Essen. . Andreas Sander aus Ennepetal will sich in den Top 10 etablieren. Nächste Chance: Mittwoch beim Super-G der Ski-WM in St. Moritz.
Zum Meer hätte er es näher gehabt als in die Berge. Doch Andreas Sander hat sich früh für die mühsamere Anreise entschieden. Unter der Woche rutschte er die heimische Teufelswiese herunter. An jedem Wochenende aber saß das Ruhrgebietskind bei seinen Eltern im Auto, um von Ennepetal in die Alpen und zurück zu kommen. 750 Kilometer eine Strecke. Alles für ein bisschen Training. Es hat sich gelohnt. Denn heute, mit 27 Jahren, gilt der Junge aus dem überschaubar bergigen Teil Preußens als große deutsche Speed-Hoffnung bei der Ski-WM in St. Moritz. Speed-Disziplinen – das sind die besonders spektakulären Wettbewerbe, der Super-G (Mittwoch, 8. Februar 2017, 12 Uhr/ZDF und Eurosport) und die Abfahrt (Samstag, 12 Uhr/ZDF und Eurosport). Hier werden 140 Stundenkilometer erreicht. Auf Skiern.
Junioren-Weltmeister 2008
Andreas Sander steht unter Strom. Eigentlich schon den ganzen Skiwinter lang, aber jetzt in St. Moritz ganz besonders. „Die Top 15 sind bei der WM mein Minimalziel, die Top 10 wären schön“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Er will die große, die größte Bühne, die ihm die Saison bietet, nutzen, um das einzulösen, was sich die deutschen Skifreunde schon lange von ihm versprochen haben. Vor neun Jahren wurde Andreas Sander Junioren-Weltmeister im Super-G, er galt damals als eines der größten Talente im Deutschen Skiverband. Doch was folgte, waren unerfüllte Träume, Verletzungen und Konkurrenten aus Österreich, Italien und der Schweiz, die in der Abfahrtshocke entspannt lächelnd an Sander vorbeizogen.
Die deutschen Skifahrer und die Speed-Disziplinen – nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft. Man muss lange zurückblättern, um die letzten schwarz-rot-goldenen WM-Medaillen bei den Männern zu entdecken: Irgendwann tauchen dann Florian Eckert mit Bronze in der Abfahrt 2001 auf und Markus Wasmeier mit Bronze im Super-G 1987. Da war Andreas Sander noch gar nicht geboren.
Lange sah es so aus, als müsste Ski-Deutschland weiter von der Erinnerung leben. Als Mathias Berthold 2014 von den erfolgsverwöhnten Österreichern loszog, um Cheftrainer der DSV-Männer zu werden, sagte er, dass er die Abfahrer so weit bringen werde, „dass sie 2018 bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang um die Medaillen fahren können“. Humor hat er ja, haben viele damals gedacht. Dann kam Andreas Sander.
Immer wieder tauchte er seitdem in den Punkterängen des Weltcups auf, fuhr im Dezember in Gröden auf Platz fünf im Super-G, sein bislang bestes Ergebnis. Die Österreicher, Schweizer und Italiener ziehen inzwischen nicht mehr lächelnd vorbei, sondern nehmen respektvoll zur Kenntnis, dass auch die Deutschen verdammt schnell Ski fahren können. Neben Sander gilt das auch für Josef Ferstl und Thomas Dreßen, die anderen beiden DSV-Fahrer. Der Westfale bleibt auf dem Teppich: „Wir gehören in St. Moritz nicht zu den Medaillenfavoriten“, sagt Andreas Sander, „aber das wellige und baumlose Gelände liegt mir.“
Von der Teufelswiese zur Corviglia
An die Teufelswiese in Ennepetal, auf der er schon in einem Alter mit Skiern unterwegs war, in dem andere noch krabbeln, dürfte ihn die Corviglia in St. Moritz nicht erinnern. So viel Ehrlichkeit muss sein. Aber seine Liebe zu den Speed-Disziplinen ist durchaus in seiner Kindheit gewachsen. Auf der überschaubar steilen Teufelswiese gab es einfach keinen Grund für das junge Skitalent, Kurven zu fahren und Tempo rauszunehmen.