Pyeongchang. . Ein Jahr vor den Winterspielen in Pyeongchang stehen moderne Arenen. Doch die Tribünen bei den Generalproben in Südkorea bleiben bislang leer.
Auf dem Weg zum Olympia-Park in Gangneung fragt mich der Taxi-Fahrer, aus welchem Land ich komme. „Germany“, sage ich und versuche deutlich zu sprechen. „Germany?“, erwidert er fragend und glaubt, mich verstanden zu haben: „United States!“ Er hat mich nicht verstanden. Ich versuche es globaler. „Germany, das liegt in Europa“, antworte ich und der Taxi-Fahrer strahlt: „Europa? Ja, kenne ich!“
Bei den Olympischen Winterspielen in genau einem Jahr im südkoreanischen Landkreis Pyeongchang (9. bis 25. Februar 2018) geht es nicht nur um sportliche Meriten. Sie bieten offensichtlich auch die Chance, die Völker noch enger zu verbinden. Mit asiatischer Gründlichkeit haben die Organisatoren bei der zweiten Olympia-Austragung des Landes nach den Sommerspielen 1988 in der Hauptstadt Seoul die Sportstätten errichtet. Ein Jahr vor dem Entzünden des Olympischen Feuers sind alle Anlagen eröffnet.
100 Millionen Euro teure Arena
Offensichtlich haben sich an manchen Stellen Handwerker und Sportler die Türklinke in die Hand gedrückt. Im Gangneung Oval riecht es noch nach Farbe, als hier am 9. Februar die Eisschnelllauf-WM eröffnet wird. In der umgerechnet fast 100 Millionen Euro teuren Arena mit Platz für 8000 Zuschauer sind die Athleten begeistert. Die Veranstalter haben den kanadischen Eis-Spezialisten Mark Messer aus Calgary eingeflogen. Und prompt liefen die Kufenflitzer so viele Weltklasse-Zeiten wie noch nie auf einer Bahn im Flachland bei einem WM-Championat. „Meist ist es ja so, dass zu den Spielen dann die Qualität des Eises sogar noch besser ist“, sagt der Erfurter WM-Bronzemedaillengewinner Patrick Beckert.
In der 228 000 Einwohner großen Stadt Gangneung, 2018 der Austragungsort für die Eis-Wettbewerbe, künden hier und da die Olympischen Ringe oder die Maskottchen der Spiele vom Großereignis im kommenden Februar. Unübersehbar aber thront der Olympiapark mitten in der Stadt und garantiert Spiele der kurzen Wege. Nur wenige Meter sind Eisschnelllauf-Oval, Eiskunstlauf-Arena oder Eishockey-Stadion voneinander entfernt. Draußen vor den Hallen strahlt die Sonne. Eigentlich fehlt nur der Schnee.
Der aber bedeckt die gut sichtbaren Bergspitzen. Von hier unten ist die mit dem Bus eine halbe Stunde entfernte Bergkette gut zu erkennen. Dort oben in der eigentlichen Stadt Pyeongchang fallen die anderen Entscheidungen, wie zum Beispiel im Skispringen, Langlauf, Biathlon, Ski alpin oder auf der Bob- und Rodelbahn. Auch hier warten Spiele der kurzen Wege. „Die Bauarbeiten an den zwölf Wettkampfstätten inklusive der sechs Neubauten sind zu 99 Prozent fertig“, sagt der Chef des Organisationskomitees (POCOG), Lee Hee Beom.
Geringeres Budget als Sotschi
Das Budget der Winterspiele beträgt 11,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In Sotschi vor drei Jahren waren es 51 Milliarden Euro. Trotz aller Wirtschaftskraft des Landes sind die Spiele eine erhebliche Energieleistung. Allein die Neubauten kosten 611 Millionen.
Pyeongchang, bereits 2009 Ausrichter der Biathlon-Weltmeisterschaft, hatte im Juni 2011 in Durban gleich im ersten Wahlgang mit 63 Stimmen den Zuschlag erhalten und damals München und Annecy/Frankreich ausgestochen.
Um die Wintersport-Region Pyeongchang mit der Stadt Gangneung vom internationalen Flughafen Incheon nahe der Hauptstadt Seoul zu erreichen, wird Ende des Jahres eine Hochgeschwindigkeitsstrecke der Eisenbahn eröffnet, Fahrzeit eine Stunde. Bislang transportieren komfortable Fernbusse zum Preis von umgerechnet 30 Euro die Menschen in die 315 Kilometer entfernte Küstenregion im Osten des Landes.
Nicht viel weiter ist die Grenze des verfeindeten Bruders Nordkorea mit der Hauptstadt Pjöngjang entfernt. Vom Konflikt mit dem von der Welt weitgehend abgeschotteten Land ist in der Olympia-Region aber nichts zu spüren. Der jüngste Raketentest des kommunistischen Landes war dennoch Thema Nummer eins in den südkoreanischen Medien und mit der Hoffnung verbunden, der Konflikt möge sich in den kommenden Monaten nicht verschärfen. Fraglich ist zudem, ob ein Sportler aus dem Norden an den Spielen teilnimmt. 2014 in Sotschi fehlte Nordkorea.
Gähnende Leere bei Generalproben
Die Olympia-Organisatoren aber haben tatsächlich ganz greifbare Probleme zu bewältigen. Es gibt noch zu wenige Hotels. Und noch etwas stört erheblich. Von Olympia-Begeisterung, mal abgesehen bei den im Land populären Shorttrack-Wettbewerben, ist kaum etwas zu spüren. Als die Nordischen Kombinierer und Langläufer jüngst ihren Weltcup absolvierten, verirrten sich ein paar Versprengte ins Stadion. Bei der WM der Eisschnellläufer war die Arena ebenso leer. Dabei war der Eintritt frei.
Es wirkt noch immer so, als bliebe der Wintersport hier ein fremdes Wesen. Für Abhilfe soll nun die Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Kim Yu Na als Werbebotschafterin sorgen. „Wir müssen auf jeden Fall noch mehr tun“, sagt POCOG-Präsident Hee Beom. Allerdings hat auch der Korruptionsskandal um eine Vertraute von Staatspräsidentin Park Geun Hye die generelle Stimmung im Land getrübt.
Asiatische Gründlichkeit hat die Sportstätten wachsen lassen. Herzlichkeit und Vorfreude aber lassen sich eben nicht einfach entfachen.