Essen. . Der Schweizer verunglückte 2009 auf der Streif. Vor dem Weltcup in Kitzbühel spricht der frühere Skirennfahrer über Gefahren und Michael Schumacher.
Die Streif, ebenso legendär wie brutal. In der 75-jährigen Geschichte des Hahnenkammrennens in Kitzbühel ist die steile Skipiste für viele Skirennfahrer zur Mutprobe geworden. „Es wird einfach nicht flacher“, sagt Hannes Reichelt, Sieger des Jahres 2014.
Wenn sich die Weltcupabfahrer an diesem Samstag (11.45 Uhr/ARD) wieder mit über 100 Stundenkilometern Mausefalle und Steilhang hinunterstürzen, sieht einer von zu Hause zu: Daniel Albrecht. Vor sieben Jahren ist der heute 32-jährige Schweizer beim Zielsprung schwer verunglückt. Er lag im Koma, schwebte in Lebensgefahr. Danach konnte der Kombinationsweltmeister des Jahres 2007 nie mehr Fuß fassen. Im Interview mit FUNKE Sport spricht Albrecht über die großen Gefahren eines riskanten Sports.
Herr Albrecht, mit welchen Gefühlen werden Sie die Abfahrt in Kitzbühel verfolgen?
Daniel Albrecht: Die Streif ist für mich ein Rennen wie jedes andere, wenn ich mir das vor dem Fernseher ansehe. Emotional bin ich da nicht besonders gebunden, ich kann mich an meinen Unfall gar nicht mehr erinnern.
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Sind Sie nach Ihrem Sturz jemals noch einmal die Streif hinuntergefahren?
Albrecht: Nein, nie. Dabei hätte ich es gerne getan. Es hat sich nicht ergeben.
Wie sehr hat es Sie berührt, als Sie vor zwei Jahren von Michael Schumachers Unfall erfahren haben? Er hatte sich ja ähnliche Kopfverletzungen zugezogen wie Sie.
Albrecht: Wenn einer so bekannten Person wie Michael Schumacher so etwas passiert, möchte man möglichst viel darüber erfahren. Da geht es mir nicht anders als anderen Menschen. Für mich persönlich war es interessant, zu sehen, wie die Fans reagieren und mitbangen, weil ich das bei mir damals nicht mitbekommen konnte. Ich habe selbst an die ersten Wochen nach meinem Koma keine Erinnerungen.
Haben Sie Kontakt zu Schumachers Familie aufgenommen?
Albrecht: Ich habe mit dem Gedanken gespielt. Aber es wurde schnell kommuniziert, dass seine Frau eher ihre Ruhe haben möchte. Also habe ich es gelassen.
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Im Skiweltcup gibt es immer wieder schwere Stürze. Wird genug für die Sicherheit getan?
Albrecht: Man versucht vieles, um den Sport sicherer zu machen. Aber wir dürfen uns nichts vormachen: Das Skifahren gehört schon immer zu den riskanten Sportarten. Gewisse Gefahren wird es immer geben.
Was halten Sie denn von den neuen Airbags, die seit dieser Saison im Weltcup getestet werden?
Albrecht: Ich kann nicht genau beurteilen, wie ausgereift sie schon sind und vor welchen Verletzungen sie schützen. Grundsätzlich halte ich sie aber für eine gute Idee.
Bei der Abfahrt in Gröden kurz vor Weihnachten soll der Airbag beim Sturz von Olympiasieger Matthias Mayer Schlimmeres verhindert haben...
Albrecht: Das einzuschätzen, halte ich für schwierig. Mayer hat sich anscheinend Rückenverletzungen zugezogen. Wer kritisch ist, könnte die Frage stellen, ob vielleicht der Airbag genau diese Verletzungen provoziert oder doch Schlimmeres verhindert hat. Auch in meinem Fall, ich hatte damals ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, weiß ich nicht, ob ein Airbag das verhindert hätte.
Höher, schneller, weiter – wird der Geschwindigkeitsrausch im Spitzensport irgendwann sein Limit erreicht haben?
Albrecht: Ich halte es für möglich, dass die Rennen weiter schneller werden, da das Material immer besser wird. Wenn man auf Weltcupniveau Sport betreibt, sind die Folgen von Fehlern aber ohnehin oft gravierend. Da kommt es auf eine oder zwei Sekunden mehr oder weniger kaum an. Lebensbedrohliche Verletzungen sind aber zum Glück selten.
Sind solche Schicksale Einzelfälle, oder haben sie nicht auch mit Leistungsdruck und dem Wunsch zu tun, den Sport immer attraktiver zu machen?
Albrecht: Immer wenn sich ein Athlet schlimme Verletzungen zuzieht, stellt man sich die Frage, ob sich das alles überhaupt lohnt. Aufwand, Risiko und Ertrag halten sich nur bei wenigen Topcracks die Waage. Wer verletzungsbedingt zurücktreten muss, steht von heute auf morgen oft ohne Unterstützung und finanzielle Sicherheit da. Aber, ganz ehrlich, die meisten Sportler machen das ja nicht wegen des Geldes, sondern wegen der Leidenschaft. Ich habe schon als kleiner Junge meine Lehrerin erschreckt mit meinem Berufswunsch: Skirennfahrer.