Wuppertal. Henning Lambertz bereitet die deutschen Schwimmer auf die Kurzbahn-EM in Israel vor. Im Interview erklärt er, warum der Verband eine Reise zu den Wettkämpfen prüft.
Von Donnerstag bis Sonntag finden in Wuppertal die Deutschen Schwimm-Meisterschaften auf der Kurzbahn statt. Es ist der erste Schritt auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Rio. Bundestrainer Henning Lambertz spricht über seine Gefühle nach dem Attentat von Paris, die anstehende Kurzbahn-EM in Israel, über die olympischen Finals, die um Mitternacht in Rio stattfinden werden, und über seine Zustimmung zum Ausschluss der russischen Leichtathleten von den Sommerspielen in Brasilien.
Am Freitag gab es in Paris rund um das Fußball-Länderspiel die schrecklichen Attentate. Israel ist schon immer ein Ziel terroristischer Attacken gewesen. Wie haben Sie die Horror-Nacht erlebt und mit welchem Gefühl werden Sie nach Israel reisen?
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Henning Lambertz: Auch ich habe das Fußballspiel im TV geschaut und die Detonationen gehört. Schrecklich nun zu wissen, was wirklich geschah. Meine Gedanken sind bei unseren französischen Nachbarn. Wir prüfen natürlich mit Hilfe des Auswärtigen Amtes und der Botschaft, ob wir eine Reise nach Israel verantworten können.
Die olympische Saison beginnt mit den Kurzbahn-Meisterschaften in Wuppertal. Welche Bedeutung haben die Titelkämpfe auf dem Weg nach Rio?
Lambertz: In Wuppertal werden alle Schwimmer der Nationalmannschaft an den Start gehen. Nationale Meisterschaften gibt es nur zweimal im Jahr. Da wollen alle, ob alt oder jung, gewinnen. Die Kurzbahn-Saison hat im Hinblick auf die Olympischen Spiele aber noch keine so herausragende Bedeutung. Die EM im Dezember in Israel ist ein Stellpunkt, an dem man sich mit seinen Leistungen mit denen der europäischen Konkurrenz messen kann. Ich habe aber nicht mit Vehemenz die Teilnahme an der EM gefordert.
Koch und Biedermann sollen starten
Welche Leistungsträger werden denn nach heutigem Stand an der EM teilnehmen?
Lambertz: Weltmeister Marco Koch und Paul Biedermann, die derzeit besten deutschen Schwimmer, wollen die EM als Standortbestimmung mitnehmen. Andere wie Steffen Deibler oder Jakob Heidtmann haben bereits signalisiert, egal wie schnell sie in Wuppertal sein werden, lieber ins Training zurück zu kehren und so die notwendigen Schritte in Richtung Rio zu tun.
Es gibt also individuelle Lösungen.
Lambertz: Genau. Es kommt darauf an, wie man die Saison plant. Der eine wie Marco Koch geht über Wettkämpfe, der andere will lieber Trainingskilometer sammeln.
Haben Sie schon Erfahrungen für die Spiele 2016 in Rio gesammelt?
Lambertz: Anfang Januar waren wir längere Zeit gemeinsam mit den Schweden in einem Trainingslager in Brasilien. Im August dann noch mal zu einem Freiwasser-Testevent. So konnten wir schon mal die Reiseabläufe testen und die besonderen Bedingungen vor Ort kennen lernen.
Welche sind das?
Lambertz: In Brasilien ist während der olympischen Wettbewerbe zwar Winter, doch ist es dort so warm wie bei uns im Sommer. Man muss wissen, dass es an einem Tag 30 Grad Celsius sein kann, am nächsten aber nur 13. Dieser extreme Klimawechsel kann, wenn man nicht aufpasst, vermehrt zu Erkältungen führen. Da das Land eine besonders hohe Kriminalitätsrate hat, wird jeder Schwimmer von uns darauf hingewiesen, nicht auf eigene Faust in gefährliche Gegenden zu gehen.
Olympia-Wettkämpfe gegen Mitternacht
Es gibt noch eine andere Besonderheit. Die olympischen Finals werden zu einer außergewöhnlichen Ortszeit ausgetragen.
Lambertz: Richtig. Die Vorläufe finden zwischen 13 und 15 Uhr, die Endläufe zwischen 22 und 0.30 Uhr statt. Darauf müssen wir uns gezielt vorbereiten. In Deutschland sage ich jedem, er soll möglichst um 22 Uhr im Bett liegen. Dann sollen sie dort in den Pool steigen, um Höchstleistung zu erzielen. Das passt noch gar nicht zusammen. Deshalb fahren wir schon drei Wochen vor Olympia in ein Trainingslager nach Brasilien, um diesen Wettkampfrhythmus zu üben. Das heißt, wir werden erst in der Nacht um zwei zu Abend essen und am Morgen bis zehn Uhr schlafen.
Und das alles aus kommerzielen Gründen.
Lambertz: In den USA sollen die Schwimm-Wettbewerbe zur Prime Time im Fernsehen zu sehen sein. Auf Wunsch der Amerikaner wurde festgelegt, wann die Finals übertragen werden. Das Internationale Olympische Komitee hat zugestimmt.
Gab es keine Proteste?
Lambertz: Doch. Aber die sind leider im Nichts verlaufen. Die Welttrainer-Vereinigung hat ebenso protestiert wie viele Sportler. Auch wir haben Briefe geschrieben. Ohne Erfolg.
Wie viele Medaillen werden von den Schwimmern gefordert?
Lambertz: Unser Medaillenkorridor bei den Beckenwettbewerben liegt bei zwei bis vier Medaillen.
Ist das aus Ihrer Sicht ein realistisches Ziel?
Lambertz: Wenn alles gut läuft, geht das. Wir haben bei der WM 2015 drei Medaillen gewonnen, auch wenn die gemischte Staffel nicht zum Programm in Rio zählen wird. Aber Franziska Hentke ist als Vierte nur knapp am Edelmetall vorbei geschrammt. Wenn sie ihr Niveau bei Olympia noch einmal abrufen kann, ist sie eine Kandidatin für eine Medaille. Das gilt auch für Paul Biedermann und Marco Koch.
Verständnis für Olympia-Bann gegen Russland
War der Ausschluss der russischen Leichtathleten aus dem Weltverband und die damit möglicherweise verbundene Verbannung von den Olympischen Spielen in Rio richtig?
Lambertz: Ich kann diesen Schritt nachvollziehen. Irgendwann muss es klare Konsequenzen geben, wenn beispielsweise die Meldung stimmt, dass über 1400 Dopingproben in Russland verschwunden sind. Das sind keine Einzeltäter, die sich irgendetwas bestellt oder selbst zusammen gemischt haben. Solche Einzeltäter gibt es wahrscheinlich überall, ob in Europa, Asien, Russland oder den USA. Schwarze Schafe gibt es überall. Eine andere Qualität ist aber ein vom Staat gefördertes und gedecktes Doping. Wenn das nachweislich in Russland so betrieben worden ist, dann bin ich für einen Ausschluss.
Auch im Schwimmen?
Lambertz: Wenn in der Leichtathletik vom Staat das systematische Doping gefördert worden ist, dann ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass auch anderen Sportarten betroffen sein könnten.