London. Jan-Lennard Struff hat in Wimbledon die zweite Runde erreicht. “Der Sieg gibt mir Rückenwind“, sagte er nach einem Fünf-Satz-Krimi.
Den angebotenen Stuhl nahm Jan-Lennard Struff gern, als er zum Mediengespräch in einem der kleinen Interviewräume im großen Medienzentrum von Wimbledon ankam. 3:29 Stunden Tennis bei 29 Grad im Schatten hatte der Warsteiner immerhin hinter sich bringen müssen, bis er in seinem Auftaktmatch bei den All England Championships in London den Argentinier Leonardo Mayer mit 3:6, 6:7 (5:7), 7:6 (7:5), 7:6 (7:5) und 6:1 ausgeschaltet hatte. Ein hartes Stück Arbeit lag also hinter dem Daviscupspieler aus Warstein. Umso erstaunlicher, wie klar dessen Analyse kurz nach dem Match ausfiel.
Struff dreht gegen Mayer einen 0:2-Satzrückstand
„Ich habe am Anfang wirklich nicht gut gespielt. Aber ich habe mich reingekämpft und immer an mich geglaubt. Und ich bin überzeugt, dass so ein Sieg nach 0:2-Satzrückstand mir mehr Rückenwind gibt als ein normaler Sieg“, sagte der 28-Jährige, für den es in dieser Rasensaison nach Erstrundenniederlagen in Stuttgart und Halle (Westfalen) der erste Sieg war. Tatsächlich hatte Struff im ersten Durchgang Probleme, sich auf die äußeren Umstände einzustellen. Der recht kräftig wehende Wind machte ihm ebenso zu schaffen wie der Naturrasen. Er schlug nicht gut auf, returnierte ebenso schwach und sah sich einem Gegner gegenüber, der bissig und ausdauernd seine Chancen suchte. Der 31 Jahre alte Mayer, Nummer 36 der Weltrangliste, ist zwar eher auf Sandplatz zu Hause, seine beiden ATP-Titel holte er am Hamburger Rothenbaum. Aber auch auf Rasen muss man aggressiv und dominant spielen, um seinen Widerstand zu brechen.
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Struff gelang das vor allem im fünften Satz, nachdem er im dritten und vierten Durchgang Nervenstärke im Tiebreak bewiesen hatte. „Mein Return kam von Satz zu Satz besser, aber erst im fünften Satz hatte ich das Gefühl, ihn richtig klar zu treffen. Ich bin bis zum Schluss konzentriert geblieben und hatte am Ende das Momentum auf meiner Seite“, sagte er. Körperlich sei ein Dreieinhalb-Stunden-Match auf Rasen nicht so fordernd wie auf Sand, „es gab ja kaum lange Ballwechsel“. Dennoch sei der Pausentag wichtig, um am Mittwoch in Bestform zum Zweitrundenmatch antreten zu können; seinem zweiten beim weltbekanntesten Tennisturnier nach 2013.
Sein Gegner dort ist der Kroate Ivo Karlovic, mittlerweile 39 Jahre alt und auf Rang 112 der Weltrangliste abgerutscht. 2009 stand der Aufschlagriese in Wimbledon aber immerhin im Viertelfinale. Einmal haben beide bereits gegeneinander gespielt, in der Qualifikation zum Mastersturnier in Miami (USA) siegte Struff auf Hartplatz 6:3, 6:3. „Mit seinem guten Service ist Karlovic unangenehm zu spielen, gerade auf Rasen. Aber ich nehme es, wie es kommt“, sagte Struff.
Ein mögliches Drittrundenduell mit dem Schweizer Grand-Slam-Rekordsieger Roger Federer kann der Weltranglisten-64. indes nicht vollends aus seinen Gedanken verdrängen. „Natürlich habe ich die Auslosung gesehen und gedacht, dass es schon geil wäre, hier gegen Roger spielen zu können“, sagte er, „aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, deshalb darf ich nicht weiter schauen als bis zum Mittwoch.“ Federer sorgte am Montag nicht nur durch seinen nach nur 79 Minuten locker herausgespielten 6:1, 6:3, 6:4-Auftaktsieg gegen den Serben Dusan Lajovic für Aufsehen, sondern auch durch einen neuen Ausrüstervertrag. Der japanische Konzern Uniqlo hat den 36-Jährigen, dessen Kontrakt mit Nike im März ausgelaufen war, als Markenbotschafter für zehn Jahre unter Vertrag genommen. Verdienst für Federer: rund 300 Millionen Dollar. Struff hatte dafür nur ein Wort: „Wahnsinn!“ Am Mittwoch wird er entsprechend hart weiterarbeiten, um den Hype um den Titelverteidiger selbst erleben zu können.