Düsseldorf. . Am Samstagabend muss Wladimir Klitschko seine WM-Gürtel im Boxen-Schwergewicht in der Düsseldorfer Arena gegen den Briten Tyson Fury verteidigen.
Wladimir Klitschko hat in den vergangenen Jahren schon so manche Geschmacklosigkeit über sich ergehen lassen müssen. Einige seiner Gegner wollten mangels aufsehenerregender Vorstellungen im Ring durch wenig appetitliche Inszenierungen außerhalb des Seilgevierts auf sich aufmerksam machen. David Haye kam vor vier Jahren zur Pressekonferenz mit einem T-Shirt, auf dem ein Bild mit den enthaupteten Köpfen der Klitschko-Brüder Vitali und Wladimir aufgedruckt war. Shannon Briggs tauchte überall auf, um sich für einen Fight ins Gespräch zu bringen. Bei einem Pressetermin in Düsseldorf zog er sein Hemd aus und forderte Klitschko auf, sofort gegen ihn anzutreten.
„Das Charisma einer Unterhose“
In den vergangenen Tagen ist es nach Haye wieder ein Engländer, der die Stimmung vor dem Box-Weltmeisterschafts-Kampf im Schwergewicht am Samstag (22.10 Uhr/RTL) in Düsseldorf mit, sagen wir vorsichtig, eigenartigen Aktionen anheizt. Dass Tyson Fury das übliche Kräftemessen der Augenkontakte am Dienstag abbrach, in Lachen ausbrach und Wladimir Klitschko zuraunte, er rieche gut, war noch ganz witzig. Und sein Ständchen beim öffentlichen Training am Mittwoch für den ukrainischen Weltmeister war völlig harmlos. Der 27-jährige Tyson hatte Bette Midlers Song „Wind beneath my wings“ so umgedichtet: „Du bist der mit dem großen Ruhm, aber ich werde der mit den Gürteln sein.“
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In die Kategorie Großmaul fällt sein Spruch über Klitschko: „Es ist meine Mission, das Boxen von einer langweiligen Person wie dir zu befreien. Du hast das Charisma einer Unterhose.“ Der 39-jährige Klitschko wird immer wieder als Langweiler bezeichnet, weil er schon manches Mal im Gefühl des sicheren Punktevorsprungs nicht den entscheidenden Niederschlag suchte. Bisher geht seine Taktik aber gut auf: Er bestreitet am Samstag in Düsseldorf seinen 68. Profifight, ist seit elf Jahren unbesiegt und hält die Weltmeister-Titel der Verbände IBF, WBO und WBA.
Tyson Fury ist mit 2,06 Metern um acht Zentimeter größer und zwölf Jahre jünger als der Weltmeister. Obwohl er erst 24 Kämpfe – davon keinen einzigen gegen einen wirklich hochkarätigen Boxer – bestritten hat, scheint er trotz seiner 24 Siege schon einige Schläge zu viel eingesteckt zu haben. Jedenfalls gehen einige seiner Äußerungen nicht nur über den guten Geschmack hinaus, sie grenzen schon an Wahnsinn.
Persönlicher Kontakt zu Gott
Fury sieht sich als das Gute, der gegen das Schlechte kämpft. Und deshalb werde er Klitschko am Samstag besiegen. Fury behauptet, er habe einen persönlichen Kontakt zu Gott. Dagegen bete Klitschko den Teufel an und probiere Magie und Zauberkünste aus. Verstört ließ Fury auch die Leser der „Daily Mail“ zurück. In einem Interview mit der englischen Zeitung stellte der Mann aus Manchester krude Thesen auf und setzte Homosexualität sowie Abtreibung mit Pädophilie gleich. Das seien alles Dinge des Teufels. „Ich gebe lediglich das wider, was die Bibel mir vorschreibt“, verteidigte sich Fury nach dem Interview und räumte ein: „Ich persönliche verachte Homosexuelle nicht.“
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Klitschko empfindet für solche Sprüche nur Peinlichkeit: „Das hat nichts mit Boxen zu tun. Das war so bizarr, dass er es besser für sich behalten hätte. Es gibt Regeln des Respekts und die hat er damit eindeutig verletzt. Tyson Fury quatscht, ohne wirklich nachzudenken.“ Sein Gegner habe eine Menge Schrauben locker, erklärte Klitschko in der „Welt“. Es sei Zeit, ihn im Ring zu therapieren.
Fury: "Stimmt, ich bin ein Verrückter"
Tyson Fury hat keine einfache Lebensgeschichte hinter sich. Wenn man den 2,06-Meter-Riesen heute sieht, kann man sich nicht vorstellen, dass er als Frühchen zur Welt gekommen ist und nur 500 Gramm gewogen haben soll. Beim offiziellen Wiegen am Freitag betrug Furys Gewicht 112 Kilo. Nach eigenen Angaben wog er zu Beginn der Vorbereitung auf den WM-Kampf gegen Klitschko noch 140 Kilo. Dass ihn viele für verrückt halten, stört Fury nicht. Bei Sport1 gab er jetzt zu: „Es stimmt, ich bin ein Verrückter. Genau das ist aber Wladimirs Problem. Er steht einem kranken Kerl gegenüber, bei dem er nicht weiß, woran er ist.“
Übrigens: Der Sinn für die besondere Show dieses Box-Kampfabends soll sich nicht in den Extravaganzen Tyson Furys erschöpfen. Als Anheizer vor dem Fight um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht tritt Altrocker und Celtic-Glasgow-Fan Rod Stewart auf. Ein 40-Mann-Chor intoniert die Nationalhymnen vor dem Kampf.