Halle/Westfalen. . In Halle setzt sich eine Box-Saga fort. Artur Abraham will den dritten Sieg über Robert Stieglitz und damit den WM-Titel im Supermittelgewicht verteidigen. Ein fünftes Duell wird es nicht geben.

Auch für zwei Berufsboxer haben Arthur Abraham und Robert Stieglitz, vorsichtig ausgedrückt, eigentlich schon genug durchgemacht. In diesen letzten Wochen vor ihrem vierten Kampftermin flog den Routiniers, die es zusammen auf 69 Lebensjahre, 98 Kämpfe und 725 Runden im Ring bringen, dann auch noch diese eine Frage um die Ohren: Ob sie sich und ihren Sport nicht schon zu gut kennen würden, um den anderen überhaupt noch überraschen zu können.

Wohinter die kaum verhohlene Sorge steckt, die Ereignisse in einem Tennis-Stadion zu Halle, Westfalen, könnten zum vorgerückten Samstag möglicherweise ein bisschen festgefahren aussehen.

Packend und unvorhersehbar

Monotonie ist bislang jedoch nie zu beklagen gewesen in diesem Duell, im Gegenteil: Wenn der in Armenien geborene Berliner und der in Russland geborene Magdeburger um den WM-Gürtel der WBO im Supermittelgewicht boxten, ging es ab 2012 ebenso packend wie unvorhersehbar zu. Noch immer hat dabei der jeweilige Herausforderer gewonnen, also zwei Mal Abraham, wenn auch stets mit abgeänderter Taktik. Und bis heute führen beide Kontrahenten ihre Niederlagen einzig auf strategische Fehler zurück. So dass Teil 4 der knüppelharten Saga die beste Gelegenheit für sie ist, die eigene Überlegenheit definitiv zu unterstreichen.

Abraham vermisst Killerschlag

Titelverteidiger Abraham etwa möchte sich nie wieder so überrollen lassen wie im zweiten Duell, als er vom Blitzstart seines Gegners und einem geschwollenen Auge in drei Durchgängen außer Gefecht gesetzt wurde. „Ich kann alles genauso gut, wenn nicht besser als Stieglitz“, gibt er sich überzeugt.

Das gilt ihm zufolge vor allem für den gewissen Punch. Sein Erzrivale habe „keinen Killerschlag“, so Abraham, der seine Vorteile in dieser Hinsicht zuletzt im Frühjahr 2014 ausspielen konnte. Da hatte er den allzu offen attackierenden Widersacher in der Schlussrunde zu Boden befördert, es brachte ihm einen Zusatzpunkt für den knappen Punktsieg ein. „Das bleibt psychologisch hängen“, gibt sich sein gewiefter Trainer Ulli Wegner sicher.

Stieglitz ist oft hyperaktiv

Nur ein Ausrutscher, wie Stieglitz erklärt, der sich bis heute durch das Urteil krass benachteiligt fühlt. Eine Auslegung, der außerhalb seines Umfelds nur wenige folgen können. Der hyperaktive Kämpfertyp ist im Ring oft zu ineffektiv, müsste seine Attacken gegen einen defensiv gut geschulten Profi wie Abraham punktgenauer bündeln.

Das hat auch sein Trainer Dirk Dzemski erkannt, der für den „Final Showdown“, so das offizielle Motto, eine dosiertere Strategie angekündigt hat – integraler Bestandteil eines „Geheimplans“, über dessen Details er sich ausschweigt. „Robert hat momentan nichts“, sagt er nur, „das macht ihn hungrig und gefährlich. Unser Raubtier wird Arthur den Titel entreißen.“

Weggefährten und Geschäftspartner

So mühen sich beide Lager im Vorlauf um jene Animosität, die in ihrem rauen Sport offenbar unverzichtbar ist. Sie befeuert den Rummel, an dem alle partizipieren wollen – einschließlich des übertragenden Privatsenders Sat.1, der de facto inzwischen eine Alleinstellung am TV-Markt in Sachen Boxen besitzt. Das wird zunehmend schwieriger, da zwei Rivalen, wenn sie so häufig aneinander geraten, fast beiläufig auch Respekt, wenn nicht gar Sympathien füreinander entwickeln. Sie werden Weggefährten und Geschäftspartner.

Um so mehr Druck liegt auf dem Termin in Halle, der nicht als westfälischer Frieden ablaufen soll. Er habe „ein freundschaftliches Verhältnis mit Arthur“, so Stieglitz, „doch im Kampf Mann gegen Mann kenne ich nur Feinde.“ „Ich kann Robert gut leiden“, hat Abraham, den sie in der Szene „König“ nennen, returniert, aber auch: „Ich lasse mir meinen Titel nicht mehr abnehmen.“ Andernfalls stünde er ohne Trainer da: „Bei einer Niederlage arbeiten wir nicht mehr zusammen“, hat sich Boxlehrer Wegner zum Fenster raus festgelegt. Möglicherweise gibt es also doch noch genug Motive, nicht besonders nett zu sein – für beide.