Atlanta. Super Bowl: Das Football-Finale zwischen den Patriots und den Rams ist auch das Duell zweier verschiedener Spielmacher
Es ist das Duell Jung gegen Alt, routinierte Abgeklärtheit gegen Sturm und Drang: Wenn heute um 18.30 Uhr Ortszeit (0.30 Uhr, ProSieben, ran.de, DAZN) in Atlanta die New England Patriots auf die Los Angeles Rams treffen, dann ist das ein Duell der Generationen um die Krone des Footballs, den Super Bowl.
Zwischen Trotz und Zuversicht
Auf der Seite der Patriots, des fünfmaligen Champions der Profiliga NFL, herrschte in den Tagen vor dem Gigantentreffen eine Stimmung, die zwischen Trotz und Zuversicht schwankte. Trotz, weil das Über-Team der vergangenen 20 Jahre zwar zum dritten Mal hintereinander in den Super Bowl einzieht, aber die Niederlage gegen die Philadelphia Eagles aus dem Vorjahr noch sehr an den Stars nagt. Die 33:41-Pleite war nämlich unnötig und wurde in der Summe durch zwei Situationen entschieden, die Perfektionist Tom Brady hasst. Denn kurz vor Schluss wurde der Star-Quarterback der Patriots gesackt, das heißt, er wurde von Eagles-Abwehrmann Brandon Graham zu Fall gebracht und verlor den Ball. Auch sein letzter Wurf war ein verzweifelter Versuch, das Glück zu zwingen, ein sogenannter Hail-Mary-Pass. Hail Mary ist der englische Name für das katholische Ave-Maria-Gebet. Im Football steht der Begriff für einen langen Pass, der meist kurz vor Schluss geworfen wird, wenn es keine anderen Optionen mehr gibt, das Spiel zu drehen – und der meist daneben geht, wie es auch 2018 der Fall war, gegen die Philadelphia Eagles.
Im Angriff unberechenbar
Für die Football-Strategen der Patriots war dieser Kontrollverlust eine Schmach, an der das Team noch lange zu knabbern hatte. Derlei, so schwor man sich während der abgelaufenen Super-Bowl-Woche ein, solle und werde nicht noch einmal passieren. „It’s do or die“ formulierte Wide Receiver Julian Edelman kurz und bündig, „es geht ums Ganze“. Edelman ist die unverzichtbare Stütze, die Tom Brady als Spielmacher braucht. Die Beiden verstehen einander blind, sind zusammen mit Tight End Rob Gronkowski das Offensiv-Trio, dass die mannigfaltigen taktischen Winkelzüge aus dem Taktikbuch der Patriots in Sekundenschnelle umzusetzen weiß, wie zuletzt der Sieg im Halbfinale gegen die Kansas City Chiefs gezeigt hat. Ob Spielverzögerung oder Blitzangriff, die Patriots sind unberechenbar – und deshalb auch zuversichtlich, das Spiel zu gewinnen. Um den 29-jährigen Gronkowski ranken sich zudem Gerüchte, er wolle seine Karriere beenden – natürlich am besten mit dem Meisterschafts-Ring. Von derlei Gedanken ist Brady, der ewig junge Rekord-Quarterback, weit entfernt. Dieser Tage ließ der 41-Jährige durchblicken, er plane, bis 45 weiterzuspielen. Ein Versprechen für die Patriots, eine Drohung für den Rest der Liga. Der unheilbar ehrgeizige Brady will unbedingt den sechsten Ring, der ihn und sein Team zum Rekordhalter machen würde. Sechs Titel hat noch kein Spieler geholt – sechs Super Bowls bisher nur eine Mannschaft, die Pittsburgh Steelers.
Unterschiedliche Spielphilosophien: Jared Gott und Tom Brady
Als Spielmacher ihm gegenüber steht am Sonntag Jared Goff. Der 24-Jährige ist der jüngste Quarterback, der jemals in einem Super Bowl stand. Goff hat eine überragende Saison gespielt. Er warf 32 Touchdown-Pässe und erzielte in der Saison 4688 Yards Raumgewinn mit seinen Pässen. Brady kam „nur“ auf 29 Touchdowns und schaffte 4355 Yards. Was aber auch daran liegt, dass Goff lieber längere Bälle wirft, während Brady das Kurzpass-Spiel perfektioniert hat, mit dem der Ball effizient in Richtung Endzone gebracht wird. Goff ist auf jeden Fall der risikofreudigere Quarterback. Er warf in der abgelaufenen Saison auch 13 Pässe, die hätten abgefangen werden müssen und durchkamen – die statistikwütigen Amerikaner sind sogar in der Lage, Glück nach Zahlen einzuordnen. Dieses Glück brauchen die Rams auf jeden Fall am Sonntag, wollen sie die auf Perfektion geeichte Maschinerie der Patriots lahmlegen. Goff setzt gern auf spektakuläre Aktionen und Würfe, behält den Ball aufreizend lang in der Hand, was nichts anderes heißt, als dass er zu oft zu spät wirft – er ist also ein Hochrisiko-Spieler. Wenn die Rams mehr auf Wurfspiel denn auf Laufspiel setzen sollten, werden sie mit ziemlicher Gewissheit Opfer der effizienten Abwehr der Patriots. Aber das weiß natürlich auch der Trainerstab der Rams. Womit die Rede wieder auf Alt gegen Jung kommt.
Denn Cheftrainer Sean McVay ist mit seinen 33 Jahren der jüngste Cheftrainer, der es jemals in den Super Bowl schaffte. Ihm gegenüber steht der exakt doppelt so alte Chef-Stoiker der New England Patriots, Bill Belichick. Der 66-Jährige wäre mit seinem sechsten Super-Bowl-Ring der älteste Headcoach in einem Super Bowl. Genaugenommen hat Belichick bereits sieben Titel, denn zwei Ringe gewann er 1987 und 1991 als Defensive Coordinator der New York Giants. Ob so viel Jugend sich gegen so viel Routine durchsetzt? Einer, der es wirklich wissen sollte, sagt Nein. Und das ist ausgerechnet Kurt Warner. Der Mann, der als Quarterback den Rams (damals noch in St. Louis zu Hause) ihren bislang einzigen Super Bowl bescherte. Im Jahr 2000 gegen die Tennessee Titans – in Atlanta.
Warners Fazit: „Es wird ein enges Spiel, aber Brady wird wieder groß herauskommen und das Match entscheiden.“