Essen. Martin Schwalb ist der neue Trainer der Rhein-Neckar Löwen. Bei den Mannheimern gibt es mehrere Corona-Infizierte – auch der Trainer gehört dazu.
Einst gewann er mit den Handballern des HSV Handball die Champions League und wurde Deutscher Meister, doch nach einem Herzinfarkt wurde es sechs Jahre lang ruhiger um Martin Schwalb. Bis vor drei Wochen, als der 56-Jährige als Trainer des Bundesliga-Topklubs Rhein-Neckar Löwen verpflichtet wurde – und nun Mitten in der wohl schwersten Krise des Klubs, ja der Bundesligageschichte steckt. Die Mannheimer sind besonders von Corona-Infektionen betroffen. Unter den Infizierten ist auch der neue Trainer selbst.
Herr Schwalb, die Rhein-Neckar Löwen waren in den jüngsten Tagen mehr als jedes andere Handballteam von Coronavirus-Infektionen betroffen. Erst wurde der Däne Mads Mensah positiv getestet, dann Nationalspieler Jannik Kohlbacher, dann weitere Spieler – und nun auch Sie. Wie tief sitzt der Schock?
Martin Schwalb: Geschockt bin ich nicht wirklich, denn damit musste man ja schon irgendwie rechnen. Wenn man täglich in Kontakt mit den Jungs ist und das Virus in der Mannschaft rumgeht, dann kann das schnell passieren. Aber was soll man machen? Hilft ja alles nichts. Ich fühle mich soweit aber ganz gut.
Schwalb: "Ich habe mich sofort testen lassen"
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Sie steckten gerade Mitten im Umzugsstress, als Sie die Nachricht über den positiven Test bekamen?
Ja, ich bin derzeit in Hamburg bei meiner Familie und nicht in Mannheim. Ich wollte das freie Wochenende nutzen, um meine Sachen zu packen und dann schnell wieder zu den Löwen zurückzukehren. Aber dann kam am Sonntag das positive Testergebnis von unserem Spieler Mads Mensah und da habe ich mich auch sofort testen lassen. Am Mittwoch kam dann das Ergebnis.
Für alle Skeptiker, die die Corona-Pandemie bisher nicht ernst genug genommen haben, sind die Rhein-Neckar Löwen ja geradezu ein Beispiel aus dem Lehrbuch: Man erkennt, wie schnell sich das Virus verbreitet und dafür gesorgt hat, dass sich sogar die Nationalmannschaft in Quarantäne befindet, weil ja der positiv-getestete Kohlbacher vergangene Woche noch mit im Trainingslager war.
Ja, das sieht man wirklich, es ist erschreckend. Deshalb der Appell an alle Menschen da draußen: Bleibt so weit es geht zu Hause, haltet Abstand, haltet Euch an die Regeln und Vorschriften der Behörden, damit wir die Verbreitung des Coronavirus verlangsamen können. Auch ohne körperliche Symptome kann man zum Überträger werden und somit zur Gefahr für seine Mitmenschen. Das geht einfach so unglaublich schnell und auch wir haben uns das ja nicht ausgesucht. Hoffen wir mal, dass alle ohne gesundheitlichen Einschränkungen aus der ganzen Sache rauskommen.
"Keiner weiß, was da noch auf uns zukommen wird"
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Die Handball-Bundesliga, ganz Deutschland, ja die gesamte Welt befinden sich derzeit im Ausnahmezustand. Auch für Sie, der als Spieler und Trainer schon so Einiges erlebt hat, ist das sicherlich eine Ausnahmesituation…
Absolut, keiner weiß, was da noch auf uns zukommen wird. Für uns heißt es nun: zu Hause bleiben, mal runterkommen, das Leben ein bisschen entschleunigen. Wir müssen sehen, dass nicht noch mehr Spieler und deren Familien erkranken. Das hat oberste Priorität.
Die Bundesliga ruht zunächst bis zum 22. April, internationale Spiele sind bis zum 12. April ausgesetzt. Die gesamte Löwen-Mannschaft befindet sich nun für zwei Wochen in Quarantäne. Wie geht es danach weiter?
Die Jungs haben Trainingspläne bekommen, um sich zu Hause fit zu halten. Alles Weitere weiß ich auch nicht, es weiß ja noch keiner so wirklich, wie es weitergehen wird.
"Solidarität und Zusammenhalt sind geboten"
Wie hält man Fitness- und Spielniveau ohne Wettkampf?
Irgendwie müssen wir ja versuchen, den Status aufrecht zu erhalten. Klar, wenn es dann wieder losgeht, braucht man ein wenig Zeit, um wieder in den Rhythmus zu kommen, aber das Problem hätten ja auch andere, die Voraussetzungen wären also für alle gleich.
Es gab Hilferufe von der Ligaführung und den Klubs, die sich durch die Corona-Krise in Ihrer Existenz bedroht sehen. Haben Sie Angst um den deutschen Handball?
Eine schwere Frage. Es ist mir schon klar, dass in dieser Phase Solidarität und Zusammenhalt geboten sind. Dass die Sponsoren, Fans und auch die Spieler zu ihren Vereinen halten müssen und jeder seinen Teil dazu beiträgt, dass wir diese Krise überstehen. Wenn jeder seinen Anteil trägt, hoffe ich, dass alles gut abläuft. Eine Gemeinschaft kann in schwierigen Zeiten wie diesen zeigen, wie stark sie ist, und nicht nur, wenn es allen gut geht. Ich hoffe, dass die Gemeinschaft die richtigen Lösungsansätze findet und die Menschen sich bewusst solidarisch verhalten.
"Nicht als großer Besserwisser auftreten"
Haben es Handball, Basketball, Eishockey und alle anderen Sportarten in dieser Krise schwerer als der Fußball?
Es gibt im Profihandball so unterschiedliche Grundvoraussetzungen im Vergleich zum Fußball – das kann und mag ich nicht vergleichen. Im Handball sind wir schon sehr stark auf Sponsoren- und Zuschauereinnahmen angewiesen. Wenn die wegbrechen, muss man sich einen anderen Weg überlegen, um die Existenz zu sichern. Entschuldigen Sie, ich bin da bewusst zurückhaltend in dieser Phase und will auch gar nicht auf andere Branchen zeigen. Ich will und kann jetzt nicht als der große Besserwisser auftreten. Das ist nicht meine Aufgabe und in diesen Stunden ohnehin nicht angebracht.
Glauben Sie noch eine geregelte Fortsetzung des Spielbetriebs oder befürchten Sie Geisterspiele oder gar ein vorzeitiges Saisonende wie in der Deutschen Eishockey-Liga?
Abwarten. Es gibt Fachkompetenz und genug Menschen in der Ligaführung und in den Klubs, die sich darüber Gedanken machen. Ich versuche, den Kontakt mit meinen Spielern zu halten und das Bestmögliche für Sie und die Familien zu gewährleisten. Ich wünsche mir natürlich, dass wir alles gut überstehen. Aber alle zehn Minuten kommt ja gefühlt eine neue Schreckensnachricht.
"Keinen Unsinn wie Toilettenpapier Hamstern"
Vor sechs Jahren legten Sie nach Ihrer erfolgreichen Trainerkarriere eine Pause auf der großen Bühne ein – Sie hatten einen Herzinfarkt. Ändert das die Sicht aufs Leben und lehrt Gelassenheit in Situationen wie dieser?
Ich bin ein sehr motivierter Mensch, das war ich schon immer, als Spieler und als Trainer. Und so habe ich auch jetzt die Motivation, aus dieser Situation das Beste zu machen. Das Beste ist jetzt, alles runterzufahren, entspannter und besonnener zu sein, mehr auf seine Mitmenschen zu achten und nicht solch einen Unsinn zu machen wie Toilettenpapier zu Hamstern. Das lehrt die Situation vielleicht. Ich glaube schon, dass man jetzt die Chance hat, zu zeigen, dass man ein guter Mensch ist und auf Andere achtet. Keine Ahnung, ob diese Denke mit dem Herzinfarkt zusammenhängt. Vielleicht (lacht).
Ihr erstes Spiel als Trainer der Rhein-Neckar Löwen war vor drei Wochen die Partie gegen den spanischen Klub Liberbank Cuenca im internationalen EHF-Cup. Wie fühlte es sich wieder an, am Seitenrand des Felds zu stehen?
Im Vorfeld war ich sehr angespannt. Es waren hektische Tage, meine Verpflichtung war ja auch eine sehr kurzfristige. Als ich dann aber wieder in der Halle stand, hat es sich ganz normal angefühlt. Da kam der Instinkt zum Vorschein, da funktioniert man einfach. Ich habe ja auch genug Erfahrung und weiß, was zu tun und zu lassen ist. Es war schon viel Freude dabei, ich habe mich sehr wohl gefühlt. Jetzt gibt es eine längere Atempause, aber irgendwann geht es ja auch wieder weiter.
"Es ist eine Herausforderung"
Sie hatten doch sicher in den vergangenen Jahren auch andere Angebote aus der Bundesliga. Warum haben Sie ausgerechnet bei den Löwen zugesagt?
Weil es einfach ein toller Verein und eine tolle Mannschaft ist. Als die Anfrage kam, habe ich sofort gedacht: Das ist es! Diese Mannschaft hat sehr viel spielerisches Potenzial, der Verein ist gut aufgestellt und die Erwartungen an den sportlichen Erfolg sind hoch. Es ist eine tolle Herausforderung.
Zuvor waren Sie Vizepräsident der Zweitliga-Handballer des HSV Hamburg. Ein Klub, den Sie nach der Insolvenz mitaufgebaut haben, mit dessen Vorgängerverein Sie als Trainer die Champions League gewonnen haben. Fiel der Abschied schwer?
Selbstverständlich, aber es ist ja kein wirklicher Abschied. Ich habe den Neustart in Hamburg nach der Insolvenz selbst federführend mit eingeleitet, mir liegt sehr viel an unserem Verein, den werde ich nicht im Stich lassen. Meine Ämter ruhen nur. Ich habe sehr viel Feedback von den Hamburger Fans bekommen, die gönnen mir die Chance bei den Rhein-Neckar Löwen. Das ist alles top.
Hoffnung auf Olympische Spiele
Ohnehin stellten sich die vergangenen Wochen als Rückkehr der „alten Haudegen“ heraus. Was denken Sie über Alfred Gislason als neuen Bundestrainer?
Das freut mich sehr für Alfred und ich wünsche ihm natürlich den maximalen Erfolg. Er verfügt über sehr viel Erfahrung und ich denke, in bestimmten Zeiten und Drucksituationen hilft solche Erfahrung enorm. Das ist im Nationalteam genauso wie bei einem Spitzenverein. Das fliegt einem nicht zu, das muss man lernen. Da ist Alfred eine tolle Wahl und ich drücke Alfred und der Nationalmannschaft alle Daumen, die ich habe.
Gislason hat einst für Tusem Essen gespielt, Sie auch in der Saison 1989 mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft und dem Triumph beim Europapokal der Pokalsieger. Haben Sie noch viele Erinnerungen an die Margarethenhöhe?
Na klar. Ich könnte Ihnen viele Geschichten erzählen (lacht). Das war damals ein sensationeller Verein mit tollen Typen, darunter der kürzlich viel zu früh verstorbene Torwart Stefan Hecker. Ich erinnere mich an jeden einzelnen, es war eine tolle Zeit in Essen, die werde ich nie vergessen.
Sie waren Teil der deutschen Mannschaft, die bei Olympia 1984 in Los Angeles die Silbermedaille gewonnen hat. Haben Sie noch die Hoffnung, dass es 2020 in Tokio Olympische Spiele geben wird?
Ich würde es mir wünschen, für den Sport und für die Menschen, dass wir in absehbarer Zeit wieder zur Normalität zurückkehren.