und Spielerinnen bereits nach Hause geschickt. Ganz. Pokalsieger Dresden beispielsweise löste gleich alle zum Saisonende endenden Verträge auf. Unter anderem die US-Amerikanerinnen Brie King und Kadie Rolfzen sind sehr schnell Richtung Heimat aufgebrochen.
Ende für die Alpenvolleys?
Insbesondere bei den Spielerinnen aus dem Ausland mischte sich die Fürsorge, die Betroffenen nach Hause gehen lassen zu können, mit einer gewissen Erleichterung, ohne größere Diskussionen Gehaltskosten zu sparen.
In einer Sportart, die ohnehin von der Hand in den Mund lebt, sind Spielerabgänge am Ende der Saison aber nicht so ungewöhnlich, wie auch Denise Hanke erzählt: „Es ist ja jedes Jahr so, dass wir auseinander gehen. Und es ist immer traurig. Aber sonst hat man die Play-offs-Wochen, die darauf hinauslaufen. Da kommt das schleichend, dann ist es okay. Jetzt war es so erdrückend, so schnell und auch sportlich unbefriedigend.“
Folgen auch beim Volleyball nicht absehbar
Auch wenn die Volleyballer mit den formalen Entscheidungen sehr schnell waren, blicken sie also genau wie alle anderen in eine sehr ungewisse Zukunft. Sportlich, aber auch ganz grundsätzlich, wie Guido Heerstraß, Geschäftsführer beim VfB Friedrichshafen, stellvertretend für alle Vereine auf der vereinseigenen Webseite zusammenfasst. Die wirtschaftlichen Folgen seien „in einer noch nie dagewesenen Situation“ noch nicht absehbar: „Zunächst müssen wir schauen, wie groß der Schaden tatsächlich ist.“
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Wer die Klagen der wirtschaftlich ungleich stärkeren Fußballklubs zur Kenntnis nimmt, kann einen weiteren Satz Heerstraßs nur mit dem schön altmodischen Begriff des „Pfeifen im Waldes“ umschreiben: „Im Anschluss daran müssen wir mit aller Kraft daran arbeiten, die Auswirkungen der Krise so gering wie möglich zu halten.“
Der Ausgang ist jedoch ungewiss. Bei den Alpenvolleys, ein Konstrukt, das einem österreichischen Klub erlaubte, in der Bundesliga anzutreten, um auf sich auf höherem Niveau beweisen zu können, überlegen sie nach drei Jahren jetzt, den Stecker gleich ganz zu ziehen. Geschäftsführer Hannes Kronthaler will in diesen Tagen entscheiden, ob es weitergehen kann.
Manager Kronthaler ahnt, dass es schwierig wird für den deutschen Volleyball: „Das Problem ist, dass sich im Moment niemand richtig auskennt“, sagt der Funktionär, der ergänzt, „das diese Situation für den Sport allgemein eine Katastrophe“ sei, die „mindestens noch für „ein Jahr nachwirken“ werde. Rote-Raben-Manager Wehnert: „Wir haben den Spielbetrieb eingestellt, wissen aber noch gar nicht, was kommt.“
Kleine Lichtblicke
Es gibt aber auch Optimisten beim deutschen Volleyball, kleine Zeichen von Normalität: Die Finnin Roosa Koskelo verkündete in einem kurzen Video, dass sie zur kommenden Saison zu ihrem Klub MTV Stuttgart zurückkehren wolle und bei den Männern verlängerte Düren am Freitag mit Tobias Brand. Der 21-Jährige ist zwar eher Nachwuchsspieler und vermutlich einigermaßen günstig, aber immerhin.