Istanbul. Deutschlands Basketballer treffen im Viertelfinale auf Spanien. Die Iberer sind klarer Favorit - nicht allein wegen Superstar Pau Gasol.
Die schwarze Kapuze seines Pullovers hatte Dennis Schröder tief ins Gesicht gezogen, als er den kommenden Gegner beobachtete. Eine Gefühlsregung war nur schwer auszumachen bei Deutschlands bestem Basketballer bei dieser Europameisterschaft in der Türkei. Das Mienenspiel seiner Mitspieler Maodo Lo und Daniel Theis war schon leichter zu deuten: Sie waren beeindruckt von dem, was sie da am Sonntagabend auf dem Basketballfeld in Istanbul sahen. Beeindruckt vom Auftritt der Spanier, vom Spiel des Titelverteidigers, von der dominantesten europäischen Basketballnation des vergangenen Jahrzehnts. Von der Mannschaft, auf die sie am Dienstag im Viertelfinale treffen (17.45 Uhr/www.telekomsport.de).
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“Sie haben viele Titel gewonnen und tolle Spieler in ihren Reihen”, sagte Schröder anerkennend. Es würde allerdings nicht wirklich zur Persönlichkeit des 23-Jährigen passen, in Ehrfurcht zu verfallen. Und so schränkte Schröder direkt trotzig ein: “Wir können Respekt haben. Aber keine Angst. Es ist nun der Zeitpunkt des Turniers gekommen, an dem jeder jeden schlagen kann. Wir müssen 40 Minuten lang alles geben.” Ein Rezept, mit bereits die erste Überraschung gelang, als Schröder & Co. Frankreich im Achtelfinale ausschalteten und damit nach zehn Jahren wieder für den Viertelfinaleinzug bei einer EM sorgte. Nun will Schröder mehr. Bundestrainer Chris Fleming geht sogar noch einen Schritt weiter: “Wir stehen vor einer machbaren Aufgabe."
Gasol spricht vor ganz Europa
Trotzdem ist die Ausgangslage vor dem Viertelfinale schnell zusammengefasst - Deutschland ist klarer Außenseiter, die Spanier sind der Titelfavorit. Auch, weil Spanien Pau Gasol in den Reihen hat. Nach dem Achtelfinalsieg über die Türkei stand Gasol in der Interviewzone. Meist sprechen die Spieler dort vor den heimischen Medien, manchmal noch vor denen des Gegners. Vor einem überschaubaren Publikum. Als Pau Gasol nach dem Viertelfinaleinzug seines Teams sprach, tat er dies vor ganz Europa. Bei keinem anderen Spieler drängelten sich die Reporter aus verschiedenen Ländern so dicht wie vor Spaniens Superstar.
Kein Wunder: Pau Gasol ist einer der berühmtesten Sportler Spaniens, eine lebende Legende. Der 37-Jährige ist mit derzeit 1122 Punkten der beste Korbschütze der EM-Geschichte, dreimaliger Europameister und Weltmeister. Zweimal hat er mit den Los Angeles Lakers den Titel in der nordamerikanischen Eliteliga NBA gewonnen. “Nun geht es gegen Deutschland”, sagte Gasol. “Es wird keine einfache Aufgabe.”
Gasol liebt klassische Musik. Nur das Spiel mit dem Basketball beherrscht er noch ein bisschen besser als das auf dem Klavier. Sein Medizinstudium brach er ab - er war einfach ein zu guter Basketballspieler. Als er mit dem FC Barcelona alle europäischen Titel gesammelt hatte, ging er 2001 über den Atlantik in die NBA. “Er ist ein Ausnahmespieler. Pau hat einfach dieses Talent, das es nicht oft gibt”, sagt Spaniens Trainer Sergio Scariolo dieser Zeitung. “Ich kann nur dankbar sein, ihn im Team zu haben.”
Nach Olympia-Bronze soll es EM-Gold geben
Gasol ist für die Spanier das, was Dirk Nowitzki, 2015 aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, für Deutschland ist. Eine Identifikationsfigur, ein Botschafter seiner Sportart. Die Parallelen sind da: Sie spielen beide in Korbnähe, sind mit 2,13 Meter gleich groß, sie sind Anführer auf und eher ruhige und nachdenkliche Charaktere neben dem Spielfeld. Nowitzki ist zwei Jahre älter, mit seinen 37 Jahren hat aber auch Pau Gasol mittlerweile den Herbst seiner Karriere erreicht. Schon nach dem Olympia-Bronze von Rio 2016 kämpfte er mit Rücktrittsgedanken aus der Nationalmannschaft, nun aber will er noch einmal die Goldmedaille bei der EM gewinnen.
Doch ist der Spieler der San Antonio Spurs nicht Spaniens einzige Spitzenkraft aus der NBA. Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Marc (Memphis) ist einer der besten Centerspieler der weltbesten Liga und ebenso effizient wie die Hernangomez-Brüder Willy (New York) und Juancho (Denver), Ricky Rubio (Minnesota) und Sergio Rodriguez (Philadelphia). Den “Schlüssel zum Ferrari”, hat der Italiener Scariolo nach eigener Aussage als Spaniens Trainer. Einen Spieler hätte er allerdings trotzdem gerne in seinen Reihen: Deutschlands Dennis Schröder. “Er ist einer meiner Lieblingsspieler in der NBA. Er ist so schnell, dass er mir und meinen Spielern einiges an Kopfschmerzen bereiten wird.”