Oberhof. Simon Schempp gewann im Oberhofer Massenstartrennen vor seinem Teamkollegen Erik Lesser. 18 000 Fans verwandelten die Arena in einen Hexenkessel.

Im Ziel standen zwei Schornsteinfeger als Glücksbringer, als wären sie bestellt gewesen. Ein paar Meter weiter hüpfte Simon Schempp unter dem Jubel der 18 000 Biathlon-Fans auf das Podest, Sekunden später folgte Lokalmatador Erik Lesser und reckte seine Bretter glücklich in den trüben Oberhofer Himmel. „Meine Skier haben mir den Arsch gerettet“, sagte der Frankenhainer Skijäger später voller Zufriedenheit nach einem mitreißenden Rennen.

Triumphator Schempp hatte schnell realisiert, was sein erster Saisonsieg zu bedeuten hat.

„Dass zwei deutsche Biathleten ausgerechnet hier in Oberhof ganz oben stehen, ist wunderbar“, sagte der 28-Jährige, der für den ersten deutschen Männersieg seit 2012 in Oberhof gesorgt hatte.

Knapper Vorsprung

0,4 Sekunden hinter Schempp hatte Lesser mit einem unglaublichen Schlussspurt den ersten Podestplatz in diesem Winter erobert. Mit einem Vorsprung von einer Schuhspitze hatte sich der Thüringer im Duell mit dem Weltcup-Spitzenreiter Martin Fourcade ins Ziel gerettet. „Ich habe alles gegeben und wollte mich an diesem Sonntag unbedingt belohnen“, sagte Lesser.

Dahlmeier wird Zweite und blickt schon zur WM

Laura Dahlmeier (23) war erst am Samstag nach Thüringen gereist und schaute sich die schwere Strecke an. Am Schießstand aber war sie nicht. Kein Problem. Als es nämlich darauf ankam, gab sie sich nervenstark. Nur eine Patrone verfehlte das Ziel. „Beim Schießen lief es super“, sagte die Zollbeamtin aus Garmisch-Partenkirchen, die das neue Jahr begann, wie sie den Dezember beendet hatte – mit Rang zwei im Massenstart hinter der Tschechin Gabriela Koukalova.

Für Dahlmeier war der zweite Platz auch deshalb so wertvoll, weil sie wegen der hohen Belastung mit Blick auf die WM in einem Monat in Hochfilzen eine Wettkampfpause eingelegt und auf den Sprint und die Verfolgung in Oberhof verzichtet hatte. „Insofern war es nicht so einfach für mich. Ich wusste nicht genau, wo ich stehe“, sagte Dahlmeier erleichtert: „Ich habe alles richtig gemacht.“

Dass tags zuvor die in der Verfolgung hinter der Französin Marie Dorin Habert auf Platz zwei gelandete Koukalova ihr die Führung im Gesamtweltcup abnahm, war kein Problem.

„Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass das Gelbe Trikot für mich nicht das Allerwichtigste ist. Deswegen kann ich das jetzt getrost mal abgeben“, erklärte die Skijägerin vom SC Partenkirchen gelassen.

Im Gegensatz zu Dahlmeier kam Maren Hammerschmidt (Winterberg) am Schießstand überhaupt nicht zurecht, fabrizierte sechs Fahrkarten bei 20 Schüssen und fiel damit auf Platz 20 zurück. Trotzdem überzeugte sie in Oberhof. Nach Rang fünf zum Auftakt im Sprint landete die 27-Jährige in der Verfolgung auf Platz vier. Aber auch in diesem Rennen verschenkte sie am Schießstand mit drei Fehlern ein besseres Ergebnis. Franziska Hildebrandt (Clausthal-Zellerfeld) wurde Sechste im Massenstart. Laura Dahlmeier indes sieht sich auf dem Weg zur WM bestätigt. „Nach dem Weltcup in Nove Mesto war ich platt. Bis jetzt gibt mir der Erfolg recht“, sagte sie erleichtert.

Als er im Ziel völlig erschöpft in den Schnee fiel, wurde schnell klar, welche Bedeutung dieser zweite Platz nach drei fünften Rängen in diesem Winter hatte. Ausgelassen schlug er in den Schnee und ein kräftiger Schrei, der im Jubel der Massen unterging, war das deutliche Zeichen, dass Lesser ein Befreiungsschlag gelungen war: „Ich bin überglücklich.“

Riesenstimmung am Birxstieg

Zuvor erlebten die Fans in der ausverkauften Arena ein dramatisches Rennen. Bis zum letzten Schießen lagen Biathlon-Urgestein Ole Einar Björndalen (42) und der Thüringer an der Spitze, bevor dem Führungsduo jeweils ein Fehler unterlief und eine Spitzengruppe von fünf Skijägern auf die letzte Runde ging.

Als Lesser den Birxstieg hinaufkletterte, sah er seine Chancen schon schwinden, zumal er nun schon neun Sekunden Rückstand zur Spitze hatte und – mal wieder – zwischenzeitlich an fünfter Position lag. „Am Birxstieg ist es so laut, da spürst du deine Beine nicht mehr“, sagte der Thüringer: „Ich habe nur gedacht: Kopf runter und alles geben.“

Seine Skier waren so gut präpariert, dass er auf der Schlussrunde Meter um Meter aufholte – und getragen vom Publikum mit einer unglaublichen Energieleistung die Gunst der Stunde nutzte.

„Ich bin dankbar, dass ich hier in diesem Stadion das Podest erobert habe“, sagte der 28-Jährige.

Peiffer in der Verfolgung Zweiter

Schempp und Lesser hatten mit ihrem Doppelsieg ein perfektes Wochenende für die deutschen Männer gekrönt. Tags zuvor nämlich, als Lesser noch Fünfter geworden war, lief Arnd Peiffer hinter Fourcade im Verfolgungsrennen auf den zweiten Platz. „Ich freue mich riesig, zumal ich nach den beiden Fehlern im letzten Schießen gedacht habe, dass ich alles verspielt habe“, sagte der in Oberhof trainierende Ex-Weltmeister mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht: „Es war ein tolles Gefühl auf der letzten Runde, weil ich nicht mehr so viel Stress hatte und es genießen konnte.“

Erik Lesser derweil vergaß in der Stunde seiner großartigen Leistung nicht, bei wem er sich zu bedanken hatte. „Das Foto vom Zielsprint hänge ich für die Techniker in die Kabine“, sagte der Frankenhainer Sportsoldat.

In der Stunde des Triumphes ahnte er auch, dass dieses sensationelle Biathlon-Spektakel mehr bedeutete, als bloß einen deutschen Doppelsieg. „Geiles Wetter, perfekte Organisation. Die Zuschauer werden zufrieden nach Hause gehen“, sagte er in der Gewissheit, dass dieses Rennen dem Weltcup-Standort im Thüringer Wald viele Punkte gebracht haben wird.