Essen. In Kanada können die Bürger Calgarys auf das Großereignis verzichten. Das IOC muss nun auf Schweden und Italien hoffen – und sich hinterfragen

In der dunklen Nacht Kanadas betonte Naheed Nenshi, Bürgermeister von Calgary, die positiven Dinge. Er habe in den vergangenen Wochen viele Menschen getroffen, in der Bahn, auf der Straße, die Fragen stellten, die das Thema nicht losließ, „leidenschaftliche Menschen, die über die Zukunft unserer Stadt sprechen“.

Einwohner Calgarys stimmen gegen Winterspiele

Die Zukunft wird anders. Aber ganz gewiss ohne Olympische Winterspiele sein. Zumindest in den nächsten zwölf Jahren. Die Bürger Calgarys haben sich in einer Abstimmung gegen eine Bewerbung für die Winterspiele 2026 entschieden. 56,4 Prozent waren dagegen, 43,6 dafür. In einer wintersportbegeisterten Nation wie Kanada. Austragungsort der Spiele 1988.

„Die Bürger haben gesprochen und sie haben klar gesprochen“, unterstrich Nenshi, selbst Befürworter des sportlichen Großevents und deshalb schon „ein bisschen enttäuscht“. Die schon heruntergepressten Gesamtkosten von 3,5 Milliarden Euro – die vergangenen Winterspiele in Pyeongchang waren doppelt so teuer – wirkten nicht nur auf Lokalpolitiker zu riskant, sondern auch auf die Menschen, die die Welt willkommen heißen sollten.

Das Votum fügt sich ein in den Gesamteindruck. Zuvor kam bereits für Sion und Tirol in einem Referendum das Aus. Davor mussten im Rennen um die Winterspiele 2022 unter anderem die Befürworter in Krakau, Oslo und München akzeptieren, dass die Mehrzahl wesentlich skeptischer ist. Schon die Wahlbeteiligung mit 28,9 Prozent war in München erschreckend niedrig, die Lust auf Winterspiele nicht viel höher. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, sprach von einer „Stimmung, die kein solches Großereignis zulässt“.

Olympia: Widerstand bei Mitbewerbern

Vier Jahre später hat sich diese Stimmung nicht groß geändert. „Es ist bedauerlich, dass die Bürgerinnen und Bürger in Calgary gegen eine Bewerbung gestimmt haben, weil Calgary ein erfahrener Olympia-Gastgeber mit zahlreichen bereits vorhandenen Wettkampfstätten ist“, sagt Hörmann auf Nachfrage dieser Redaktion.“ Für die Athletinnen und Athleten bleibt zu hoffen, dass es einen würdigen Ausrichter geben wird.“

IOC hofft für Winterspiele auf Schweden oder Italien

Also entweder Stockholm oder Mailand/Cortina d’Amprezzo. Über die verbleibenden Kandidaten soll das Internationale Olympische Komitee am 24. Juni In Lausanne entscheiden. Aber in Schweden regt sich in der Politik Widerstand, Steuergelder sollen dafür nicht fließen. Im hochverschuldeten Italien sieht es nicht besser aus. Es werde „keinen Euro, weder für direkte noch indirekte Kosten geben“, kündigte der stellvertretende Ministerpräsident Luigi Di Maio an.

Olympische Winterspiele sind eine Werbung mit Risiko. Der russische Präsident Wladimir Putin nahm das bereitwillig in Kauf und investierte in die Winterspiele in Sotschi 40,9 Milliarden Euro – Rekord. Vier Jahre später werden die aufgebauten Hallen im Badeort Sotschi nur noch selten gebraucht. Aber verheerender als der fehlende Nutzen wirkte sich außerhalb Russlands der Staatsdoping-Skandal aus. Milliarden für ein Mega-Event, das sich als Mega-Betrug herausstellt? Sotschi schürte das Misstrauen in Spiele und Führung.

Das IOC und der deutsche Präsident Thomas Bach forderten mehr Nachhaltigkeit. Die Spiele in Südkorea wurden günstiger, aber nicht günstig genug. Immerhin näherten sich Nord- und Südkorea an. Immerhin ein Friedenseffekt.

Auf das Referendum in Calgary reagierte das IOC mit Bedauern: Es sei enttäuschend, dass „die Argumente bezüglich der sportlichen, sozialen und langfristigen Vorteile“ nicht die Abstimmung beeinflussten. Genau die sahen die Bürger Calgarys nicht.