Essen. Diesmal werden die Olympischen Spiele nur verschoben. Bevor Olympia 1940 ausfiel, trat Japan zurück - wegen der Auseinandersetzung mit China.
Die Verschiebung der Olympischen Sommerspiele 2020 geht nicht nur in die Sportgeschichte ein, weil es sich um die erste Verlegung Olympias in Friedenszeiten handelt. Tokio ist auch die erste Stadt, in der zum zweiten Mal die Olympischen Spiele nicht wie vorgesehen ausgetragen werden.
Diesmal konnte wegen der gefährdeten Gesundheit von Sportlern und Zuschauern durch das Coronavirus nicht länger am ursprünglich vorgesehenen Termin im Sommer 2020 festgehalten werden. Die Ausrichtung der an Tokio vergebenen Olympischen Spiele 1940 scheiterte dagegen an finanziellen und politischen Gründen.
Kein Geld mehr für Olympia
Der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg (1937-1945) verschlang so immense Kosten, dass die japanische Regierung den Großjapanischen Sportbund anwies, am 16. Juli 1938 dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) den Verzicht auf die Sommerspiele 1940 in Tokio und die Winterspiele 1940 in Sapporo zu erklären. Außerdem hatten einige Nationen wegen der japanischen Kriegsaktivitäten mit Boykott gedroht. „Wenn irgendwann einmal wieder Frieden in Fernost herrscht, können wir die Spiele zu uns einladen und der Welt den wahren japanischen Geist beweisen“, sagte Wohlfahrtsminister Kido Koichi. Als Ersatz wurden daraufhin vom IOC für Olympia 1940 die finnische Hauptstadt Helsinki (Sommerspiele) und Garmisch-Partenkirchen (Winterspiele) benannt. Wegen des 2. Weltkriegs fielen beide olympischen Großereignisse aus.
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Die Olympischen Spiele seien in einem 40-Jahre-Zyklus verflucht, sagte Japans Finanzminister und Stellvertretender Premierminister Taro Aso schon kurz vor der Verschiebung von Tokio 2020 ins nächste Jahr. Der Politiker meinte damit nicht nur das Aus für Tokio 1940, sondern auch Moskau 1980. Allerdings fielen die Sommerspiele vor 40 Jahren nicht aus, sondern litten unter dem Boykott von 65 Nationen, darunter auch die Bundesrepublik, nachdem die sowjetrussische Armee im Dezember 1979 in Afghanistan einmarschiert war.
Auch wenn 1940 nicht wie geplant in Japans Hauptstadt um Medaillen gekämpft werden konnte, veränderte allein schon das Bewerbungsverfahren die olympische Welt. Tokios Kampagne um die Austragung brach mit gewohnten Gepflogenheiten. Bis dahin war die Vergabe der Spiele eine fast interne Angelegenheit des IOC.
Als die Politik Einfluss nahm
Die Japaner nutzten seit der Bekanntgabe ihrer Bewerbung am 4. Dezember 1930 dagegen erstmals diplomatische Kanäle, um die Unterstützung für Tokio zu vergrößern. Ihren Hut für Olympia 1940 hatten auch Alexandria, Barcelona, Budapest, Buenos Aires, Dublin, Helsinki, Mailand, Montreal, Rio de Janeiro, Rom und Toronto in den Ring geworfen.
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Neu waren auch die politischen Absichten schon im Bewerbungsverfahren. Wahrscheinlich hatten sich die Japaner an den Olympischen Spielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen und Berlin orientiert. Während bei der Bewerbung und Vergabe an Deutschland 1931 sportliche Beweggründe im Vordergrund standen, veranstalteten die Nazis 1936 Propagandaspiele.
Japan, 1932 aus dem Völkerbund ausgetreten, wollte in Zeiten zunehmender Isolation die Spiele nutzen, um mit der Welt wieder Kontakt zu halten. Sie sollten ein Gegengewicht zu der von der Weltöffentlichkeit empfundenen japanischen Aggression bilden. Olympia 1940 sollte nicht nur den 2600. Jahrestag des kaiserlichen Herrscherhauses krönen, das sportliche Großereignis sollte auch erstmals außerhalb von Europa und den USA ausgetragen werden, um die Verbindung von östlicher Moderne mit westlicher Moderne zu demonstrieren.
Asien wird für das IOC interessanter
Im IOC fanden immer mehr Mitglieder Gefallen am Gedanken, Olympische Spiele erstmals in Asien auszutragen. Erstens sollte Olympia universeller werden. Schließlich lebten in Asien die meisten Menschen auf der Erde. Zweitens ließen sich die Japaner etwas Neues einfallen. Sie warben mit für die damalige Zeit moderner PR-Strategie. Fähnchen wurden an die Bevölkerung verteilt, auf Postern wurde für das Treffen der sportlichen Welt geworben. Und drittens luden die Japaner natürlich ohne Kosten Mitglieder des IOC nach Tokio ein, um ihnen die Schönheit des Landes und die Begeisterung der Bevölkerung zu demonstrieren. Einladungsreisen gehörten danach jahrzehntelang zur Voraussetzung für eine Bewerbung. Die Ausgestaltung kannte kaum Grenzen. Das Ergebnis am 1. August 1936 bei der IOC-Session in Berlin: Tokio gewann die Wahl gegen Helsinki mit 36:27 Stimmen.
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1964: Die Sportwelt ist zu Gast in Tokio
Doch zwei Jahre später gaben die Japaner freiwillig wegen der hohen Kosten für den Krieg mit China und des drohenden Boykotts die Ausrichtung der Spiele für 1940 zurück. Erst 1964 fanden dann wirklich Olympische Spiele in Tokio statt. Yoshinori Sakai, der am 6. August 1945 geboren wurde, dem Tag, an dem die erste Atombombe über Hiroshima abgeworfen wurde, entzündete das olympische Feuer. Diesmal muss Tokio nur ein Jahr auf die zweite Chance warten.