Darmstadt. . Patrick Lange ist der König der Triathleten. Auf Hawaii startet er beim Ironman als Titelverteidiger

In kaum einer Sportart verlaufen die Grenzen zwischen Amateuren und Profis so fließend wie beim Triathlon. Was sich zum einen aus dem hohen Trainingsaufwand ergibt, zum anderen aber auch aus dem Mythos Ironman gespeist wird. Die Strapazen nach 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern Radfahren und 42,195 Kilometern Laufen mischen sich zu einem Gefühlscocktail, den Gleichgesinnte gerne teilen.

Nirgendwo scheint der Adrenalinstoß dabei so hoch wie auf Hawaii. Seit 1978 kämpfen die besten Triathleten im aufgewühlten Pazifik und in der glühenden Vulkanlandschaft um den WM-Titel. Patrick Lange ist als Titelverteidiger am Start, wenn an diesem Samstag in der Bucht von Kailua Kona mit einem krachenden Kanonenschuss um 6.35 Uhr Ortszeit (18.35 Uhr deutsche Zeit/ab 0 Uhr Sonntag, ZDF) für die mehr als 2000 Teilnehmer der längste Tag des Jahres beginnt.

Patrick Lange, plötzlich ein gefragter Mann

Der 32-Jährige erinnert sich gut daran, wie es ihm bei seiner Hawaii-Premiere 2016 erging. „Ich bin mit einem Grinsen aus dem Flieger ausgestiegen, und mein Auftrag war, mit einem Grinsen wieder einzusteigen.“ Als Neuling hatte er als Gesamtdritter die Marathon-Bestzeit der Ironman-Legende Mark Allen pulverisiert. 2017 krönte sich der Darmstädter dann mit einem Streckenrekord von 8:01:40 Stunden zum König von Kona. „Seitdem hat sich noch mal viel verändert“, sagt er.

Plötzlich saß der ausgebildete Physiotherapeut in Fernsehtalkshows neben Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg, plauderte auf einem Sofa mit dem heutigen Außenminister Heiko Maas oder bat ihn der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel um einen Termin. Zuhause im Nordbad räumten die Vereinskollegen des DSV Darmstadt freiwillig die Schwimmbahn frei.

Doch nirgendwo wirkt die Vereinnahmung so intensiv wie in der Woche auf Big Island, in der die Ironman-Szene ihr spezielles Lebensgefühl zelebriert. „Jeder, der mich hier sieht, feuert mich an. Egal, ob ich trainiere oder nicht“, hat Lange festgestellt. „Das gibt mir viel positive Energie.“

Vielen gilt der vom Altmeister Faris Al-Sultan trainierte Asket inzwischen als Vorbild: wie er sich aus voller Überzeugung vegetarisch ernährt, sich nie auf etwas Erreichtem ausruht und bestimmt nicht zum Abheben neigt. Nur aus medialer Sicht mag er im Vergleich zur charismatischen Überfigur Jan Frodeno beinahe zu bodenständig daherkommen.

Die verletzungsbedingte Absage des Hawaii-Champions von 2015 und 2016 betrachtet der in Bad Wildungen aufgewachsene Hesse „mit einem lachenden und weinenden Auge“. Bei der Nachricht, sagt Lange, sei er im Trainingslager in Texas „fast aus dem Bett gefallen“. Einerseits sei der größte Favorit damit aus dem Weg, andererseits bedauere er das Malheur: „Es ist eine Schande, wenn der dominierende Athlet nicht am Start sein kann.“

Der Ausgang des Ironman ist völlig offen

Der Ausgang der Tortur scheint nun völlig offen: Möglich, dass der unerbittliche Kanadier Lionel Sanders (30) diesmal den längeren Atem hat, dass der aufstrebende Schwede Patrick Nilsson (27) einen Generationswechsel einläutet oder dass sogar noch einmal Langes Landsmann Sebastian Kienle (34) als aktueller Sieger der Challenge-Konkurrenz in Roth ein zweites Mal triumphiert. Und dann gibt es ja auch noch den Spanier Javier Gomez. Der fünfmalige Weltmeister von der Kurzdistanz hat sich mit 34 Jahren für den Umstieg entschieden.

Der Ironman-Weltmeister selbst hat noch keinen Saisonsieg davongetragen. Doch im Höhentrainingscamp in St. Moritz habe es wieder begonnen „zu fließen“, wie Lange sagt. Zum Saisonhöhepunkt („Das ist das Rennen, das zählt“) würden Form und Fitness stimmen. Dennoch startet die Nummer eins mit verhaltenem Optimismus: „Ich sehe mich in der Lage, um den Sieg mitkämpfen zu können.“

Respekt vor der Szenerie

Im Feld der 53 Männer-Profis ertönen von manchen der bisweilen selbstverliebten Eisenmänner wieder effekthascherische Kampfansagen. „Es gibt einige Jungs, die stark auf die Brust trommeln“, so hat es auch Lange registriert. Er selbst ist anders. Sein Respekt vor der naturgewaltigen Szenerie ist zu groß, um einen Sieg hinauszuposaunen und vielleicht noch vorherzusagen, als erster Mensch auf der Trauminsel unter acht Stunden zu finishen. „Ich versuche, bei mir zu bleiben und mich nicht verrückt zu machen“, sagt Patrick Lange. Motto: cool bleiben. Was eingedenk der erwarteten Hitzeschlacht unter lauter Grenzgängern alles andere als selbstverständlich ist.