Kona. Zwist, Streckenrekord und Heiratsantrag: Ironman-Sieger Patrick Lange profitiert auf Hawaii von Extramotivation auf vielen Ebenen.
Hinterher hat Patrick Lange die Schirmmütze wieder richtig herum getragen. Und sie war dann auch wieder hellblau, was ein sehr farbenfrohes Motiv mit dem stacheligen Kranz ergab, der jedem Champion beim Ironman Hawaii zur Siegerehrung in Kona übergestülpt wird. Stunden nach seinem größten Triumph bekannte der erneut zum Ironman-Weltmeister gekürte Triathlet aus Darmstadt einigermaßen gefasst: „Es braucht wohl Wochen, bis das eingesunken ist.“ Denn noch nie hat ein Mensch für die Strapaze mit 3,8 Kilometer Schwimmen in der Bucht von Kailua-Kona, 180 Kilometer Radfahren raus bis zum Wendepunkt nach Hawi und 42 Kilometer Laufen bis zum Ziel am Alii Drive weniger als acht Stunden gebracht. Diese Marke galt schlicht als nicht erreichbar. So fern wie mehr als neun Meter beim Weitsprung oder unter zwei Stunden beim Marathon.
„Intensivster und schönster Tag aller Zeiten“
In der 41. Auflage ist es dem 32-Jährigen bei dem 1978 aus der Taufe gehobenen Event gelungen, mit der Fabelzeit von 7:52:39 Stunden den eigenen Streckenrekord aus dem Vorjahr noch einmal um fast genau neun Minuten zu drücken. Der ehemalige Physiotherapeut lief ein taktisch perfektes Rennen und nutzte die günstige Witterung – kaum Wind, erträgliche Temperaturen – für den fünften Husarenstreich eines deutschen Ironman hintereinander. „Es ist einfach Wahnsinn, ich hätte das nie gedacht.“ Nach der verletzungsbedingten Absage von Jan Frodeno, der bereits für 2019 ankündige, den Rest der „Eisenmänner“ fressen zu wollen, war beim Marathon die hoch gehandelte Konkurrenz weit und breit nicht mehr in Sicht.
Lange berichtete hernach ergriffen vom „intensivsten und schönsten Tag aller Zeiten“, weil er im Zielkanal ja nicht nur Sportbegeisterte berührte: Seit Wochen, ja Monaten hatte er mit sich ausgemacht, seiner Freundin Julia Hofmann – die früher seine Social-Media-Aktivitäten managte - einen Heiratsantrag zu machen. „Mir war klar, das mache ich, wenn ich gewinne. Das hat mich auch getragen, das Training noch härter anzugehen“, erzählte er. Im Zielbereich schleppte er sich mit letzter Kraft sie zu und bat um ihre Hand. Den Schwiegervater in spe habe er aufgrund der Spontaneität gar nicht um Erlaubnis fragen können. „Das werde ich dann wohl noch nachholen müssen“, sagte Lange grinsend im ZDF. „Ich hoffe, das geht klar.“
Sebastian Kienle steigt aus - Achillessehnenprobleme
Fast so kitschig wie im Hollywoodstreifen. „Es hat sich richtig angefühlt, denn sie ist die Liebe meines Lebens. Ich wusste es von der ersten Sekunde an“, schwärmte Lange, der sich von seiner früheren Lebensgefährtin Laura Sophie Usinger getrennt hatte, die als Sportwissenschaftlerin noch 2017 seinen ersten Coup auf Kona unterstützt hatte.
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Der in dieser Saison bei drei Ironman-Veranstaltungen (Kraichgau, Frankfurt und Rügen) sieglose Titelverteidiger nutzte für sich diesmal indes noch einen weiteren Schuss Extramotivation. Der zweite Antrieb war der vermeintliche Zwist mit seinem Landsmann Sebastian Kienle, der ihm im Vorfeld den Vorwurf gemacht, zu oft die Grenzen auszureizen und Strafen beispielsweise wegen Windschattenfahrens zu kassieren. Beinahe skurril, dass Kienle dann einen Raddefekt hatte, das Hinterrad tauschen und später wegen Achillessehnenproblemen sogar ganz aussteigen musste. Der 34-Jährige hat nun nicht mehr unendlich viel Zeit, seinen Hawaii-Sieg von 2014 zu wiederholen. Lange befand: „Das wurde zu groß aufgekocht. Ich habe mich aber beim Start mit Sebastian noch unterhalten. Ich habe sicherlich bessere Freunde, aber mich hat das zusätzlich motiviert.“
Spezialistentum macht sich positiv bemerkbar
Der scharfzüngige deutsche Doppelpass hat also stimulierend gewirkt, denn der Belgier Bart Aernouts kam erst nach mehr als vier Minuten Rückstand ins Ziel, mehr als acht Minuten wies der Brite David McNamee auf. Andere wie der Kanadier Lionel Sanders hatten in dieser komplexen Sportart durchgängige Probleme. In Langes Analyse durfte nicht fehlen, wie sehr ihm nach einer eher bescheidenden Schwimmleistung die Unterstützung seines Kumpels Andreas Dreitz geholfen habe. „Geilste Sau der Welt, ohne ihn wäre das nicht möglich gewesen. Er hat mich nach vorne gefahren“, lobte der König von Kona den 29-Jährigen aus Lichtenfels, der als zweitbester Deutsche am Ende auf Platz 13 landete.
Beim Sieger machte sich das Spezialistentum positiv bemerkbar: Der frühere Hawaii-Sieger Faris Al-Sultan ist als Trainer nur ein Helfer von vielen. Die Laufparameter überwacht Wolfgang Schweim, das Schwimmtraining begleitet Sean Donnelly, dazu sind allein drei Sportwissenschaftler beschäftigt, wovon sich zwei nur um die Radtechnik kümmern. Es passte zum perfekten Tag des Lange-Teams, dass der für die Gesamtstrategie zuständige Jan Sibbersen als Topschwimmer es tatsächlich schaffte, mit 46:30 Minuten die beste Schwimmzeit aller Zeiten aufzustellen. Der 43-Jährige, der schlussendlich nach 10:37 Stunden finishte, will nun künftig nicht mehr selbst auf Hawaii starten und kann sich ganz auf die Vermarktung des alten und neuen Hawaii-Heroen fokussieren.