Melbourne. Angelique Kerber ist bei den Australian Open bereits im Achtelfinale ausgeschieden. Jetzt könnte sie auch Weltranglistenplatz eins verlieren.

Immer wieder versicherte Angelique Kerber in der ersten Woche der Australian Open, natürlich könne sie besser spielen. Aber sie wolle sich nicht unter Druck setzen, und sie vertraue darauf, dass es von Spiel zu Spiel besser werden würde.

Doch wenn Gegnerinnen aufeinander treffen, von denen die eine an sich zweifelt und drei Runden lang nur mit überraschend großer Mühe gewinnt, die andere dagegen mit massivem Selbstbewusstsein aus der entgegen gesetzten Richtung kommt, dann spielt es keine große Rolle, wer die Nummer eins und wer die Nummer 35 ist.

So kam es, dass Coco Vandewe­ghe am Sonntag in Melbourne in zwei ernüchternd klaren Sätzen gegen Angelique Kerber gewann. Nur 68 Minuten brauchte die Amerikanerin zum 6:2, 6:3 gegen die Titelverteidigerin.

Beim Sieg zwei Tage zuvor gegen die weniger starke der Pliskova-Zwillinge, Kristyna, hatte Kerber zwar einen besseren Eindruck hinterlassen als in der Runde zuvor beim deutschen Spiel gegen Carina Witthöft. Besser, aber nicht überzeugend. Das Wort Zweifel kommt im Wortschatz der extrem von sich überzeugten Amerikanerin nicht vor, und das sieht man sehr deutlich auf dem Platz.

Von der früheren Fed-Cup-Chefin der Amerikanerinnen, Mary-Joe Fernandez, stammt die Aussage: „Viele Leute brauchen Siege, um Selbstvertrauen aufzubauen. Sie hat Selbstvertrauen, und das ist der Grund, warum sie gewinnt.“

Das hätte man in diesem Fall nicht besser beschreiben können.

Im vergangenen Jahr hatte sich Angelique Kerber nach dem abgewehrten Matchball in der ersten Runde mit jedem weiteren Sieg befreit. Diesmal war es so, dass die alles in allem nicht überzeugenden Siege die Last auf dem Weg zur erhofften Titelverteidigung von Tag zu Tag schwerer machten.

Ein Blick in ihr Gesicht zeigte schon Mitte des ersten Satzes, wie sehr sie zweifelte, wie verkrampft sie war. Nach wenig mehr als einer halben Stunde war der erste Satz weg, Colleen (Coco) Vandeweghe marschierte mit frechem Ausdruck und großen Schritten voran.

Kein Gefühl für den Ball

Im zweiten Satz saß es zehn Minuten lang etwas besser aus im Spiel von Angelique Kerber, doch als der anderen zwei, drei starke Punkte gelangen, war es gleich wieder vorbei. Ihre Bälle landeten in der Komfortzone der Herausforderin, die bedankte sich und knallte sie ins Feld. Vandeweghe holte Kerbers frühes Break auf, glich zum 3:3 aus, und der Rest ging dann sehr schnell. Sie zog auf 5:3 davon, schlug ein Ass zum ersten Matchball und registrierte dann mit einem interessierten Bick, wie Kerbers letzter Ball im Aus landete. Sie breitete die Arme aus, als wollte sie sagen: Na, Leute, wie hab ich das gemacht? War das schwer?

Hinterher gab Kerber zu, sie habe überhaupt kein Gefühl für den Ball gehabt, habe alles versucht, aber zuviel vergeben. „Es gibt gute und schlechte Tage, dieser war nicht gut.“ Sollte Serena Williams kommenden Samstag den Titel gewinnen, wäre Kerber die Führung in der Weltrangliste nach vier Monaten wieder los. Daran, so sagt sie, denke sie momentan nicht. Irgendwann aber sollte sie sich mit den Gründen für ihre Nervosität bei diesem Turnier beschäftigen. Eine Nervosität, die mal zugenommen hatte und dann wieder abgeflaut war, die aber nie ganz verschwand.