Melbourne. Tennis-Star Alexander Zverev ist bei den Australian Open in Melbourne nicht mehr der Jäger - sondern der Gehetzte. Und er weiß das.

Alexander Zverev weiß genau, was ihn bei den heute beginnenden Australian Open erwartet. Natürlich die heftige Gegenwehr seiner Konkurrenten, der Hamburger ist längst nicht mehr der Jäger in der großen Karawane der Tennisprofis, sondern der Gehetzte, der Getriebene, der Mann auf Platz vier der Weltrangliste.

Aber da sind auch die höchsten Ansprüche, die sich mit seinem Namen verbinden, die keineswegs mehr diskreten Spekulationen, er sei in Zukunft die Nummer eins dieses globalen Sports. „Ich höre nicht drauf, es hat keine Bedeutung für mich“, sagt Zverev, wenn er damit konfrontiert wird, „es hat schon so viele Wunderkinder gegeben, potenzielle Nummer-eins-Spieler, aus denen nichts geworden ist.“ Also sei es am besten, so gibt der 20-Jährige zu Protokoll, „man macht seine Arbeit, tut jeden Tag das Bestmögliche, um einmal ganz vorne zu stehen. Im Alltag kann ich mich nicht um diese Dinge kümmern.“

Zverev ist der Stärkste und Beste aus einer Altersgruppe von jungen Spielern, die von der Profigewerkschaft ATP gern im Marketingsprech als „NextGen“-Truppe bezeichnet wird. Im letzten Jahr veranstaltete die ATP sogar eine eigene Weltmeisterschaft für die Stars von Morgen in Mailand. Zverev, der Vorzeigespieler dieser Gruppierung, war nicht dabei. Er hatte es zum regulären ATP-Finale nach London geschafft.

Die Alten harren an der Spitze

Schaut man etwas genauer auf das vergangene Jahr zurück, dann war die sogenannte nächste Generation zwar in aller Munde – wieder und wieder brandete das Thema auf, speziell in Gestalt von Zverev, aber auch umgekehrt in Person des am frühen Erwartungsdruck scheiternden Nick Kyrgios. Es gab sie, die hoffnungsvollen Momente junger Spieler, aber eigentlich dominierten wieder die Alten das Geschehen. Roger Federer, der magische Comebacker und Titelverteidiger bei den Australian Open. Und der ewige Kämpfer und Dauerrückkehrer Rafael Nadal. Alle vier Grand-Slam-Titel nahmen sie in ihren Besitz. „Im Tennis verschiebt sich gerade alles in der Altersfrage“, sagt der Schwede Mats Wilander, einst selbst der Beste der Welt, „Spieler, die Anfang 20 schon so weit vorne stehen wie Zverev, sind eher atypisch.“ Den jungen Spielern blieb gerade auf den größten Bühnen das Nachsehen, im Herbst hatten viele auch offensichtlich körperliche Probleme. „Es ist alles noch ein großer Lernprozess für mich“, bilanzierte Zverev, „auch das Umgehen mit den Hochs und Tiefs. Das Leben auf öffentlicher Bühne ist oftmals schmerzlich.“

Der Durchbruch der neuen Generation ist auch 2018 nicht zu erwarten. Die Beharrungskräfte an der Spitze sind im Wortsinne stark. Zverev, der Ausnahmemann, hat angekündigt, nach einem eher schwachen Grand-Slam-Jahr 2017 nun bei einem Major triumphieren zu wollen – und damit der jüngste Grand-Slam-Champion seit Juan Martin del Potro zu werden (2009/US Open). Aber er könnte auch zum Prototyp einer Generation werden, die noch weiter warten muss.