Foxborough. Die New England Patriots sind in der NFL bereits in der ersten Play-off-Runde gescheitert. Für Tom Brady könnte es das Karriereende bedeuten.

Tom Brady starrte in den Vorhang aus Nieselregen, als wäre vor seinen Augen die Welt eingestürzt. Eine Minute lang kauerte der Superstar des Footballs allein auf der Bank der New England Patriots und ertrug, wie in seinem Ballsaal die Titanen tanzten. War es das etwa? Der schmucklose, furchtbar bittere Abgang des größten Spielers in 100 Jahren NFL-Geschichte?

Brady über ein Karriereende: "Hoffentlich unwahrscheinlich"

Vielleicht. Oder, besser gesagt: eher nicht. „Ziemlich unwahrscheinlich“ sei es, dass er nach dem Play-off-Aus gegen die Tennessee Titans (13:20) seine Karriere beende, sagte der 42-Jährige mit blauer Wollmütze auf seinem Kopf: „Hoffentlich unwahrscheinlich. Ich werde die Zukunft nicht vorhersagen. Wer weiß schon, was sie bringt?“

Niemand weiß es - aber jeder will es wissen. Dutzende Fotografen und Kameraleute drängelten sich um das beste Bild des Quarterbacks nach einem Wild-Card-Spiel, das zu allem Überfluss mit einer Brady-Interception neun Sekunden vor Ablauf der Zeit geendet hatte. Ausgerechnet! Ein Fehlwurf der „Maschine“ in die Arme des Gegners, beim 11.615. Passversuch seiner 20-jährigen NFL-Karriere.

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Brady nahm es mit der Milde eines Mannes, der seine Hände als einziger Spieler mit sechs gleißenden Super-Bowl-Ringen schmücken kann. „So ist das, wenn man den Ball wirft“, sagte er lächelnd, „ein 99-Yard-Touchdown wäre schöner. Das wäre cool gewesen.“

Dass er auch diese Niederlage so cool nimmt, ist nicht anzunehmen. Brady gilt als erfolgsbesessen, als Teamplayer und Ehrgeizling, der dem Sieg alles unterordnet - auch sein glamouröses Privatleben mit drei Kindern an der Seite des Supermodels Gisele Bündchen, das im Gillette Stadium bei Popcorn aus der Tüte vergeblich bangte. Die gemeinsame Bostoner 1100-Quadratmeter-Villa steht für 39,5 Millionen Dollar zum Verkauf, was ebenfalls Gerüchte aller Art blühen lässt.

Auch Brees, Rivers und Rodgers sind in die Jahre gekommen

Die Hängepartie ist nicht neu: Nach jedem Triumph und jeder (seltenen) Pleite wurde in den vergangenen Jahren über das Ende der Karriere von „TB12“ spekuliert. Anders ist diesmal: Nach 20 Jahren und dem einmaligen Glücksfall der Zusammenarbeit mit Erfolgstrainer Bill Belichick wird Brady in der Offseason zum „unrestricted free agent“. Das heißt: Er kann ohne Einschränkungen mit jedem der 32 Teams verhandeln - und unterschreiben, wo er will.

Stets hat Brady betont, spielen zu wollen, bis er 45 ist. Doch im Football bricht ein neues Zeitalter an. Die alten, weißen, langsamen, fast nur passenden Quarterbacks wie Brady, Drew Brees (40), Philip Rivers (38) oder Aaron Rodgers (36) sind in die Jahre gekommen, eine neue Generation ist bereit, das Erbe anzutreten: hyperdynamische Spielmacher wie Lamar Jackson (22) von den Baltimore Ravens, die auch im Laufspiel eine Bedrohung sind (dual-threat). Die meisten Teams suchen Franchise-Quarterbacks, die über viele Jahre prägend sein können, niemanden, der zur neuen Saison 43 sein wird.

Brady hat die Patriots-Offense in der gesamten Saison nicht richtig ans Laufen bekommen, seine Statistiken sind rückläufig. Die 12-4-Bilanz ist auf die starke Defensive zurückzuführen, Brady gab den - allerdings meist fehlerfreien - Verwalter. „Ich liebe die Patriots“, sagte er nach seiner ersten Play-off-Heimniederlage seit acht Jahren.

Ob er zu seiner Liebe zurückkehrt, ist offen. (sid)