Essen. Gerwyn Price ist der Herausforderer von Michael van Gerwen. Der Waliser ist nicht beliebt, aber erfolgreich. Freitag steht er in Runde drei.
Der Mann aus Eis drohte zu schmelzen. Er schwitzte, sah besorgt aus, nippte nervös am Wasserglas und beobachtete die Aktionen seines Gegners genau. Gerwyn Price, den sie nur den „Iceman“ nennen, wirkte alles andere als cool. Sein Gegner William O’Connor bereitete dem Mann aus Wales vergangene Woche enorme Schwierigkeiten bei der Darts-WM. Knapp 3000 Besucher im Londoner Alexandra Palace blieben ungewohnt still angesichts der sich anbahnenden Sensation. Price, gebaut wie ein Baum, drohte zu kippen, der Mitfavorit auf den Titel stand in seinem ersten Spiel vor dem Aus. Dann warf O’Connor drei weitere Pfeile, dreimal aufs falsche Feld. Gerwyn Price schaute erstaunt zu – und nutzte den Blackout des irischen Gegners eiskalt aus. Als es darauf ankam, wurde der 34-Jährige seinem Spitznamen doch noch gerecht.
Darts-WM: Freitag gegen John Henderson
„Ich wusste, dass er auf das falsche Doppel wirft, aber ich habe ihn deswegen nicht an der Schulter angetippt“, sagte Price nach dem glücklichen 3:2-Sieg, der ihn in die dritte Runde brachte.
Dort trifft er heute auf den Schotten John Henderson (ab 20 Uhr/Sport1/DAZN). Price würde auch dem nächsten Gegner nicht auf die Schulter klopfen, keine Tipps geben. Price gilt als Darts-Rüpel, als Bad Boy der Tour, weil er sich nicht immer wie ein Gentlemen verhält. Er jubelt lauter und extrovertierter als andere, unter dem engen Shirt spannen sich dann die Muskeln, sein sonnenbankgebräuntes Gesicht verzehrt sich zur furchteinflößenden Grimasse. Als er deshalb vor einem Jahr mit Publikumsliebling Gary Anderson aneinandergeriet, sollte er eine Strafe von 21.500 Pfund (rund 25.071 Euro) zahlen. Durch einen Einspruch reduzierte sich die Zahlung auf 11.500 Pfund. Von den Zuschauern wird er seitdem regelmäßig ausgepfiffen.
Gerwyn Price spielt, um zu gewinnen
Gerwyn Price hat sich mit dieser Situation abgefunden, er spielt nicht, um zu gefallen oder um Freunde auf der Tour zu finden. Er spielt, um zu gewinnen. Darts betrachte er als Arbeit, die anderen Spieler als Arbeitskollegen, sagte er einmal in einem Interview mit der Welt. „Und seien wir ehrlich: Am Ende des Tages geht es doch darum, sich gegenseitig das Geld aus den Taschen zu ziehen.“
Geld verdient Price bei den gut dotierten Darts-Turnieren nun ohnehin mehr, als er es in seiner ersten Karriere tat. In der war Price Rugby-Spieler in der walisischen Premier Division, schaffte kurzzeitig sogar den Sprung zu den Glasgow Warriors in die multinationale Topliga Pro14. Er trug kurze Hosen, preschte auf die Gegner zu, verkeilte sich mit ihnen im Gedränge. Es wurde geklammert, geschwitzt und geblutet. Zufrieden war Price aber nicht, er verdiente knapp 40.000 Pfund pro Jahr, arbeitete deshalb in Teilzeit als Industrie-Isolierer auf Baustellen. Abends warf er in der Kneipe mit Stahlpfeilen auf die Scheibe. So gut, dass Darts-Profi Barrie Bates auf ihn aufmerksam wurde und ihm den Wechsel der Sportart empfahl. Von unterklassigen Turnieren arbeitete Price sich ab 2014 auf den dritten Weltranglistenplatz empor, in den letzten zwei Jahren kassierte er 689.250 Pfund (rund 817.000 Euro) an Preisgeldern, hinzu kommen Sponsoreneinnahmen und Antrittsprämien.
Großes Selbstbewusstsein bei der Darts-WM
Nachdem Price zuletzt den „Grand Slam of Darts“ gewann, gilt er als größter Herausforderer von Titelverteidiger Michael van Gerwen. Beide können erst im Finale aufeinandertreffen. Ohnehin ist Gerwyn Price sich sicher, dass es am 1. Januar „einen neuen Weltmeister geben wird“. Auch der Verband PDC hofft, dass der Muskelmann aus Wales der erste beständige Widersacher des niederländischen Dominators van Gerwen sein kann, seitdem sich Rekord-Weltmeister Phil Taylor vor zwei Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat.
Gerwyn Price hat sein Geld in Häuser investiert
An den Ruhestand denkt übrigens auch Price mit seinen 34 Jahren schon. Der Vater zweier Kinder legt seine Verdienste gut an, er besitzt mehrere Häuser in Wales, auf seiner Shopping-Liste stehen nun Ferienhäuser zum Vermieten. Jahr für Jahr möchte er zwei Häuser kaufen, mit 50 sei es ihm dann egal, wo er in der Weltrangliste stehe. An jenem runden Geburtstag wird es für ihn dann heißen: Game Over. Vielleicht als Weltmeister 2020.