Essen. . Sport wie Fußball oder Eishockey kann das Gehirn dauerhaft verletzen. So wie im Falle des ehemaligen Eishockey-Nationalspielers Stefan Ustorf.

Lange war Stefan Ustorf Kapitän der Eishockey-Nationalmannschaft. Er nahm an vier Olympischen Spielen teil, war sechs Mal Deutscher Meister, wechselte in die nordamerikanische Top-Liga NHL. Doch am Ende der Karriere wurde er von seinem eigenen Körper besiegt. Drei Jahre ist es nun her, dass der 42-Jährige einsehen musste: Nichts geht mehr. Neben Pokalen und Medaillen erinnern ihn bis heute auch diese Dinge an 22 Jahre als Profi auf dem Eis: „Schlafstörungen. Kopfschmerzen. Schwindel. Übelkeit. Temperamentsprobleme.“

Spätfolgen diverser Gehirnerschütterungen, die er sich beim Sport zugezogen hat, davon gehen seine Ärzte aus. Er selbst versucht, so gut es geht damit klarzukommen, kalkuliert aber ein, dass es sich um bleibende Schäden handelt. „Mein Ziel ist, dass die Symptome nicht schlechter werden“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Heute arbeitet er als Sportdirektor der Eisbären Berlin.

Große Gefahren im Football

Ustorf ist kein Einzelfall. Aber ein prominentes Beispiel dafür, was Zweikämpfe mit einem Sportler machen können. „Im American Football und Rugby sind Gehirnverletzungen besonders weit verbreitet“, sagt der Würzburger Neuropsychologe Dr. Andreas Eidenmüller. Deshalb sei in Amerika die Aufmerksamkeit schon längere Zeit sehr groß. Unter den in Deutschland beliebten Sportarten halten Experten Eishockey, Fußball und Handball für gefährlich. „Seit dem Fall Christoph Kramer wird auch hierzulande noch genauer hingeschaut“, erklärt Eidenmüller. Das Bild eines benommenen Fußballprofis im WM-Finale 2014 ging um die Welt: Ein Bodycheck hatte Kramer außer Gefecht gesetzt. Später kam heraus, dass der Mittelfeldspieler den Schiedsrichter in seiner Orientierungslosigkeit sogar gefragt hatte, ob er wirklich im Finale stehe.

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Einzelne Gehirnerschütterungen halten die Fachleute weniger für gefährlich. Die Gefahr dauerhafter Schäden liege in der Wiederholung. Vor allem dann, wenn eine Erkrankung nicht auskuriert wird. So wie es bei Stefan Ustorf der Fall war. „Ich habe zu oft weitergespielt, weil ich gar nicht wusste, dass ich eine Gehirnerschütterung habe“, sagt der ehemalige Eishockey-Profi. Gerade mal sechs Gehirnerschütterungen seien während seiner Karriere diagnostiziert worden – hinterher hätten Ärzte festgestellt, dass es aber bis zu 25 gewesen sein könnten. „Bei einer frischen Gehirnerschütterung oder einem leichten Schädel-Hirn-Trauma ist das Gehirn anfälliger für weitere Störungen“, sagt Neuropsychologe Eidenmüller.

Auch Millionen Amateurfußballer stehen im Fokus

Das Thema beschränkt sich nicht allein auf den Profisport. Woche für Woche treten Millionen Amateurfußballer vor den Ball. Es wird gegrätscht, gefoult und manchmal rasseln Köpfe aneinander. Aufgeben gilt nicht. „So werden Helden geboren“, sagt Dr. Ingo Helmich von der Sporthochschule Köln und erklärt ein Problem, das den Sportwissenschaftler schon lange beschäftigt. Auch Adrenalin und falscher Ehrgeiz können zu Gehirnerschütterungen führen. Deswegen testet Helmich gemeinsam mit Kollegen den Einsatz eines mobilen Untersuchungsgeräts, das Gehirnströme messen und Mannschaftsärzten schnell Hinweise auf eine Gehirnerschütterung liefern könnte. Er sagt: „Ideal wäre es, wenn so ein Gerät irgendwann an jedem Fußballplatz steht.“

In einer noch nicht veröffentlichten Studie kommt Helmich zu dem Ergebnis, dass Amateurfußballer und Handballer deutlich häufiger ein Gehirntrauma erleiden als Basketballer oder Volleyballer. Eine öffentliche Debatte hält er für wichtig. Ebenso wie Inga Katharina Koerte. Die Münchener Professorin, die derzeit in Boston forscht, geht noch weiter. Sie vermutet, dass schon das normale Kopfballspiel dem Gehirn schaden könnte.

Wie riskant ist der Kopfball?

Bei Untersuchungen ehemaliger Profifußballer habe sich gezeigt, dass die Rindenschicht des Großhirns dünner wurde, je mehr Kopfbälle ein Spieler in seiner Karriere gespielt hatte. Auch bei Krankheiten wie Alzheimer dünne diese Schicht schneller aus. Außerdem weist Koerte eine leichte chronischen Entzündung des Gehirns nach. „Es gibt Hinweise dafür, dass häufiges Kopfballspiel etwas mit den Auffälligkeiten zu tun haben könnte.“ Koerte sagt aber auch: „Noch fehlen Langzeitstudien, die beweisen würden, dass Kopfbälle schädlich sind.“

Der Deutsche Fußball-Bund hat das Thema auf dem Schirm, gibt sich aber in Sachen Kopfballspiel zurückhaltend: „Die meisten Kopfverletzungen erfolgen durch Zusammenstöße“, heißt es beim DFB.