Köln. Wegen einer Knieverletzung ist der WM-Traum von Martin Strobel beendet. Trotzdem verabschiedete er sich von den deutschen Handballern.
Am Tag danach wollten sie erstmal nichts mehr von Handball wissen. Bundestrainer Christian Prokop gönnte sich einen ausgiebigen Saunagang und Paul Drux freute sich auf einen Spaziergang am Rhein mit Freundin und Familie. Nach dem vorzeitigen Einzug ins Halbfinale dieser Weltmeisterschaft war am Dienstag Entspannung bei der deutschen Nationalmannschaft angesagt. „Wir haben zwar alle noch eine Menge Körner im Körper, aber jetzt ist es wichtig, ein bisschen runterzukommen“, sagte Drux.
Am Mittwoch trifft Deutschland auf Spanien
Dass sich der 23-Jährige einen Tag vor dem letzten Hauptrundenspiel gegen Spanien (20.30 Uhr, ARD) tatsächlich ohne einen seiner Teamkollegen auf den Weg durch Köln machen würde, war nur schwer vorstellbar. Denn eigentlich sieht man Drux dieser Tage fast nur in Kombination mit Fabian Wiede (24). Vereinskamerad, Zimmernachbar und bester Freund. Die beiden Rückraumspieler der Füchse Berlin sind ein beinahe unzertrennliches Gespann – was sie am Montagabend auch eindrucksvoll auf dem Feld demonstrierten.
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Als sie nach der schweren Verletzung von Martin Strobel 50 Minuten lang ein funktionierendes Spielgestalter-Duo bildeten und am Ende maßgeblich zum umkämpften Sieg gegen Kroatien (22:21) beitrugen. Eine Aufgabe, die auf die beiden Rückraum-Spezialisten bis zum Ende des Turniers zukommen wird. Denn für den 32 Jahre alten Strobel ist die WM nach Kreuzband- und Innenbandriss im linken Knie vorbei.
Der Rückraumspieler des Zweitligisten Balingen-Weilstetten verabschiedete sich am Montagabend von der Mannschaft, reiste am Dienstagmorgen aus dem Teamquartier ab. „Das war ein starkes Zeichen. Er hat sich trotz der schlimmen Diagnose vor die Truppe gestellt und sich für die geile Zeit bedankt.“, sagte Prokop.
Für Strobel wird der 22 Jahre alte Tim Suton in den Kader rücken. Der Rückraumspieler des TBV Lemgo soll die Lösung verstärken, mit der Prokop schon gegen Kroatien den Ausfall von Strobel kompensierte. Denn jetzt sind Drux und Wiede als neue Denker im deutschen Spiel gefragt. Als Mittelsmänner, die das Kreativitätsloch im Angriff stopfen und ihre Teamkollegen auf den Außenpositionen wieder ins Spiel bringen.
Gegen Kroatien waren Linksaußen Uwe Gensheimer und Rechtsaußen Patrick Groetzki über weite Teile der Partie vollkommen abgemeldet. In der Offensive fehlte es zudem an Wurfvarianten und Angriffsideen, die Chancenverwertung war ein wenig dürftig. Probleme, die Bundestrainer Prokop erst einmal nicht störten, vor dem Halbfinale am Freitag in Hamburg aber gelöst werden sollten.
Bundestrainer Prokop hofft auf Wiede und Drux
Und genau da hofft Prokop auf seine neuen Ballverteiler und Spielgestalter Wiede und Drux. „Das ist eine ungewohnte Rolle, aber ich hab Bock drauf“, sagte Drux. Das war dem 1,92 Meter großen Kraftpaket anzusehen, als es sich mit vollem Körpereinsatz durch die gegnerische Abwehr kämpfte und in der eigenen Defensive nicht mal einen kleinen Ringkampf am Boden scheute. Wiede hingegen überzeugte mit gewagten Pässen und einfallsreichem Spielaufbau – immer unterstützt von Drux. „Es ist schön, mit meinem besten Freund so ein Turnier zu spielen. Wir wissen, was der andere macht, was der andere braucht“, sagte Wiede.
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Was der 24-Jährige selbst braucht weiß auch sein Trainer. „Er ist das kreative Momentum in unserem Spiel. Dafür braucht aber auch kleine Freiräume“, sagt Prokop. Und in genau diesen Freiräumen müssen auch Fehler erlaubt sein. „Es ist wichtig, ihm Mut zu machen, damit er seine Kreativität nicht verliert“, weiß Prokop. Gegen Kroatien hämmerte Wiede das 19:19 in den Winkel, spielte einen diagonalen Risikopass auf Gensheimer, der das 22:20 Sekunden vor Schluss machte. „Das traut sich nicht jeder“, sagte Prokop. Und was sagt der Kreativkopf? „Der Arm der Schiedsrichter war oben, einer musste werfen. Und der Trainer sagt immer, wenn Zeitspiel ist, Hauptsache den Ball aufs Tor bringen.“
In der Welt des Fabian Wiede mag das so einfach sein. Aber er redet auch nicht gern über sich, seine Leistungen oder wie er sich gerade fühlt. Eigentlich redet er überhaupt nicht gern. Aber sechs Tore und eine Wurfquote von 100 Prozent sprechen ja auch für sich.
Und andere reden ja auch viel lieber über ihn. Torwart Andreas Wolff zum Beispiel: „Fabi hat ein unglaubliches Spiel gemacht.“ Oder Kumpel Drux: „Fabi ist der Kracher. Er ist so wichtig für uns.“ Und wenn DHB-Vizepräsident und Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning nach seinen beiden Schützlingen gefragt wird, ist er kaum zu stoppen. „Fabi und Paul sind wie Kinder für mich“, sagte der 50-Jährige stolz. Er kennt die beiden seit sie 14 Jahre alt waren, holte sie zu den Füchsen und formte sie dort zu dem, was sie jetzt sind: Nationalspieler auf Weltklasse-Niveau.